Die Rolle Norwegens wird beim Stichwort DAB Plus gern positiv konnotiert, so auch vom Digitalradio Büro Deutschland. Der Branchenverband Vaunet teilt diese Ansicht nicht so ganz.
An dem DAB-Plus-Beispiel Norwegen scheiden sich gerade die Geister. Auf der einen Seite wird häufig die Vorreiterposition der Skandinavier beim Digitalumstieg betont (Anm.: In Norwegen ist UKW bereits abgeschaltet), auf der anderen Seite offenbaren sich anhand der Pionierrolle der Nordeuropäer auch erste Probleme beim Umstieg von UKW zu DAB Plus (DIGITAL FERNSEHEN berichtete).
Die seit der Analogabschaltung im norwegischen Radiomarkt entstandenen Reichweitenverluste nimmt der Verband Privater Medien (Vaunet) nun zum Anlass, für prophylaktische Maßnahmen in Deutschland zu plädieren. In RIchtung der Co-Vorsitzenden des Digitalradio Boards – der Bevollmächtigten des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa, für Medien und Digitales, Staatssekretärin Heike Raab, zu DAB heißt es vom Vorsitzenden des Vaunet-Fachbereichs Radio und Audiodienste deshalb:
„Es ist vollkommen richtig, dass wir die Weichen für die digitale Radiozukunft stellen müssen. Aber gerade die aktuelle Entwicklung in Norwegen zeige die fatalen Konsequenzen, wenn dies durch eine falsche politische Verordnung ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Hörernutzung geschieht. Digitales Radio ist weit mehr als nur DAB Plus, die Hörer empfangen digitales Radio auch mobil über Apps oder über Webradioangebote, immer häufiger auch mit ihren Smartphones. Radio ist also schon längst Multichannel, DAB Plus stellt keineswegs die alleinige digitale Zukunft dar, im Gegenteil: Die tatsächliche Nutzung konzentriert sich bereits auf andere Empfangswege. Deshalb müssen Regelungen zur Interoperabilität im Telekommunikationsgesetz auch alle Verbreitungswege einschließlich der Smartphonenutzung miteinbeziehen.“
In Norwegen war im Juli 2018 die Zahl der Radiohörer so gering wie seit Jahren nicht mehr. Nur 49,4 Prozent der Norweger hörten Radio. Zwischen 2014 und 2016 hatte der Höreranteil für die Radioprogramme noch zwischen 69,8 und 67,6 Prozent gelegen. Insbesondere die Radioprogramme des norwegischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks verloren etliche Nutzer.
Klaus Schunk: „Diese Entwicklung überrascht uns nicht, im Gegenteil. Sie zeigt, dass eine technologische Veränderung den Verbrauchern nicht politisch verordnet werden kann. Aus diesem Grund spricht VAUNET sich gegen ein politisch gesetztes Abschaltdatum für die UKW-Verbreitung aus, es funktioniert schlichtweg nicht. Ein Wechsel von UKW zu DAB+ macht nur Sinn, wenn die analoge Radionutzung tatsächlich auf unter 10 % abgesunken ist. Nur dann können die privaten Radios auch wirtschaftlich überleben, weil sie ansonsten auf ihre UKW-Reichweiten angewiesen sind. Das Ergebnis falscher Weichenstellungen wäre ein dramatischer Einbruch in der Vielfalt der Anbieter und Angebote und damit der Versorgung der Bevölkerung mit Informationen aus ihren Regionen.“[bey]
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