Mit seinem Online-TV-Dienst Horizon TV könnte Unitymedia Kabel BW einen grundlegenden Wandel im deutschen Fernsehkabel einleiten. Mit dem Dienst setzt der Netzbetreiber nämlich erstmals auch für lineare Sender auf IPTV. Die Bedeutung von IP-basiertem Fernsehen in den Kabelnetzen dürfte in den kommenden Jahren noch zunehmen. Wird IPTV das klassische Kabelfernsehen ablösen?
Für sich genommen mag die Ankündigung von Unitymedia Kabel BW,den Online-Dienst Horizon TV, der derzeit leider mobil nur mit Apple-Geräten zu empfangen ist, ab sofort auch in Baden-Württemberg anzubieten, nur wenig spektakulär wirken. Schließlich startet damit in den Netzen von Kabel BW lediglich ein Teil der neuen TV-Plattform Horizon, deren Kernstück der gleichnamige Kabelreceiver/-Festplattenrecorder ist. Dieser steht als Hardware bisher aber nur Kunden in Nordrhein-Westfalen und Hessen und eben nicht den Kunden in Baden-Württemberg zur Verfügung.
Doch bei genauerem Hinsehen offenbart sich in diesem Vorgehen eine interessante Entwicklung. Immerhin bietet der Online-Dienst Horizon TV ein Fernsehangebot, das vollkommen ohne vom Kabelanbieter gelieferte Hardware auskommt. Neben kostenpflichtigen Abruf-Videos können dabei auch lineare TV-Sender auf PC, Smartphone oder Tablet geschaut werden. Übertragen werden diese nicht über den DVB-C-Standard, sondern über IP-Stream. Der Kabelnetzbetreiber wird also zum IPTV-Anbieter, wie es die Deutschen von Entertain der Deutschen Telekom bereits kennen.
Die Idee, die dahinter steckt, ist vom Grundprinzip sehr simpel: Der Netzbetreiber möchte dem Kunden sein Programmangebot jederzeit und auf jedem möglichen Endgerät anbieten. Mit dem klassischen Übertragungsstandard DVB-C sind ihm hier jedoch Grenzen gesetzt, so dass er auf eine Verbreitung via IP-Stream ausweichen muss. Diese hat den Vorteil, dass sie über die vorhandene Infrastruktur des Kabelnetzbetreibers, nämlich dem TV-Kabel, ebenso möglich ist, wie das klassische Kabelfernsehen. Darüber hinaus lassen sich die IP-Signale jedoch auch direkt via WLAN weiterversenden und können so beispielsweise auf mobilen Endgeräten empfangen werden.
Aktuell setzen Anbieter wie Unitymedia Kabel BW noch auf eine doppelte Infrastruktur: Das klassische Kabelfernsehen für die linearen TV-Übertragungen zum Empfangsgerät, das wahlweise ein Kabelreceiver oder ein Fernseher selbst sein kann, und IPTV für Übertragungen zu anderen Endgeräten wie PCs oder Smartphones. In Stein gemeißelt ist diese Trennung jedoch nicht, denn im gleichen Zuge wie ein Anbieter eine Empfangs-App für mobile Endgeräte anbieten kann, ist dies auch Smart TVs und internetfähigen Set-Top-Boxen möglich. Web-TV-Portale wie Zattoo bieten dies bereits seit längerem. Ein Kabelnetzbetreiber könnte also mit seiner bestehenden Infrastruktur theoretisch auch vollständig zum reinen IPTV-Anbieter werden. Bedeuten würde dies nicht weniger als das Ende des klassischen Kabelfernsehens, wie es seit den 1980er Jahren in Deutschland besteht.
Doch wirklich absehbar ist eine solche Entwicklung noch nicht. Mit ihren ersten zarten Versuchen, ein IPTV-Angebot parallel zum klassischen Kabelfernsehen auch über das TV-Kabel zu verbreiten, ist die deutsche Liberty-Tochter Unitymedia Kabel BW aktuell der Vorreiter unter den deutschen Kabelnetzbetreibern und noch weit davon entfernt, das Kabelfernsehen im DVB-C-Standard in Rente zu schicken. Zunehmen wird die Bedeutung von IPTV auch in den Kabelnetzen jedoch aufgrund der Multiscreen-Strategien der Anbieter weiter. Gut denkbar ist, dass sich demnächst auch der Netzbetreiber Kabel Deutschland unter der Ägide vom Mobilfunkbetreiber Vodafone künftig stärker in diese Richtung orientiert.
Ob am Ende dabei irgendwann ein Kabelfernsehen-Kunde ganz ohne klassisches Fernsehkabel und stattdessen ganz per IPTV und Mobile-Devices versorgt werden könnte, wird – wenn überhaupt – erst die Zukunft zeigen. Ein Wettbewerb, bei dem die Grenzen zwischen den einzelnen Übertragungswegen zunehmend verschwimmen, könnte jedoch das Geschäft beleben und das wäre dann auf jeden Fall im Sinne des Kunden. [Patrick Schulze]
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