Mit der Ausschreibung des zweiten Digitalradio-Bundesmuxxes kommt DAB Plus in Deutschland weiter in Bewegung. Wann eine Entscheidung über den Betreiber gefällt wird, warum es keinen dritten Multiplex geben wird und wo Unterstützung wünschenswert wäre, erklärt Martin Deitenbeck, Geschäftsführer der Sächsischen Landesmedienanstalt (SLM) im Gespräch mit DIGITAL FERNSEHEN.
Herr Deitenbeck, die Ausschreibung für das zweite DAB-Plus-Bundesmultiplex ist beendet und vier Bewerber haben ihr Interesse als Betreiber des Multiplex bekundet. Hat sie die große Resonanz überrascht?
Martin Deitenbeck: Nein, überhaupt nicht. Der zweite bundesweite Digitalradiomultiplex ist die letzte Chance, in Deutschland in den bundesweiten Hörfunk einzusteigen. Einen dritten Bundesmuxx wird es schon aus Kapazitätsgründen nicht geben. Im Übrigen ist aufgrund des übervollen und störanfälligen UKW-Bandes Digitalradio die einzige Möglichkeit für neue Anbieter, eine Verbreitungsmöglichkeit für ihre Angebote zu finden. Da alle Indizes für die Digitalradionutzung und den Geräteverkauf nach oben zeigen, Digitalradio zudem qualitativ deutlich besser ist als UKW und die Verbreitungskosten für die Veranstalter signifikant günstiger sind, war es klar, dass die Ausschreibung auf große Resonanz treffen würde.
In den kommenden Wochen müssen Sie und die Kollegen nun entscheiden wer den Zuschlag erhält. Können Sie bitte unseren Lesern das nun folgende Prozedere beschreiben?
Deitenbeck: Am 7. März nimmt der innerhalb der ZAK zuständige Fachausschuss II „Technik, Netze, Konvergenz“ auf der Basis einer Vorlage der zuständigen Sächsischen Landesmedienanstalt (SLM) eine erste Sichtung der eingegangenen Bewerbungen vor. An diesem Tag erhalten die vier Bewerber auch Gelegenheit, ihre jeweiligen Konzepte näher zu erläutern.
Da es mehrere Bewerber gibt, aber nur ein Bewerber den Zuschlag bekommen kann, sieht der Rundfunkstaatsvertrag zunächst Einigungsgespräche vor. Diese wird die SLM gemeinsam mit dem Fachausschuss II in den kommenden Wochen führen. Ziel ist es, mit dem Fachausschuss bis Anfang Mai einen Beschlussvorschlag für die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) zu erstellen.
Die ZAK selbst wird sich am 16. Mai auf ihrer Sitzung in Schwerin mit dieser Vorlage beschäftigen. Sollte es im Rahmen der Einigungsgespräche bis zu diesem Zeitpunkt gelingen, alle Beteiligten zu einer Einigung zusammenzuführen, könnte die ZAK an diesem Tag bereits eine Zulassung erteilen. Gelingt dies nicht, wird eine Auswahlentscheidung notwendig, für die nach dem Rundfunkstaatsvertrag die Gremienvorsitzendenkonferenz zuständig ist. Eine solche Entscheidung würde dann voraussichtlich im Juni fallen.
Denken Sie das DAB-Plus-Hörer 2017 noch den weiteren Bundesmultiplex in ihren Radios suchen können?
Deitenbeck: Für die Beauftragung der notwendigen Sender und deren Aufbau muss man in der Regel zwischen sechs und neun Monaten einplanen. Ich persönlich gehe daher eher davon aus, dass der Sendestart im 1. oder 2. Quartal 2018 erfolgen wird.
Wie anfangs erwähnt war die Resonanz auf die Ausschreibung groß, sorgt diese Interessensbekundung von Veranstaltern vielleicht sogar dafür, dass über einen dritten, bundesweit empfangbaren, DAB-Plus-Multiplex nachgedacht wird?
Deitenbeck: Die Frequenzsituation im VHF-Band ist nicht so üppig, wie das zu Beginn der Planungen einmal gedacht war. Ursprünglich hatten wir mal mit sieben möglichen Bedeckungen in Deutschland gerechnet, davon spricht heute niemand mehr. Selbst sechs Bedeckungen lassen sich nur realisieren, wenn die Kanäle 5A und 5B in großem Rahmen eingesetzt werden können.
Das aber ist kurzfristig leider nicht möglich, da unterhalb des Kanals 5 die Frequenzen der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) liegen, also Polizei, Feuerwehr und das Technische Hilfswerk. Da deren Funkgeräte nicht hinreichend störsicher sind, lassen sich die Kanäle 5A und 5B bis auf weiteres nur punktuell nutzen.
Damit sind wir bei fünf möglichen Bedeckungen. Der nun zu vergebende zweite bundesweite Multiplex wird bereits mit Kapazitäten realisiert, die eigentlich für private Landesversorgungen geplant waren. Diese haben alle Länder einvernehmlich für das neue Angebot zur Verfügung gestellt. Frequenzen für einen dritten bundesweiten Multiplex stehen damit nicht mehr zur Verfügung.
Sie sind ein großer Befürworter von DAB Plus. Woran ist es geschuldet, dass ausgerechnet in Sachsen aktuell noch so wenige lokale Privatradios via DAB Plus zu empfangen sind?
