Experte: „Kabel-Deutschland-Übernahme hätte Duopol zur Folge“

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Kabel-TV Bild: © soupstock - Fotolia.com
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Mit Vodafone und Liberty Global haben sich in dieser Woche gleich zwei Unternehmen für eine Übernahme von Kabel Deutschland in Stellung gebracht. DIGITAL FERNSEHEN sprach mit dem Experten für Telekommunikationswirtschaft Prof. Torsten J. Gerpott von der Universität Duisburg/Essen über die Chancen für eine erfolgreiche Übernahme und die möglichen Folgen für den Markt.

Prof. Gerpott, in den vergangenen Monaten war mehrfach zu hören, dass sich gerade die großen Mobilfunkbetreiber wie die Deutsche Telekom und Vodafone schwer tun, in ihrem Kernmarkt weiter zu wachsen und zunehmend Marktanteile an kleinere Anbieter abtreten müssen. Zielt Vodafone mit seiner Übernahmeabsicht von Kabel Deutschland darauf ab, sein Wachstum auf eine andere Infrastruktur zu verlegen?
 
Torsten J. Gerpott: Wenn man sich den Bereich Mobilfunk anschaut, so hat Vodafone dort zumindest nicht deutlich größere Probleme als die drei anderen großen Netzbetreiber. Der Anbieter hat zwar im ersten Quartal 2013 ungefähr 1,5 Millionen SIM-Karten verloren. Der größte Anteil waren dabei jedoch Pre-Paid-Kunden, also jene Kunden, die ohnehin als nicht so werthaltig gelten.
 
Ich denke jedoch, dass die Hauptlogik der geplanten Übernahme nicht so sehr von der Marktseite kommt, sondern viel stärker von der Infrasturkturseite. Vodafone würde mit einer Übernahme von Kabel Deutschland zu aller erst ein leistungsfähiges Netz auch für seine klassischen Dienste wie Internet und Telefon erhalten. Dadurch könnte das Unternehmen erhebliche Einsparungen erzielen, etwa bei den Teilnehmeranschlussleitungen, die dann in wesentlich geringerem Umfang von der Telekom angemietet werden müssten. Zudem hätte man dann auch die Möglichkeit Bündelangebote aus Fernsehen, Internet, Telefonie und Mobilfunk anzubieten und diese auch mit einer aggressiveren Preispolitik zu vermarkten, ohne dabei Gewinneinbußen hinnehmen zu müssen.

Anfang der 2000er Jahre war die Deutsche Telekom gezwungen, den gesamten Bereich Breitbandnetze auszugliedern, wodurch unter anderem der Vorläufer des heutigen Unternehmens Kabel Deutschland entstand. Wäre eine Übernahme von Kabel Deutschland durch den Telekom-Wettbewerber Vodafone nicht ein Rückschritt auf diesem Wege oder haben wir es hier mit einer anderen Ausgangslage zu tun?
 
Gerpott: Im Vergleich zu 2000 wäre es auf jeden Fall eine andere Situation. Damals war es ja die Deutsche Telekom, die eine doppelte Netzinfrastruktur besaß – einerseits die Kupferdoppelleitungen, andererseits die Koaxial-Netze, die dann verkauft wurden. Demgegenüber besitzt Vodafone keine eigenen Kupfernetze und würde durch die Übernahme von Kabel Deutschland erstmals eine eigene umfangreiche Infrastruktur im Anschlussbereich erhalten. Trotzdem wäre diese Übernahme ein wesentlicher Schritt hin zu einem Duopol im deutschen Markt – auf der einen Seite die Deutsche Telekom als bisheriger Marktbeherrscher, auf der anderen Seite Vodafone. Alle anderen Festnetz- und Mobilfunkanbieter würden gegenüber diesen beiden weit zurückfallen.
 
Das Ideal eines Marktes der von vielen verschiedenen Wettbewerben getragen wird, könnte mit so einer Konstellation natürlich nicht erreicht werden. Andererseits ist derzeit aber auch noch nicht klar, ob im deutschen Markt langfristig überhaupt ein großer Pool etwa gleichstarker Spieler dauerhaft erfolgreich operieren kann.
 
Eine ähnliche Situation würde übrigens entstehen, wenn Liberty Global den Zuschlag zur Übernahme von Kabel Deutschland erhalten sollte. Liberty Global würde neben Unitymedia und Kabel BW dann auch die Kabelnetze in allen anderen Bundesländern kontrollieren und somit zum bundesweiten Kontrahenten der Telekom bei den Festnetzanschlüssen aufsteigen. In beiden Szenarien würde der Markt also in Richtung eines Duopols kippen.

