Mit dem BR hat der letzte Radiosender über Mittelwelle seinen Betrieb eingestellt. Doch ein paar Exemplare der entsprechenden Empfangsgeräte leben weiter – denn auch dafür finden sich Liebhaber.
Gelegentlich findet Gerhard Wild vor seiner Haustür ein altes Radiogerät, das er noch restaurieren kann. Das hat dann ein Spender dort abgestellt. „Die Leute wissen eben, dass ich eine Leidenschaft für Radios habe“, sagt der Sammler aus der 700-Seelen-Gemeinde Haschbach am Remigiusberg in Rheinland-Pfalz.
Wer den 57 Jahre alten Maschinenschlosser besucht, kommt kaum an alten Rundfunkempfängern vorbei. Seit etwa 30 Jahren sammelt Wild die Geräte, die er auf Tauschbörsen oder Flohmärkten aufstöbert. Hunderte sind es inzwischen. Im Wohnzimmer stehen viele Empfänger neben antiken Möbeln und einem Grammophon.
Zu den Empfängern, die Wild restauriert hat, zählen zum Beispiel Geräte aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, aber auch „Notradios“ aus der Nachkriegszeit. Zwar stammt der größte Teil seiner Kollektion aus den 1920er und -30er Jahren, aber auch einige Empfänger aus den 1960er Jahren sind in mannshohen Regalen untergebracht.
Es gibt sogenannte Volksempfänger, aber auch „antike“ Geräte der Firmen Saba, Telefunken, Zenith. „Die Pionierzeit des Radios finde ich am interessantesten“, sagt Wild. Eines seiner ältesten und schönsten Modelle ist ein Gerät der Firma Seibt von 1926 mit freistehenden Röhren.
„Die Technik in alten Geräten ist überschaubar. Einfacher als die der Empfänger unserer heutigen Digital-Ära“, sagt der Pfälzer. Auch den historischen Kontext der ersten Detektorempfänger, die zum Beispiel als Bausätze verkauft wurden und als Alternative zu teuren Radiogeräten galten, findet Wild interessant.
Das sieht auch Rainer Steinführ so. Der Berliner war technischer Berater für das Deutsche Rundfunkarchiv in Potsdam und Mitarbeiter des früheren Deutschen Rundfunk-Museums in Berlin. „1923 wurde der Rundfunk in Deutschland eingeführt, damals konnten sich längst nicht alle Bürger ein Gerät leisten“, sagt der 69-Jährige. Daher sei es etwa in Arbeitervereinen üblich gewesen, gemeinsam Detektor-Radios zusammenzubauen.
Kulturell habe der Empfang von Hörfunksendungen damals neue Perspektiven eröffnet. Nachrichten kamen schneller über den Äther, und wer es sich leisten konnte, hörte die neuesten Schlager. „Wie das Internet in den 1990ern, so war auch das Radiogerät 70 Jahre zuvor schlicht eine Sensation“, sagt Steinführ.
Auch für Gerhard Wild sind und waren die Geräte sensationell. „Schon als Jugendlicher haben mich Radios fasziniert“, erinnert er sich. Beinahe hätte er nach seinem Schulabschluss 1973 eine Lehre als Radiomechaniker begonnen. Später in den 80er Jahren stellte ihm seine frühere Frau zwei alte Volksempfänger unter den Weihnachtsbaum. „Einer zur Reparatur, der andere zum Ausschlachten. Das war die Initialzündung“, sagt Wild.
Seit Jahren sucht der Autodidakt nicht nur auf Sammlermärkten nach originalen Röhren und Kondensatoren für die Empfangsgeräte, auch edle Holzleisten oder Schaltknöpfe nimmt er mit Vorliebe aus der gleichen Serie, aus der das Gerät stammt. Manchmal dauere es Jahre, bis ein Gerät vollständig restauriert sei, sagt Wild.
Leider seien diese Empfänger lediglich über Kurzwelle, Lang- und Mittelwelle zu erreichen. Solche Sender gebe es heutzutage aber nicht mehr. Zum Jahreswechsel 2015/2016 hat die letzte öffentlich-rechtliche Radiostation Deutschlands die Übertragung über Mittelwelle eingestellt. Aber Wild hat in seinem Haus einen einen sogenannten Messender. Damit kann er innerhalb seiner eigenen vier Wände selber Wellen erzeugen und zum Beispiel Musik von seinem CD-Player übertragen – und mit dem Radio empfangen. [Stephen Wolf/kw]
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