Deitenbeck: Das hat unterschiedliche Gründe. Zum einen ist es leider immer noch so, dass es den Veranstaltern schwer fällt, DAB-Plus-Reichweiten auch zu vermarkten. Während in der MA jedes kleine UKW-Radio gestützt abgefragt wird, geschieht dies bei Digitalradio nicht. Die DLM arbeitet gemeinsam mit ARD, DLR, den privaten Radios und der Media Broadcast daran, dies zu ändern. Eine erste Studie unter Beteiligung der ag.ma hat es bereits gegeben, 2017 wird es eine zweite Studie geben. Ziel ist die Fusion mit der MA Audio.
Zum anderen gibt es nach wie vor kein einheitliches Konzept der Simulcastförderung, die für die privaten Veranstalter, die sich parallel in UKW und DAB Plus engagieren, notwendig ist. Während der Freistaat Bayern der BLM Mittel zur Verfügung stellt, um die Veranstalter bei DAB Plus zu unterstützen, wurde dieser Weg in anderen Bundesländern noch nicht gegangen. In Großbritannien gibt es eine Unterstützung aus Mitteln, die zu einem Drittel vom Staat, der BBC und den Privaten bereitgestellt werden. Auch ein solches Modell hat sich in Deutschland bislang nicht realisieren lassen. Andererseits wissen die Veranstalter selbst, dass der Zeitpunkt zum Einstieg jetzt der Richtige wäre.
Radio BOB holt beispielsweise zwischenzeitlich ein Drittel seiner Reichweite außerhalb Hessens, wo das Programm über UKW verbreitet wird. Das heißt: ein Drittel der Radio-BOB-Hörer sind Digitalradionutzer. Ähnlich, wenngleich noch mit geringeren Zahlen, verhält es sich in Sachsen mit R.SA, welches seit Anfang 2016 digital im Multiplex des MDR empfangbar ist. Es gibt deswegen derzeit intensive Gespräche darüber, den (einzig verbliebenen) landesweiten Multiplex für private Programme im Rahmen eines Plattformbetriebes zu starten. Allerdings wird dies ohne eine finanzielle Unterstützung der privaten Veranstalter nicht gehen. Dies SLM prüft daher, in welchem Rahmen hier eine Förderung möglich ist.
Wird Sachsen also auch einen regionalen Multiplex bekommen wie er etwa in Sachsen-Anhalt und anderen Bundesländer zu finden ist?
Deitenbeck: Ich gehe davon aus, dass dies in diesem, spätestens aber im kommenden Jahr gelingen wird.
Am 11. Januar um punktgenau 11.11 Uhr wurde es auf einigen Radiogeräten, mit ausschließlich UKW-Empfangshardware, in Norwegen stumm. Können sie sich eine UKW Abschaltung auch in Deutschland vorstellen? Wenn ja in welchem Zeitraum?
Deitenbeck: Die an der erfolgreichen Einführung von Digitalradio Interessierten haben sich darauf geeinigt, dass Wort „Abschaltzeitpunkt“ möglichst zu vermeiden. Daher werden Sie auch von mir keine konkrete Jahreszahl hören. Allerdings hat mir bisher auch noch niemand schlüssig erklären können, weswegen der Hörfunk im Gegensatz zu anderen aus der Luft empfangbaren Diensten dauerhaft parallel ein analoges und ein digitales Verbreitungsnetz benötigen soll. Ich gehe daher fest davon aus, dass die UKW-Verbreitung eines Tages auch in Deutschland enden wird.
Bei der Bevölkerung gewinnt DAB Plus an Bedeutung. Wo sehen sie aktuell noch die größten Defizite um den endgültigen Durchbruch beim Verkauf von Endgeräten zu erreichen und zukünftig deutlich nahezu 100 Prozent der Radiogeräte mit DAB-Plus-Tuner abzusetzen?
Deitenbeck: Man kauft sich dann ein neues Empfangsgerät, wenn man damit neue, attraktive Angebote empfangen kann. Genauso wie im TV-Bereich der Satz gilt „Content Is King“, gilt dies auch für das Radio. Bereits jetzt haben in Sachsen 22 Prozent der Bevölkerung ein DAB-Plus-Gerät, und das, obwohl es hier noch keinen landesweiten privaten Multiplex gibt. Wenn zu diesem Angebot durch den zweiten bundesweiten Multiplex weitere 16 Programme hinzu kommen, die man über UKW nicht bekommt, wird der Geräteverkauf nochmals sprunghaft ansteigen. Und dann bleibt es natürlich Ziel, dass die Automobilindustrie DAB-Plus-taugliche Empfangsgeräte als Serienausstattung anbietet, wie das beispielsweise in Großbritannien (auch bei den deutschen Marken) längst der Fall ist.
Das Ganze könnte erleichtert werden, wenn es gelänge, gesetzlich zu verankern, dass neu verkaufte Geräte, die vorzugsweise zum Empfang von Hörfunk gedacht sind, zumindest auch Digitalradio empfangen können. Einen ersten Anlauf der Länder hierzu hat es gegeben, umgesetzt ist dies leider noch nicht. Es wird aber weiter daran gearbeitet.
Abschließend noch eine Bitte, vollenden sie folgenden Satz:
Ich höre via DAB Plus weil …..
Deitenbeck: … ich tolle Sender finde und ich knisternde, knackende und rauschende Audiosignale nicht mehr brauche.
Vielen Dank für das Gespräch![rp]
Bildquelle:
- Empfang_Radio_Artikelbild: © jakkapan - Fotolia.com