Der Vorstandsvorsitzende des größten deutschen Netzbetreibers Kabel Deutschland, Adrian von Hammerstein, bleibt die Antwort auf die Frage schuldig, warum die zehn neuen hochauflösenden Sender von ARD und ZDF den rund 8,5 Millionen angeschlossenen Kundenhaushalten seines Unternehmens vorenthalten werden.
„Bitte haben Sie Verständnis, dass Kabel Deutschland sich über die Ihnen bereits vorliegende Stellungnahme unseres Hauses hinaus derzeit nicht weiter äußern möchte“, sagte Pressesprecher Marco Gassen am Dienstag auf eine entsprechende Anfrage von DIGITALFERNSEHEN.de. Insofern könne das Unternehmen „Ihrem Wunsch nach einem Interview mit Herrn v. Hammerstein zu diesem Thema nicht nachkommen“.
Der Anbieter berief sich stattdessen auf frühere Aussagen, wonach das Kabel im Vergleich zu DVB-T und Satellit die reichweitenstärkste und gleichzeitig günstigste TV-Infrastruktur für die öffentlich-rechtlichen Sender darstelle. Gleichzeitig würden ARD und ZDF aber „für die Verbreitung im Kabel pro Haushalt am wenigsten“ zahlen.
Ein Umstand, der Kabel Deutschland nicht schmeckt. Schließlich biete der Kabelanschluss „das europaweit vielfältigste Free TV- und Hörfunkangebot“, so zumindest die offizielle Lesart des Unternehmens. Eine Aussage, die vor dem konkreten Hintergrund der fehlenden attraktiven HD-Sender des öffentlich-rechtliches Lagers nicht einer gewissen unfreiwilligen Komik entbehrt.
Es sei für Kabel Deutschland „unverständlich, dass die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten künftig nichts mehr für die Verbreitung im Kabel zahlen wollen, gleichzeitig aber weiterhin für die Verbreitung in den Infrastrukturen Satellit und DVB-T Entgelte entrichten“, nahm Gassen Bezug auf Ankündigungen von ARD und ZDF, ab 2013 die bisher gezahlten Einspeiseentgelte in Höhe von rund 60 Millionen jährlich an KDG, Unitymedia und Kabel BW ersatzlos zu streichen (DIGITALFERNSEHEN.de berichtete).
Die Einführung der Einspeiseentgelte geht auf die 1980er Jahre zurück. Die Zahlungen sollten damals den flächendeckenden Ausbau der Kabelnetze in Deutschland durch die frühere Bundespost sicherstellen. Experten halten das Modell allerdings für reformbedürftig und verweisen auf den ausländischen Wettbewerb. Die Kabelnetzbetreiber wollen hingegen ungern auf die lukrativen Zusatzeinkünfte versichern und begründen die Zahlungen mit hohen Milliardeninvestitionen in den Netzausbau, die andernfalls in Form höherer Monatsentgelte auf die Kunden umgelegt werden müssten.
Tatsächlich sind die von ARD und ZDF an Kabel Deutschland derzeit noch abgeführten 20 Millionen Euro pro Jahr allerdings eher Peanuts. Immerhin erwirtschaftete das Unternehmen im Geschäftsjahr 2010/2011 einen Umsatz von knapp 1,6 Milliarden Euro von seinen Kunden. Gleichwohl scheinen deren Wünsche derzeit nicht an erster Stelle zu stehen. Statt einer Erweiterung des frei empfangbaren HD-Angebots fokussiert sich der Netzbetreiber auf den Ausbau seiner kostenpflichtiger HD-Pakete und schaltet für die Privatsender-Gruppe RTL sogar vor einer offiziellen Einspeisevereinbarung in vorauseilendem Gehorsam Platzhaltertafeln auf.
„Kabel Deutschland ist mit den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten auf Arbeitsebene regelmäßig in Gesprächen bezüglich der Einspeisung neuer HD-Sender“, betonte Gassen am Dienstag gegenüber DIGITALFERNSEHEN.de unterdessen gebetsmühlenartig eine gleichlautende Wasserstandsmeldung aus dem vergangenen Winter. Und: „Sobald es Konkretes zu vermelden gibt, werden wir die Öffentlichkeit umgehend informieren.“
Das allerdings könnte noch eine Weile dauern. Wie die Redaktion aus dem ARD-Umfeld erfuhr, habe Kabel Deutschland bislang die Einspeisung der zehn neuen HD-Sender der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten „niemals konkret“ zur Sprache gebracht. Den Vorwurf, Streitigkeiten mit Vertragspartnern auf dem Rücken seiner zahlenden Kunden auszutragen, wollte der Netzbetreiber auf Anfrage von DIGITALFERNSEHEN.de nicht kommentieren.
Die Redaktion hat auch die Führungsetage der konkurrierenden Anbieter Kabel BW, Unitymedia und Primacom um zeitnahe Stellungnahmen zur HD-Einspeiseproblematik gebeten. Antworten liegen bislang nicht vor. Aktuell verbreiten lediglich kleinere Kabelnetzbetreiber wie Wilhelm.tel und Willy.tel in Norddeutschland sowie Tele Columbus die neuen hochauflösenden Ableger von ARD und ZDF.
Enttäuschte Kabelkunden können allerdings auf Satellitendirektempfang oder die bundesweit agierenden IPTV-Anbieter Telekom (Entertain) und Vodafone (Vodafone TV) ausweichen. Diese stellen Ihren Kunden das komplette HD-Portfolio beider Sendeanstalten zur Verfügung und hatten dies, zumindest im Fall der Telekom, bereits Monate vor Ausstrahlungsbeginn konkret angekündigt. [ar]
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