Im deutschen Fernsehen wurde mal wieder von Rassismus gesprochen – und eine Blamage mit Ansage trug sich zu. Spätestens jetzt müssen sich die Redaktionen von Talkshows wirklich fragen, warum sie eigentlich immer noch Leute wie Thomas Gottschalk einladen.
Wenn der Großvater von nebenan das Gendern nicht mehr lernt, wird unsere Gesellschaft ihm das wohl nachsehen können – seine Gedanken sind grau wie der Strickpullunder und er wird den Weg in die Zukunft nicht mehr weit mitgehen. Es ist sein gutes Recht, von den Debatten um die notwendigen Veränderungen unserer Soziokultur Abstand und seine Unverbesserlichkeiten mit ins Grab zu nehmen. Auf dem Weg zurück in den Nebel der Nichtexistenz dürfen Fünf gerade bleiben – und die grauen Herren noch ein paar sorglose Jahre im Schoß von Horst Lichter ruhen. Einfach mal „Bares für Rares“ so laut aufdrehen, dass es die ganze Mietskaserne hören kann und auf der Zielgerade noch einmal so richtig das Leben genießen.
„Die letzte Instanz“: Grotten-Talk mit Gottschalk
Geradezu gefährlich wird es jedoch, wenn sich zu viele Auslaufmodelle der obigen Beschreibung in Talkshows tummeln, in denen über gesellschaftliche Entwicklung gesprochen wird. Den längst nicht mehr nötigen Beweis dafür erbrachte zuletzt wieder TV-Veteran Thomas Gottschalk, der auch in jüngeren Jahren schon eher ein Zeremonienmeister der abendfüllenden Steifheit war als ein Entertainer. So führte der mit angestaubtem Herrenwitz bewaffnete Alt-Filou eine Fraktion der Peinlichen an, die jüngst in der WDR-Talkshow „Die letzte Instanz“ unter anderem über Rassismus diskutierte.
Das Ergebnis: Ein nach Stammtisch miefendes Phrasenbingo, das nie so hätte stattfinden müssen – wenn die Wahl der Gäste nicht so offensichtlich unbedacht gewesen wäre. So setzte sich die Teilnehmerrunde ausschließlich aus Menschen zusammen, die als biodeutscher Einheitsblock ihre peinlich-naiven Ansichten zu Alltagsrassismus und diskriminierenden Vokabeln im Sprachgebrauch kundgaben. So wurde zum Beispiel die „Zigeunersoße“ ein weiteres mal zum bedrohten Kulturgut erklärt, als wäre der Begriff ein Grundpfeiler des gepflegten Sprachgebrauchs. Ob die Promi-Junta in den Studiosesseln ihrer Unbedarftheit so exhibitionistisch die Blöße gegeben hätte, wenn auch Deutsche mit Migrationshintergrund und lebendiger Diskriminierungserfahrung zugegen gewesen wären? Vermutlich nicht – schließlich ruderten die an dem Talk-Fiasko beteiligten TV-Persönlichkeiten Janine Kunze und Micky Beisenherz später hastig zurück, als ihnen ein Shitstorm mit Windstärke 13 um die Ohren flog.
Ist der WDR nun wirklich schlauer?
Auch beim WDR gab man sich einsichtig und konstatierte: „rückblickend ist uns klar: Bei so einem sensiblen Thema hätten unbedingt auch Menschen mitdiskutieren sollen, die andere Perspektiven mitbringen und/oder direkt davon betroffen sind. Wir lernen daraus und werden das besser machen.“ Im Zweifel für den Angeklagten, aber dann bitte zukünftig diverser besetzte Gesprächsrunden mit mehr Podium für die Erfahrungen Betroffener – wenn aber dann immer noch um die Zigeunersoße diskutiert werden muss schleicht sich die üble Vermutung ein, dass Deutschland im Hinblick auf Debattenkultur ähnlich ins Hintertreffen geraten ist wie beim Netzausbau.
Aber wie kann man ernsthaft noch eine Sendung planen, in der über Rassismus gesprochen werden soll – und keine (in Zahlen: 0) Menschen einladen, die in ihrem Leben mit Alltagsrassismus und Diskriminierung zu kämpfen haben? Warum muss da Thomas Gottschalk sitzen und darauf beharren, dass er sich für nichts und niemanden mehr ändert? Wie oft muss die Twitter-Öffentlichkeit auf die Barrikaden gehen, um Lippenbekenntnisse von TV-Promis zu erzwingen, die zuallererst um ihre Karriere fürchten? Hoffentlich nicht mehr allzu oft. Beim einen oder anderen Eierlauf bei den Privatsendern dürfte auch für Thomas Gottschalk noch Platz sein, aber Talkshows mit gesellschaftlich relevantem Inhalt sollten tunlichst auf frischeres, diverseres Klientel umschwenken.
Ein Kommentar von Richard W. Schaber
Bildquelle:
- dieletzteinstanz: WDR/Max Kohr