Das Radio gehört zwar für viele Menschen zum Alltag, doch es fehle dem Medium an Innovationen, um auch künftige Generationen an sich zu binden, wie es beim Radio-Gipfel auf den Medientagen München hieß. Vor allem fehle Nachwuchs, für den andere Medien oftmals attraktiver sind.
Das Medium Radio braucht nach Ansicht einiger Experten aus den eigenen Reihen einen neuen Schub. „Wir haben keine Innovationskultur“, kritisierte die Programmdirektorin des Senders Antenne Thüringen, Julia Schutz, die Situation des deutschen Hörfunkmarkts 2015 beim sogenannten Radio-Gipfel der Medientage München am Donnerstag. „Das Radio bewegt sich nur, wenn es muss.“
Investitionen seien schwierig, kritisierte Schutz. „Wenn ich vorschlage, wir müssen Whatsapp bei uns einbinden, heißt es: ‚Mach das‘. Wenn ich aber hinzufüge: Wir brauchen die Software, um Whatsapp zu integrieren, und einen Mitarbeiter, der den Input betreut, dann ist dies zu teuer. Es wird nur so viel Geld ausgegeben, dass es reicht, um mitzuhalten, aber nicht mehr.“
Der Hörfunk habe ein Nachwuchsproblem, sagte Martin Liss, früher auch Radiomacher und heute beim Online-TV-Betreiber- und Vermarkter Mediakraft. „Video ist deutlich attraktiver. Wenn du jung und kreativ bist, dann ist das Radio von deinem Radar verschwunden.“
Hans-Dieter Hillmoth, Programmdirektor von Hit Radio FFH, betonte, die Nähe werde weiter die Stärke des Hörfunks bleiben. 90 Prozent der Nutzer wollten Programme aus ihrem Dunstkreis. Hillmoth ist auch Geschäftsführer der Plattform Radioplayer.de, auf der sich seit kurzem gut 300 deutsche Sender zusammengeschlossen haben, über zunächst ein Jahr auch mit öffentlich-rechtlicher Beteiligung. Elf Millionen Abrufe seien ein guter Start, sagte Hillmoth, bei den Downloads sei noch Luft nach oben.
Robert Skuppin, Programmchef von radioeins in Berlin, berichtete von einem Experiment seines Senders: ein neues Hörfunkstudio, das auch audiovisuell eingesetzt und für andere Sender nutzbar gemacht werden solle. Ansonsten: Das Radio sei wie ein Rad, das ständig neu erfunden werden müsse, auch wenn es mal viereckig sein müsse.
Dass auf dem Audiomarkt für viele Anbieter noch Raum für neue Produkte ist, unterstrich Carsten Schüerhoff, seit ein paar Tagen Geschäftsleiter Radio und TV der Bauer Media Group, die in Europa 94 Hörfunkstationen betreibt: Demnächst starten vier neue Radiosender unter der Dachmarke „Bravo“.
Das Radio – wenn es nicht in klassischer Manier über UKW-Frequenzen verbreitet wird – hat im Netz durchaus Wachstumspotenzial, ergab eine am Donnerstag veröffentlichte Befragung des Berliner Forschungsinstituts Goldmedia. Fast 10 000 Audio-Webangebote existierten in Deutschland. Die Nutzung werde innerhalb der nächsten zwei Jahre um 200 Prozent steigen, der Werbemarkt 2916 um 46 Prozent auf brutto 150 Millionen Euro Umsatz zulegen. Die Kehrseite: Die mobilen Datenströme sind zu komplex, müssen durch ein Nadelöhr – und: 64 Prozent der 415 befragten Audio-Unternehmer (von 1659 kontaktierten) beklagten eine Unterdeckung. [dpa/fs]
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