Tausende Kilometer von der Familie getrennt: Auslandseinsätze können für Soldaten hart sein – vor allem an Heiligabend. Bei Radio Andernach gibt es Heimat auf die Ohren. Soldaten berichten für Soldaten. Weltweit, rund um die Uhr – und ohne Zensur, wie es heißt.
Hochwertige Studiotechnik, eine große Glasscheibe, ein geschmückter Weihnachtsbaum und Radiomacher in Kampfanzug in einer Kaserne: Moderatorin Oberleutnant Julia Döhler erklärt die Adventskalender-Verlosung des Senders. Diesmal gewinnt das Los Nummer 663 und damit Oberstabsgefreiter Steve B. an der Ostflanke der Nato in Litauen. Er bekommt zwei VIP-Tickets für das 25. „Nature One“-Festival mit elektronischer Musik in der einstigen Raketenbasis Pydna bei Kastellaun im Hunsrück Anfang August 2019. Auch Co-Moderatorin Oberfeldwebel Isabelle Holstein will da privat hin – und verspricht dem Gewinner fröhlich: „Wir gehen einen trinken zusammen.“
Lockere persönliche Ansprache, viel Musik und Nachrichten mit dem Dreiklang Bundeswehr, Deutschland und die Welt – das ist die Mischung des besonderen Radiosenders. Auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die am Montag zu einem Besuch deutscher Soldaten in Afghanistan eintraf, hebt seine hohe Bedeutung gerade an Weihnachten hervor: „Radio Andernach ist der direkte Draht aus der Heimat in die Feldlager weltweit und gerade zu solchen Zeiten unverzichtbar.“
An Weihnachten plagt das Heimweh manchen Soldaten im fernen Einsatz besonders. Gesprochene Grüße von der Familie zu Hause wie „Hallo Schatz, ich liebe dich“ oder „Papa, pass gut auf dich auf“ bekommen da eine sehr emotionale Bedeutung. Übermittelt werden sie vom Radio Andernach, dem Sender der Bundeswehr, mit Sitz in der Osteifel. Die Sendung „Meet & Greet“ überbringt jedes Jahr mehrere tausend herzliche Botschaften, gerne verbunden mit einem Musikwunsch – von „Des Großen Kurfürsten Reitermarsch“ bis Hip-Hop.
Bereits seit 1974 produzieren Soldaten das Hörfunkprogramm. Kameraden und deren Angehörige können den Livestream mit einem Passwort übers Internet empfangen. „In den Anfangsjahren haben wir dazu Kassetten versandt“, teilt Radio Andernach mit. Längst sendet es rund um die Uhr und weltweit – mit 64 Mitarbeitern inklusive einer kleinen Einsatzredaktion in Afghanistan ein hoher Aufwand für gut 4000 Soldaten im Ausland. Manche Soldaten, etwa auf Marineschiffen und an abgelegenen ausländischen Dienststellen, werden bis heute mit CDs versorgt.
Radio Andernach gehört zum Zentrum Operative Kommunikation der Bundeswehr in der Oberst-Hauschild-Kaserne bei Mayen unweit von Koblenz. Der Name geht noch zurück auf den ersten Standort im nahen Andernach am Rhein. Mit dem zunehmenden Engagement der deutschen Streitkräfte im Ausland hat der Sender an Bedeutung gewonnen. 1993 gab es die erste Livesendung – aus dem Wüstensand in Somalia.
Heute dauert das interne Training für die Mitarbeiter laut Chef vom Dienst, Hauptmann Moritz Bock, knapp ein halbes Jahr: „Alle sind ausgebildet als Redakteure, Moderatoren und Nachrichtensprecher.“ Die Moderatoren wechseln alle zwei Wochen. Im Studio wird geduzt, auch über Dienstgrade hinweg.
„Niemand, der noch nicht im Einsatz war, kann ermessen, wie wichtig Radio Andernach ist“, sagt der stellvertretende Bundesvorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Hauptmann Andreas Steinmetz. „Ein Stück Heimat in der Fremde. Das unsichtbare Band, das die Truppe mit Zuhause verbindet. E-Mail hin, Facebook her: Radio ist ein zeitloses Medium mit ungebrochener Strahlkraft.“
Der Sender ist der Bundeswehr zu Loyalität verpflichtet und muss sich an das Soldatengesetz halten. Aus Sicherheitsgründen nennt Radio Andernach meist nur Dienstgrad, Vornamen und den ersten Buchstaben des Nachnamens von Soldaten, wie der Chef vom Dienst, Hauptmann Bock, erläutert. Ansonsten aber sei der Sender frei: „Es gibt keine Auflagen, wir unterliegen keiner Zensur.“ Auch Themen wie die Berateraffäre im Verteidigungsministerium würden von Radio Andernach mit eigenen Beiträgen beleuchtet werden, sagt Bock.
Zum Programm gehört bei Radio Andernach aber auch das weltweit bekannte Soldatenlied „Lili Marleen“, das erstmals im Zweiten Weltkrieg gespielt wurde. Musikchef Hauptfeldwebel Mirko Frenzel berichtet: „Das wird bei uns jede Nacht um 22.56 Uhr und 30 Sekunden gespielt.“ Bereits während seines Balkan-Einsatzes in den neunziger Jahren habe er „Lili Marleen“ bei Radio Andernach gehört. [Jens Albes]
Bildquelle:
- Empfang_Radio_Artikelbild: © jakkapan - Fotolia.com