Notfallradio in der Schweiz auf der Kippe

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Nachdem sich in der Schweiz die SRG von UKW verabschiedet hat, steht nun auch das Notfallradio auf der Kippe

Um die Bevölkerung in ernsten Notsituationen mit den für sie relevanten Informationen versorgen zu können, wurde in der Schweiz ein spezielles Notfall-Radiosystem installiert. Es sendet auf UKW. Wie geht es nun damit weiter?

Notfallradio, was ist das?

Bisher war es so, dass die schweizer Bevölkerung, wenn diese in Bunkern Schutz suchen gemusst hätte, weil das Leben auf der Erdoberfläche zu gefährlich geworden wäre, diente das Notfallradio als zuverlässiger Weg der Kommunikation.  Ausgestattet mit entsprechend hohen Sendeleistungen ist dieses System in der Lage, bis in das Innere von Bunkern durchzudringen. Also dorthin, wohin sich die Menschen in Sicherheit gebracht und keinen Zugang zu anderen Nachrichtenquellen haben. Die für die Bevölkerung relevanten Informationen wären von der schweizer Armee gekommen, die dafür Radiostudios in Bunkern eingerichtet hatte.

Von den etwa 800 von der SRG genutzten UKW-Sendeanlagen sind rund 30 für Notfallradio ausgerüstet. Diese arbeiten im Bedarfsfall mit extrem starker Sendeleistung und sind mit Notstromanlagen ausgestattet. Im Falle ihrer Zerstörung könnte das Notfallradio auch auf ausfahrbare UKW-Sendeanlagen zurückgreifen, die bis in 30 m Höhe ausgefahren werden könnten.

Eine Einrichtung, auf die man in der Schweiz über Jahrzehnte stolz war. Kein Wunder. Vergleichbares sucht man in anderen Ländern vergebens. Dennoch soll dieses Notfallradio im Zuge der mit Jahreswechsel 2024/25 vollzogenen UKW-Abschaltung in der Schweiz abgeschafft werden.

Warum soll das Notfallradio abgeschafft werden?

In der Schweiz geht man davon aus, dass sich die Gefahrenlagen verändert haben. So glaubt man etwa, dass künftige Gefahrensituationen die Bevölkerung nicht mehr für längere Zeit in Bunkeranlagen zwingen wird. Weiter geht man davon aus, dass ein Gegner, der das Volk in die Schutzräume zwingt, sicher auch Radiosender zerstören würde.

Wie will man künftig warnen?

Man beabsichtigt, in der Schweiz ein Cell Broadcast-System zu installieren. Womit die Warnungen und Informationen künftig über das Smartphone erfolgen würde. Zudem verweist man auf bestehende Kanäle, wie die Alert Swiss-App und die Sirenen im Lande.

Funktioniert Notruf über Mobilfunk?

Ob ein Notruf über Mobilfunk funktioniert, muss aus mehreren Gesichtspunkten betrachtet werden. Solange keine ernsthaften Gefahrensituationen vorliegen, können wir davon ausgehen, dass Cell Broadcast gut funktionieren wird.

Die Frage ist eher, wie zuverlässig Modilfunknetze während Ausnahmesituationen arbeiten. Hier musste man in Deutschland in der Vergangenheit bereits einige leidvolle Erfahrungen sammeln. Etwa, dass Mobilfunk-Basisstationen recht schnell ausgefallen sind, weil sich diese zu nah an der Gefahrenstelle, Stichwort Hochwasser, befunden haben.

Wie groß ist das Vertrauen in Cell Broadcast?

Soweit wir bislang in Erfahrung bringen konnten, stehen die Schweizer Cell Broadcast mit gemischten Gefühlen gegenüber. Das Vertrauen, dass es im Ernstfall so gut funktioniert, wie man es sich vom Notfallradio erwarten durfte, ist jedenfalls nicht gegeben. Einige Stimmen meinen sogar, dass es scih noch rächen könnte, dieses bewährte System abzuschaffen.

Neben herkömmlichen Sendeanlagen verfügt das Notfallradio auch über ausfahrbare Masten, die unter solchen Kuppeln verborgen sind

Würde ein UKW-Warnsystem weiter funktionieren?

Davon dürfte man ausgehen. Gleich aus mehreren Gründen. Einmal ist es eine Tatsache, dass alle DAB+-Radios auch auf UKW empfangen können. Es wäre also nicht, dass man diese Ausstrahlungen künftig nicht mehr hören könnte.

Ein weiterer Vorteil ist, dass diese Ausstrahlungen mit alten und neuen Radios empfangbar wären. So sind unabhängig von Softwareupdates und dergleichen, die uns immer wieder mal vor unliebsame Überraschungen stellen. Zuletzt ist es einfach eine Illusion zu glauben, dass Mobilfunkanlagen sicherer vor der Zerstörung eines potentiellen Feindes wären, als klassische Sendeanlagen.

Man könnte auch meinen, dass die Verantwortlichen in der Schweiz glauben, dass mit der UKW-Abschaltung im Lande auch die Empfangbarkeit von UKW in der Bevölkerung wegfällt. Zudem ist man zu dem Schluss gekommen, dass es zu teuer wäre, alleine für einen eventuellen Notfall das UKW-Notnetz weiter am Leben zu erhalten. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit, dass man es braucht, sehr klein. Pro Jahr würde die Aufrechterhaltung des Notfallradio-Systems rund 20 Millionen Franken kosten. Der Rückbau des Notfallradios wird vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz mit etwa 70 Millionen Franken beziffert.

Wie lange bleibt das Notfallradio noch?

Noch ist in der Schweiz UKW nicht ganz zu Grabe getragen worden. Auch wenn sich die SRG bereits von UKW verabschiedet hat, dürfen die Privaten bis Ende 2026 noch weiter auf UKW senden. So lange wird auch das Notfallradio betriebsbereit gehalten.

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3 Kommentare im Forum
  1. Auf Mobilfunk vertrauen, in solch einer extremen Situation bei der das Notradio zum Einsatz kommen würde, ist ja schon grob fahrlässig. Es sollte einfach beibehalten werden, man kann nur hoffen dass man es nie braucht und wenn doch ist man froh wenn man es hat.
  2. Als ich in den 2000ern meine Zeit in der Schweiz verbracht habe, hatte jedes Haus einen eignen Bunker im Keller. Das war schon für mich ungewohnt.
  3. Hier ist der TV-beitrag, aus dem DF diese Infos zusammengeschrieben hat. Mit Bewegtbild vom Deckel auf dem Schacht mit der Notfallantenne (die nicht wie eine Band-II-Antenne aussehen will): Tagesschau - Schweiz: Im Krisenfall Multikanal-Strategie statt Notfallradio - Play SRF Meine Einschätzung: das einzige, was ich bei Mobilfunk als besser ansehe, ist die Vielzahl an Basisstationen. Ansonsten ist eine primitivstmögliche Informationsweitergabe immer besser. Also UKW.
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