Der „Tatort“ im Fernsehen hat Kultstatus. Doch ermittelt wird auch im Hörfunk. Die Krimireihe „Radio-Tatort“ soll ins Ohr gehen. Sie läuft im zehnten Jahr. Und wird im Hörspielstudio aufwendig produziert.
Die „Tatort“-Kommissarin Nina Brändle und ihre Kollegen jagen Mörder und andere Verbrecher. Ihre Fälle setzen sie geräuschvoll in Szene. Sie werden nicht im Fernsehen, sondern im Radio gesendet. Mit dem „Radio-Tatort“ hat die ARD eine Krimireihe geschaffen, die unabhängig von der gleichnamigen TV-Reihe läuft. Mit Sprache und Tönen findet sie deutschlandweit ihr Publikum – und läuft im zehnten Jahr. Alle ARD-Anstalten machen mit und stellen regionale Ermittlerteams, unter ihnen die Stuttgarter Kommissarin Brändle. Sie löst von Mittwoch (13. September) an bundesweit ihren 17. Fall.
Hinter der schwäbischen Kriminalhauptkommissarin, die gemeinsam mit ihrem verletzungsbedingt in den Innendienst versetzten Chef Xaver Finkbeiner (Ueli Jäggi) ermittelt, steckt die Schauspielerin Karoline Eichhorn (51). In einem Hörspielstudio des Südwestrundfunks (SWR) in Baden-Baden und spricht sie gemeinsam mit Kollegen in die Mikrofone.
Auf dem Boden hat Toningenieur Andreas Völzing Kieselsteine und Tannenzapfen ausgelegt. Eichhorn und die anderen treten darauf, während sie sprechen. Die Szene des neuen „Radio-Tatort“ mit dem Titel „Ende der Schonzeit“ spielt beim Wandern im Wald – dafür braucht es passende Geräusche. Mit der Stimme allein, sagt Regisseur Alexander Schuhmacher, lässt sich die für Hörspiele wichtige Atmosphäre nicht erzeugen.
Wenig später stehen die Schauspieler in einem kleinen Holzkasten, den Toningenieur Völzing gezimmert hat. Jetzt geht es um einen Dialog in einem fahrenden Auto. Die Enge in dem Fahrzeug wird akustisch durch den Holzkasten hergestellt. „Die Stimmen verlieren sich so nicht im großen Raum“, sagt Völzing. Die Fahrgeräusche werden später beim Bearbeiten des Stücks von der Tontechnik hinzugefügt.
In den Studios stehen weitere Requisiten, die für Hörspielproduktionen eingesetzt werden, etwa eine Telefonzelle, eine Wendeltreppe oder ein mitten in den Raum gebauter schmaler Flur. Treppe und Flur kommen bei Spielszenen in Häusern und Wohnungen zum Einsatz.
In Zeiten der Digitalisierung ist es für die Hörspielmacher einfacher geworden, sagt Völzing. Vieles gehe heute technisch. Früher waren nahezu alle Geräusche sowie die vielen Musik- und Toneffekte handgemacht.
Der „Radio-Tatort“, an dem sich alle neun Landesrundfunkanstalten der ARD vom Norden bis zum Süden der Republik beteiligen, hat sich zur Erfolgsgeschichte entwickelt, sagt Walter Filz, seit Januar 2017 Hörspielchef beim SWR. Die erste Folge der aufwendig produzierten Hörspielreihe wurde im Januar 2008 gesendet.
Seither entstehen jedes Jahr zwölf neue Episoden, jede ist 50 Minuten lang und wird von allen Sendern mindestens einmal gesendet. Es gibt, wie auch im Fernsehen, regionale Ermittlerteams, die abwechselnd Fälle lösen. Jede Folge erreicht den Angaben zufolge deutschlandweit mehr als eine halbe Million Hörer. Sie verfolgen den Krimi im Radio oder laden ihn aus dem Internet kostenlos herunter.
Nötig ist beim „Radio-Tatort“ ein sehr genaues und detailintensives Arbeiten, sagt Regisseur Schuhmacher. Im Gegensatz zum Fernsehen kann beim Rundfunk optisch nichts dargestellt werden. „Der Film spielt sich im Kopf der Zuhörer ab“, sagt Schuhmacher: „Wir müssen die Dramaturgie daher so gestalten, dass rein akustisch Geschichte und Personen klar werden.“
Mit Körpereinsatz gehen die Schauspieler auch im Hörfunkstudio ans Werk, wie Eichhorns Kollege Ernst Konarek (72) sagt. Der frühere Stuttgarter Staatsschauspieler spricht im neuen „Radio-Tatort“ den Jäger Wilhelm Wichtel, der in Verdacht gerät. „Einfach nur so vor dem Mikrofon stehen und Texte ablesen, das funktioniert nicht. Das wäre zu statisch.“ Es gehe zu wie auf der Bühne oder vor der Kamera: „Wir gestikulieren beim Sprechen, damit es dem Publikum ins Ohr geht.“
Der neue „Radio-Tatort“ startet am heutigen Mittwoch bei den Sendern Bayern2 (20.03 Uhr) und hr2-kultur (21 Uhr). Er geht danach bis zum 18. September durch alle ARD-Anstalten und dort durch verschiedene Radiosender. Außerdem steht er im Internet ohne zeitliche Einschränkung zum Herunterladen oder als Podcast zum Reinhören. [Jürgen Ruf]
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