Stimmt die Mär, dass man via Satellit das schnellste TV-Signal empfängt, immer noch? DIGITAL FERNSEHEN hat bei den Latenzzeiten des TV-Signals genauer hingeschaut:
Wenn eine Sache beim Fußballgucken nervt, dann ist es der Moment, wenn die Nachbarn schon jubeln, wenn auf dem eigenen Fernseher noch das Spiel im Mittelfeld vor sich hin plätschert. Auswertungen der Latenzzeiten beim TV-Signal, kamen bis vor kurzem immer zu dem Ergebnis, dass es am besten sei, solche Live-Events wie das heutige EM-Finale zwischen England und Italien über Satellit zu schauen.
Satellit nicht mehr per se Nummer eins
Aber ist dem noch immer so? Die kurze Antwort: nein! Zum Beispiel kann ein Signal via DVB-T2 mittlerweile bis zu einer Sekunde schneller beim heimischen Endgerät ankommen als über Satellit (So geschehen im Test von DIGITAL FERNSEHEN nahe Leipzig). Die Situation ist jedoch von Multiplex zu Multiplex unterschiedlich und hängt davon ab, in welcher Reihenfolge die Sendeanstalten die Verbreitungswege speisen und wie viele Zwischenpunkte zwischen Programm-Playout und Sendemast liegen. In manchen Regionen Deutschlands kann man bei einigen Programmen so auch um rund 1-2 Sekunden hinter dem Sat-Signal liegen. Man kann also andererseits nicht generell behaupten, dass DVB-T2- schneller als als Satelliten-Übertragung ist oder umgekehrt. Je nach Programm, Empfangsplattform und Region gibt es unterschiedliche Faktoren für mögliche Verzögerungen. Beispielsweise die 36.000 Kilometer zum Satelliten und wieder zurück oder die Encoder zur Wandlung in die Codierungsstandards H.264 (Sat, Kabel) oder HEVC (DVB-T2).
Ähnlich sieht es bei dem nächsten Kontrahenten aus. Denn auch Kabelanbieter sind grundsätzlich in der Lage, die Latenzzeiten des Satellitensignals zu unterbieten. Inzwischen holen sich viele Netzbetreiber die Signale direkt per Leitung von den Sendeanstalten ab. Das spart 72.000 km Signalweg über das Weltall und macht das Signal zudem vor Wettereinflüssen resistenter. Würden diese Signale auch 1:1 unverändert ausgespielt und nicht, wie beispielsweise bei Platzhirsch Vodafone neu transcodiert und paketiert, kann man per Kabelanschluss schneller als via Satellit sein.
Zattoo rückt heran
Am Ende der Vergleichstabelle reihen sich IPTV und Web-Livestream ein. Wer das TV-Angebot der Telekom, MagentaTV, wo das EM-Finale bekanntlich ebenfalls läuft, nutzt, muss sich mit einem verzögerten Bild im niedrigen einstelligen Sekunden-Bereich gegenüber Sat begnügen. Aber nur, wenn man das klassische Magenta-TV mit einem Receiver am Telekomanschluss empfängt. Magenta-TV in der OTT-Version streamt die Signale jedoch mit etwas größerer Verzögerung. Waipu.tv liegt im Vergleich sogar teilweise bis zu 28 Sekunden zurück. Aber auch dort gilt: Es ist keine pauschale Ausssage möglich, die Verzögerung ist je nach Programm unterschiedlich.
Der Internetstreaminganbieter Zattoo hat vor der EM noch einmal darauf hingewiesen, große Sprünge bei den Latenzzeiten gemacht zu haben (DIGITAL FERNSEHEN berichtete). Dies stimmt auch. Mittlerweile kommt das Signal nur noch 10 bis 15 Sekunden später an als via Satellit. Für Anbieter wie 1&1, deren IPTV-Kunden das Zattoo-Signal direkt nutzen, gilt das ebenso. Sollten Glasfaseranbieter, die das Zattoo-Signal unter eigenem Namen vermarkten, jedoch irgendwann einmal Cache-Server zur Trafficreduzierung einbauen, entstehen dadurch weitere Verzögerungen.
Fazit: Wer nicht gerade in einer gesegneten Region wohnt, in der DVB-T2- den Satelliten-Empfang schlägt, dem sei immer noch letztere Variante empfohlen. Zieht man in Betracht, wie weit verbreitet die einzelnen Empfangswege sind, stehen die allermeisten Zuschauer am schnellsten vorm heimischen Satellitenanschluss in Jubelpose.
Das EM-Finale England – Italien ist heute ab 21 Uhr im ZDF und über MagentaTV live zu sehen. (Hofmeir/Petzold/Beyer)
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