Definitiv ein wichtiger Faktor für eine Übernahme dieser Größenordnung dürfte das Bundeskartellamt sein. Erst im Februar diesen Jahres scheiterte bekanntlich der geplante Kauf von Tele Columbus durch Kabel Deutschland an den hohen Auflagen der Behörde. Wie groß schätzen Sie die Chance ein, dass eine Übernahme von Kabel Deutschland durch Vodafone unter diesen Gesichtspunkten Erfolg haben könnte?
 
Gerpott: Vergleichend betrachtet denke ich, dass eine Vodafone-Übernahme von Kabel Deutschland bessere Genehmigungschancen haben dürfte als der von Ihnen angesprochene Fall mit Tele Columbus, weil der Anbieter dadurch keine zusätzliche Dominanz im Einspeisemarkt erlangen würde. Im Gegenteil: Vodafone könnte sogar argumentieren, dass man auf diese Weise eine höhere Wettbewerbsintensität gegenüber der marktbeherrschenden Deutschen Telekom schafft. Von daher sehe ich die kartellrechtlichen Bedenken einer solchen Übernahme zwar nicht gerade als klein an, aber doch als kleiner als im Falle der gescheiterten Übernahme von Tele Columbus durch Kabel Deutschland. In jedem Fall dürften die Bedenken des Bundeskartellamts jedoch deutlich kleiner als bei einer möglichen Übernahme von Kabel Deutschland durch Liberty Global sein, denn bei dieser Transaktion würde ein Anbieter seine Dominanz auf dem Einspeisemarkt ganz erheblich ausweiten.
 
 
Inwieweit ist der Vorstoß von Liberty Global, Kabel Deutschland ebenfalls übernehmen zu wollen, vor diesem Hintergrund überhaupt als realistisch anzusehen? Wie von Ihnen angesprochen dürften die kartellrechtlichen Bedenken bei diesem Szenario ungleich höher sein. Welche Absicht verfolgt Liberty Global also mit seinem Vorstoß?
 
Gerpott: Im Zweifelsfall müssten Sie diese Frage natürlich an John Malone selbst stellen. Angesichts des geplatzten Tele-Columbus-Deals halte ich es jedoch für schwer vorstellbar, dass Liberty Global mit dieser Übernahme beim Bundeskartellamt eine Chance hätte. Naheliegend ist vielmehr, das Liberty Global jetzt vor allem versucht, den Preis, den Vodafone für Kabel Deutschland zahlen muss, weiter in die Höhe zu treiben, um auf diese Weise einem möglichen neuen Wettbewerber auf dem Kabelnetzmarkt von vorn herein das Leben schwer zu machen.
 
 
Während die Deutsche Telekom und andere Anbieter auf dem Telekommunikationsmarkt ihre Netze auch für die Wettbewerber öffnen müssen, trifft dies auf die Kabelnetzbetreiber nicht zu. Diese müssen anderen Anbietern bislang keinen freien Zugang zu ihren Netzen gewähren. Müsste diese Regelung von Seiten der Regulierungsbehörden überdacht werden, sollte es am Markt tatsächlich zu einem Duopol aus Telekom und Vodafone kommen?
 
Gerpott: Für den Fall, dass eine Übernahme von Kabel Deutschland durch Vodafone zustande kommt, kann ich mir in der Tat sehr gut vorstellen, dass die Bundesnetzagentur hier die Regulierung überdenkt und auch die großen Kabelnetzbetreiber stärker als bisher verpflichten könnte, ihre Netze auch für Wettbewerber zu öffnen. Denn ansonsten hätte der entstehende große Gegenspieler der Deutschen Telekom gegenüber dieser einen sachlich nicht zu rechtfertigenden Vorteil.
 
Vielen Dank für das Gespräch.[ps]

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28 Kommentare im Forum
  1. AW: Experte: "Kabel-Deutschland-Übernahme hätte Duopol zur Folge" Das wäre ein riesiger Fortschritt.
  2. AW: Experte: "Kabel-Deutschland-Übernahme hätte Duopol zur Folge" So lange es beim Kabel faktisch keinen Wettbewerb gibt, da sich die großen Kabelanbieter ja in den einzelnen Bundesländern nicht überschneiden, haben wir praktisch ein Monopol. Wettbewerb hätten wir erst, wenn es eine Art "Kabel-Call-by-Call" wie beim Telefon gäbe.
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