Ausstieg aus Signalliefervertrag: Primacom-Kabelhaushalte werden ab Mai keine Programme mehr empfangen können, da der Kabelnetzbetreiber aus den Verträgen aussteigen will. Nun soll Primacom ihnen Entschädigungszahlung anbieten.
Der inzwischen auf die neuen Bundesländer fokussierte Kabelnetzbetreiber Primacom betreibt aus historischen Gründen auch noch einige Kabelnetze in den südlicheren Bundesländern. So auch das Netz in der baden-württembergischen Stadt Aach. Hier habe man laut Bürgermeister Severin Graf der Stadt nun kurzfristig Ende November mitgeteilt, dass man aus dem Signalliefervertrag zum 30. April 2012 aussteigen und das Netz nicht digitalisieren wolle. Graf hatte den Kabelnetzbetreiber seit 2008 regelmäßig angeschrieben und auf eine Digitalisierung des Netzes gedrängt. Denn noch immer werden darüber lediglich 26 analoge TV-Sender und kein einziges digitales Bit übertragen.
Zuerst hieß es, es gäbe noch keine Planung dafür. In 2010 wäre dieInvestition laut Mitteilung „noch nicht vorgesehen“ gewesen, so Grafgegenüber DIGITAL FERNSEHEN. Das war auch das Jahr, in dem die Primacomzwar über 40 Millionen operativen (EBITDA-)Gewinn machte, die Bankenjedoch eine Insolvenz inszenierten und damit die Aktionäre leerausgingen ließen.
Ende November dann der Ausstieg: Primacom kündigt derStadtverwaltung an, dass man aus dem laufenden Vertrag aussteigen wolle,da die Digitalisierung des Netzes nicht refinanzierbar wäre. Es müsstenjeweils 50 000 Euro in Kopfstelle und Netz investiert werden, dieHaushalte würde jedoch aufgrund alter Verträge pro Jahr nur knapp 40Euro Kabelgebühren zahlen.
Laut Vertrag hatte sich Primacom 2004verpflichtet, die Anlage mindestens bis Ende 2013 zu betreiben. DerNetzbetreiber hat laut Graf bis jetzt weder der Stadt noch denAnschlussnehmern gekündigt. Bei den Haushalten gäbe es eineKündigungsfrist von drei Monaten zum Jahresende. Primacom habe nun denVorschlag unterbreitet, dass „die Teilnehmer der Gemeinschaftsanlageeinen 50 Euro-Gutschein erhalten“. Mit diesem sollen sie sich danndigitale Satellitenempfangsanlage kaufen.
Der Bürgermeister glaubt, dassdie Stadt rechtlich gute Karten hat, die Einhaltung des Vertrages auchnach dem 30. April zu fordern. Doch für die Haushalte wäre dies derSuper-GAU. Selbst wenn die Stadt juristisch Recht bekäme, wären dieBildschirme nach dem 30. April erst einmal dunkel. Von Seiten Primacom warzu diesem Thema keine Stellungnahme zu erhalten.
Das Netz in Aach wurde Anfang der 80er Jahre durch die Stadt Aacherrichtet und 2004 von der Primacom übernommen. Es besteht aus einerzentralen (analogen) Satellitenkopfstelle sowie einem historischgewachsenen Verteilnetz aus Frei- und Erdleitungen, die teilweise vonHaus zu Haus gespannt sind. Die Verstärker befinden sich in denPrivatgebäuden. Ursprünglich wurden über das Netz 400 Haushalteversorgt, aktuell sind noch 250 Haushalte daran angeschlossen. [sh, js]
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