Leipzig – Über die zukünftige Entwicklung von DVB-T in Bayern sprach DIGITAL FERNSEHEN mit dem Präsidenten der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) Prof. Wolf-Dieter Ring.
Nachdem die Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LfK) die MPEG-4-Kompression MPEG-4 für das terrestrische Fernsehen zugelassen hat, stellt sich auch die Frage, wie die benachbarte BLM den Umgang mit MPEG-4 handhaben wird. „Grundsätzlich ist derzeit kein konkreter Umstieg in Bayern geplant“, so Prof. Ring. „Allerdings ist ein Umstieg mit enormen Problemen verbunden. Die heutigen Besitzer von Empfangsgeräten wären verunsichert, was für die weitere Marktentwicklung von DVB-T sicher nicht förderlich wäre“, glaubt der BLM-Präsident.
DIGITAL FERNSEHEN: Herr Prof. Ring, die Entscheidung der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LfK), ihre bisherige Position einer Free-to-air-Verbreitung in Richtung einer Grundverschlüsselung aufzugeben, stellt nicht nur einen Paradigmenwechsel dar, sondern stellt auch die Landesmedienanstalten vor die gleiche Entscheidung bezüglich der Zuweisung des ausgeschriebenen Multiplex. Gibt es diesbezüglich schon eine Meinungsbildung innerhalb der Medienanstalt?
Prof. Wolf-Dieter Ring: Dazu besteht von Seiten der BLM derzeit kein Anlass.
DF: Nachdem eine Landesmedienanstalt die MPEG-4-Kompression sanktioniert hat, ist es für Sie denkbar, dass die bereits in Bayern on-air befindlichen öffentlich-rechtlichen DVB-T-Programme auch auf MPEG-4 umgestellt werden? Was spricht dafür, was spricht dagegen? Wird dabei eine Grundverschlüsselung zu umgehen sein?
Prof. Ring: Grundsätzlich ist derzeit kein konkreter Umstieg in Bayern geplant, unseres Wissens nach auch nicht bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Für einen Umstieg auf MPEG-4-Übertragung spricht die bessere Ausnutzung der Datenkapazität, die eine Übertragung von mehr Programmen ermöglicht – rund sechs statt vier Programme pro Multiplex. Allerdings ist ein Umstieg mit enormen Problemen verbunden.
DVB-T hat sich auch in Bayern als dritter Übertragungweg für Fernsehen etabliert und laut der Funkanalyse Bayern 2008 einen Marktanteil von knapp elf Prozent inklusive Mehrfachnennung mit Satellit und in geringem Maße auch Kabel erreicht. Die auf dem Markt befindlichen Empfangsgeräte (DVB-T-Fernseher, DVB-T-Set-Top-Boxen, USB- und PCMCIA-Sticks, Laptops, mobile Empfänger und DVB-T-Handys) sind mit MPEG-2-Empfangschips ausgestattet und nicht MPEG-4 kompatibel.
MPEG-4 würde also mit einer „Null-Reichweite“ am Markt starten. Die heutigen Besitzer von Empfangsgeräten wären verunsichert, was für die weitere Marktentwicklung von DVB-T sicher nicht förderlich wäre. Ein Umstieg auf MPEG-4-Ausstrahlung muss viele Jahre durch eine systematische Penetration von MPEG-4-Endgeräten vorbereitet werden. Eine Grundverschlüsselung ist mit dem Umstieg auf MPEG-4 nicht notwendig verbunden. Allerdings sollte auf offene Endgeräteplattformen mit CI-Lösungen geachtet werden.
DF: Vor zwei Jahren versuchte der Satellitenbetreiber SES Astra mit der Plattform Entavio eine Grundverschlüsselung der über Satellit verbreiten Programme zu etablieren. Nunmehr vermarktet der Satellitenbetreiber Eutelsat die in Conax verschlüsselten und über DVB-T-verbreiteten Programme der RTL-Gruppe. Sehen Sie zwischen beiden Modellen einen Unterschied? Worin liegt dieser?
Prof. Ring: Der Unterschied liegt darin, dass die Adressaten der diesbezüglichen Aktivitäten von Eutalsat hauptsächlich kleinere Netzbetreiber sind, während das bei Entavio vor allem auch direkt die Endkunden gewesen wären. Das Problem bei Entavio war, dass die Verschlüsselung direkt zu einer Entgeltpflicht für bisherige Free-TV-Programme geführt hätte.
DF: Stellt die Entscheidung der LfK, die Verbreitung von verschlüsselten Programmen über DVB-T zuzulassen, nicht den Einstieg in die generelle Grundverschlüsselung der TV-Programme dar?
Prof. Ring: Das muss nicht zwingend der Fall sein. Aus Sicht der BLM würde eine generelle Grundverschlüsselung aber eine Reihe von Vorteilen bringen: Sie ermöglicht neue Geschäftsmodelle durch direkte Kundenbeziehungen und auch der Umgang mit Senderechten lässt sich besser handhaben. Die Entscheidung für oder gegen eine Grundverschlüsselung sollte allerdings immer beim jeweiligen Anbieter liegen.
DF: Herr Prof. Ring, vielen Dank für das Gespräch. [ar]
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