Bei den Gerichtsprozessen im Streit um die Kabeleinspeiseentgelte konnten sich ARD und ZDF bislang in allen Fällen gegen Kabel Deutschland und Unitymedia Kabel BW durchsetzen. Doch nach der Argumentation des Rechtsanwalts Christoph Wagner könnten die Urteile eine Schattenseite haben, wie sich aktuell an der Filterung von HbbTV-Signalen bei Kabel Deutschland zeigt.
Nachdem Kabel Deutschland Anfang April überraschend elf weitere HD-Sender von ARD und ZDF in seine Netze einspeiste, folgte für einige Zuschauer bald eine Ernüchterung. Denn die von den öffentlich-rechtlichen Veranstaltern mit im Sendesignal ausgestrahlten HbbTV-Signale wurden vor der Einspeisung ins Kabelnetz herausgefiltert.Medienrechtlich (noch) eine Grauzone
Als Begründung nannte Kabel Deutschland das Fehlen eines Einspeisevertrages, den ARD und ZDF nicht unterzeichnet haben, da diese seit Januar 2013 für die Kabelverbreitung ihrer Sender keine Einspeiseentgelte mehr bezahlen wollen. Wörtlich hieß es dazu in einem Statement des Kabelnetzbetreibers: „Kabel Deutschland speist HbbTV nur auf besondere Nachfrage eines jeden Programmanbieters und nach einer entsprechenden Vereinbarung ein. Da es im Zuge der jüngsten Aufschaltung zwischen Kabel Deutschland und den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten keine konkreten Gespräche über die Einspeisung diesbezüglicher Zusatzdienste gab, erfolgt zum aktuellen Zeitpunkt auch keine Signalisierung von HbbTV.“
Medienrechtlich ist dieses Vorgehen zumindest nicht unumstritten, allerdings dürfte sich der Kabelnetzbetreiber dabei in einer rechtlichen Grauzone bewegen, die bislang nicht im Detail geregelt ist. So untersagt der Artikel 52a des Rundfunkstaatsvertrages zwar einem Plattformbetreiber, die Programme eines Veranstalters bei der Weiterverbreitung technisch und inhaltlich zu verändern, doch ist bislang nicht genau geregelt, ob dies auch für die ins Sendesignal integrierten HbbTV-Signale zu gelten hat. Zumindest laut einer gemeinsamen Position von ARD und ZDF aus dem Jahre 2012 sollte der Artikel 52a des RStV auch hier seine Anwendung finden. Auf mehrfache Nachfrage von DIGITAL FERNSEHEN waren beide Veranstalter bislang allerdings nicht bereit, zum aktuellen Fall eine Stellungnahme abzugeben. HbbTV nur bei bestehendem Einspeisevertrag
Erwähnenswert dürfte in diesem Zusammenhang jedoch ein Beitrag des Berliner Rechtsanwalts Christoph Wagner sein, der sich im Magazin „Promedia“ unter anderem über die Problematik der Einspeiseentgelte äußert. So hätten die Gerichte im ausgetragenen Rechtsstreit bislang zwar einhellig festgestellt, dass es ohne einen Einspeisevertrag auch keinen Anspruch auf Einspeiseentgelte seitens der Sender gäbe.
Doch für die Öffentlich-Rechtlichen scheint diese Argumentation laut Wagner auch eine Schattenseite zu haben. „Dass es anders herum aber auch kein Anspruch auf Verbreitung von Hörfunk und Dritten Programmen, kein Recht auf eine bestimmte Signalqualität oder Zusatzsignale für HbbTV gibt, dürfte ARD und ZDF jetzt immer schmerzlicher bewusst werden“, so der Rechtsanwalt. Mit Blick auf die aktuelle EU-Verordnung zur Regulierung der Telekommunikationsdienste könnten beim Vertrieb von Inhalten entgeltpflichtige Verträge über Spezialdienste in Zukunft durchaus zum Standard werden.
Dies bedeutet im Klartext: Wer mehr will als nur den Standard-Transport, der zahlt extra. „Weil der Sonderbereich Kabel-TV ohnehin in dem All-IP-Verbreitungskonzept aufgehen wird, werden sich die öffentlich-rechtlichen Sender also nicht lange über ihren Sieg bei den Einspeiseentgelten freuen können“, so Wagner weiter. Der Schritt hin zu einer All-IP-Verbreitung aller Dienste im Kabelnetz ist natürlich noch Zukunftsmusik. Allerdings scheinen sich die Kabelnetzbetreiber tatsächlich zunehmend auf eine Rechtsposition zurückzuziehen, die der von Wagner beschriebenen zumindest ähnlich ist. Der Kabelstreit könnte somit letztlich in eine neue Runde gehen. Der Verlierer wäre vermutlich wieder einmal der Zuschauer. [ps]
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