Hat das neue Digitalradio im DAB-Plus-Standard eine Zukunft? Wenn es nach Rolf Dahlmann von der Verbraucherzentrale NRW geht, sollten die Radiohörer lieber weiter auf UKW-Radios setzen. Dabei unterschlägt der Verbraucherschützer aber das Potential der digitalen Übertragung und welche Fortschritte das neue Digitalradio bereits in 15 Monaten gemacht hat.
Digitalradio ja oder nein? Geht es nach Rolf Dahlmann, Referent für Digitale Medien der Verbraucherzentrale NRW, sollte der Nutzer lieber einen Bogen um Empfangsgeräte für DAB Plus machen und auch in Zukunft auf UKW-Radios setzen. Zu dürftig seien Senderangebot und Netzausbau im Vergleich zur analogen Verbreitung. Die Empfangsgeräte seien zudem zu teuer und die Verbraucher allgemein über den neuen Übertragungsstandard zu schlecht informiert. Kritikpunkte, die zum Teil durchaus zutreffen – und die von einigen Nutzern, die ähnliche Erfahrungen schon gemacht haben, sicherlich geteilt werden.
Ganz zweifellos hat das neue Digitalradio nach wie vor seine Schwächen, die von den Kritikern der digitalen Terrestrik auch oft angesprochen werden. Übersehen wird dabei jedoch häufig eines: DAB Plus steckt gerade einmal 15 Monate nach dem Start des bundesweiten Multiplex auf Kanal 5C noch immer in den Kinderschuhen.
Der Bundesmux startete am 1. August 2011 mit 27 Sendestandorten. Ein Jahr später waren bereits 38 Standorte in Betrieb, und seit dem Abschluss der zweiten Ausbaustufe Ende August 2012 hat sich die Anzahl auf 46 erhöht. Im geplanten Endausbau soll das Netz sogar über 100 Sendestandorte umfassen. Dabei ist bereits heute die Abdeckung in weiten Teilen Deutschlands gut. 43 Millionen Menschen können laut Sendenetzbetreiber Media Broadcast das Bundesweite Programm mit seinen 13 Programmen empfangen. Hinzu kommen je nach Bundesland noch unterschiedlich viele Programme in den landesweiten Multiplexen. Eine Vorreiterrolle nimmt hier ganz zweifellos Bayern ein, wo bereits insgesamt 48 Sender über DAB Plus ausgestrahlt werden.
Es ist zwar zutreffend, dass in vielen Gegenden Deutschlands der Empfang von DAB Plus derzeit noch dürftig ist, weil der Ausbau der Sendenetze noch andauert. Richtig ist aber auch, dass in zahlreicheen Gegenden bereits hervorragender Empfang von Digitalradio möglich ist und an einigen Orten bereits mehr als 40 Programme bezogen werden können. Auch die Anzahl der Sender, die über DAB Plus ausstrahlen, ist in den vergangenen Monaten stetig weiter gewachsen. Dass das Wachstum dabei in einigen Gegenden schleppender vorrangeht als in anderen, ist dabei nicht selten der restriktiven Politik der zuständigen Landesmedienanstalten geschuldet.
Dass der Umstieg auf Digitalradio funktionieren kann, zeigt sich bei unseren südlichen Nachbarn in der Schweiz. Dort wurde der digitale Umstieg bei der Radioübertragung von vorn herein politisch unterstützt. Die Folge: Im Juli 2012 konnte bereits das Millionste Empfangsgerät für DAB Plus verkauft werden. Berechnungen zufolge erreicht Digitalradio in der Schweiz damit bereits rund 2,4 Millionen Menschen bei knapp 8 Millionen Einwohnern. Beinahe jeder Dritte empfängt Radio also schon über digitale Terrestrik. Auch in Bayern, dem deutschen Vorreiterland in Punkto DAB Plus, stand laut Angaben der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) im Juli bereits bei 7,7 Prozent der Radiohörer ein Digitalradio-Gerät zum Empfang bereit.
Klar ist: Nicht alles ist rosig beim neuen Digitalradio. So hat der neue Standard nach wie vor seine Kritiker, sowohl in der Politik als auch in der Branche selbst. Das unrühmliche Scheitern des Vorgängerstandards DAB hat zudem einige Verbraucher von vorn herein an der Zukunftsträchtigkeit von DAB Plus zweifeln lassen. Nicht zuletzt stehen mit dem digitalem Radioempfang über Internet und Satellit alternative Verbreitungswege bereit. Im Sinne der Diversifizierung der Verbreitung und der Unabhängigkeit von einzelnen Übertragungswegen ist es jedoch sinnvoll, auch die terrestrische Übertragung fit für die Zukunft zu machen. Mögen sich die Vor- und Nachteile von DAB Plus gegenüber UKW aktuell noch die Waage halten, so ist ganz klar festzuhalten, dass die digitale Übertragungstechnik perspektivisch das deutlich größere Potential bietet. Allein die Zahlen belegen, dass sich in 15 Monaten schon sehr viel bewegt hat. Doch wie sich schon beim Fernsehen gezeigt hat: Während im digitalen Zeitalter vieles – zumindest gefühlt – immer schnelllebiger wird, erfordert die Digitalisierung selbst mitunter einen langen Atem. [Patrick Schulze]
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