Nach der geplatzten Kabelfusion ist die Diskussion über die Kabelnetze wieder offen. Auf der Euroforum-Konferenz in Köln diskutierten rund 150 Fachleute über die Zukunft der deutschen Netze. DIGITAL FERNSEHEN war dabei.
Die Reaktionen der Referenten auf den gescheiterten Zusammenschluss blieben während der Konferenz gespalten. Wolfgang Hahn-Cremer, Vorsitzender der Medienkommission der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, unterstrich die Position der Rundfunkaufsicht, dass eine Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung von Kabel Deutschland (KDG) nicht hinnehmbar gewesen sei. Hingegen vertrat der Telekommunikationsexperte Professor Torsten Gerpott von der Universität Duisburg-Essen die Auffassung, dass die Übernahme der drei kleineren Gesellschaften zu einer begrüßenswerten Neustrukturierung der Kabellandschaft geführt und damit die Digitalisierung beschleunigt hätte.
Die Konferenz machte auch deutlich, dass die Spekulationen um Zusammenschlüsse im Kabelbereich nicht aufhören werden. Auf Befragen erklärte Tele Columbus-Geschäftsführer Dietmar Schickel, sein Unternehmen und dessen Gesellschafter seien nach wie vor an der Übernahme der Kabelnetze von Bosch interessiert. Entgegen anders lautenden Meldungen gingen die Gespräche weiter, wenn auch nicht mehr exklusiv.
Ein weiteres Thema waren die 30 neuen digitalen Fernsehprogramme, die die KDG ab November dieses Jahres verbreiten will. Aus Sicht der Zuschauer sind diese und ähnliche Angebote anderer Kabelnetzbetreiber mit dem Makel behaftet, dass die großen privaten Fernsehsender die digitale Ausstrahlung ihrer Programme verweigern. Die Anschaffung digitaler Set-Top-Boxen ist somit nur für Nutzer attraktiv, die sich speziell für die neuen kostenpflichtigen Programme oder den Abonnementsender Premiere interessieren.
Die Geschäftsführerin des Sender-Verbandes VPRT, Ursula Adelt, erklärte bei der Euroforum-Konferenz, dass die Sender ihre Zustimmung zur digitalen Einspeisung von einer Geldzahlung der Kabelnetzbetreiber abhängig machen wollten. Die etablierten Programme seien der Motor der Digitalisierung; die Sender beabsichtigten nicht, kostenlos zur Verstärkung ihrer eigenen Konkurrenz beizutragen. Adelt räumte allerdings ein, dass die Mitglieder ihres Verbandes in dieser Frage keine einheitliche Position hätten. Für kleinere und neue Sender sei die Ausweitung des digitalen Bereichs des Kabels unverzichtbar; sie träten daher auch dafür ein, möglichst schnell ein umfassendes Digitalangebot zu schaffen. Auch käme für die großen Privatsender, so Adelt weiter, eine „Grundverschlüsselung“ nicht in Frage. Andere Referenten stuften die unterschiedlichen Positionen von Kabelnetzbetreibern und etablierten Free-TV-Sendern als dringend zu lösendes Problem ein. Helmut Thoma plädierte dafür, dass beide Seiten nun Kompromissbereitschaft zeigten.
Neben den Diskussion über den Kabelbereich spielten auch die Konkurrenten des Kabels eine Rolle auf der Euroforum-Konferenz. Dass Fernsehen über Satellit, das digitale terrestrische Fernsehen DVB-T und das Breitband-Telefonnetz DSL dem Kabel Konkurrenz machen können, war gemeinsame Auffassung aller Teilnehmer. Erwartungsgemäß stark diskutiert wurde DVB-T, das von den Landesmedienanstalten gefördert wird. Joachim Bareiß, Leiter des Projektbüros für DVB-T in Nordrhein-Westfalen, berichtete, dass die Einführung des digitalen Fernsehens in Köln gut verlaufe; innerhalb kurzer Zeit seien bereits 150.000 Empfangsgeräte verkauft worden. Bareiß sah sich der Kritik ausgesetzt, dass zu viele Gebührengelder für die DVB-T-Verbreitung eingesetzt würden, verwies jedoch darauf, dass das Projektbüro nur Informationspflichten erfülle. Auch sei nicht geplant, DVB-T als Konkurrenz zum Kabel zu positionieren, denn das Kabel sei umfassend leistungsfähig, DVB-T aber „nur“ Fernsehen.
In einer vom Medienexperten Werner Lauff moderierten Diskussionsrunde bekam DVB-T dann auch von fast allen Teilnehmern keine guten Noten, so auch von ewt-Geschäftsführer Helmuth Reitmayer.Selbst Wolfgang Hahn-Cremer beurteilte die Zukunftsaussichten der digitalen Terrestrik nur mit „ausreichend“, da die Zahl der Kanäle begrenzt und Interaktivität praktisch nicht möglich sei. Auch Ralf Heublein, Geschäftsführer des Verbandes der Kabelunternehmen der Netzebene 3, bewertete DVB-T als überflüssig. Ähnlich äußerte sich Georg Hofer, der zudem den Verdacht äußerte, dass es möglicherweise an fairen Verfahren fehle; Kabel BW hatte sich um die Netzträgerschaft für DVB-T in der Rhein-Main-Region mit Randausstrahlung nach Baden-Württemberg beworben, wurde während der Konferenz aber von Bareiß mit einem festen Startdatum konfrontiert, was den Verdacht aufkommen ließ, die Sache sei bereits zu Lasten von Kabel BW entschieden.
Auch die künftige Konkurrenz durch den Satelliten erwies sich bei der Euroforum-Konferenz eher als begrenzt. Eutelsat-Vorstand Volker Steiner schilderte die Doppelrolle, mit der Eutelsat operiere – einerseits sei man Transporteur zum Endkunden, andererseits Zulieferer für Kabelunternehmen und Wohnungswirtschaft. Eine breit angelegte Offensive des Satelliten unter Einschluss von Marketing, Packetierung von Programmen, Abrechnung von Programmpaketen und aggressivem Aufbau von Kundenbeziehungen ist daher nicht zu erwarten.
Die meisten Teilnehmer der Konferenz zogen ein optimistisches Fazit: Der Stillstand im Kabel scheint überwunden. [lf]
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