„The Curse“ mit Emma Stone und Nathan Fielder betritt völlig neue Genre-Pfade. Ein skurriles, im besten Sinne schwer erträgliches Serien-Meisterwerk.
Als am Wochenende die zehnte und letzte Episode von „The Curse“ veröffentlicht wurde, konnte man Erstaunliches erleben. Nathan Fielder (ebenfalls sehenswert: „The Rehearsal“ bei Sky) und Benny Safdie („Der schwarze Diamant“) haben eine der herausragendsten Episoden konzipiert, die überhaupt jemals in einem TV-Format zu sehen waren, weil sie eine höchst eigenwillige, aus der Reihe tanzende Serie mit einer noch absonderlicheren Pointe beschließt. Weil diese etwas über eine Stunde dauernde Folge selbst als für sich stehender Film eine Hochspannung, skurrile Komik und ein existenzielles Grauen versprüht, von dem das Gros anderer TV- und Streaming-Formate nur träumen kann.
„The Curse“ ist ein Format, das alle Genre-Schranken überwindet. Fielder und Safdie üben sich darin, das Schreckliche im Komischen und das Komische im Schrecklichen auf eine Weise zu verschränken, die nicht nur das Satirische zur Perfektion treibt, sondern auch das Horror-Genre mit neuen Augen betrachtet. „The Curse“ ist keine dezidierte Horror-Serie, doch ihr Weltentwurf beziehungsweise ihr Blick auf unsere gegenwärtige westliche Welt ist von einer brodelnden Angst durchzogen, die zunächst ihren eigenen Verfolgungswahn reflektieren und bekämpfen muss, um ihm dann doch nickend zuzustimmen. Dass sie ihre eigene Medialität dabei so deutlich mitdenkt, ist nur eine Stärke dieser Serie.
Emma Stone und Nathan Fielder als selbsterklärte Weltverbesserer
Emma Stone und Nathan Fielder spielen hier ein Paar, das nach Großem strebt und nichts verstanden hat. Whitney und Asher inszenieren sich nach außen als hippe Wohltäter. Beide rühren die Werbetrommel für ihre angeblich umweltbewussten „Passive Homes“, grässliche Thermoskästen mit verspiegelter Fassade, in denen die Hauptfiguren ihr eigenes Antlitz eigentlich verachten müssten, würden sie nicht so blind um ihre eigene Achse kreisen.
Das Geschäft von Whitney und Asher soll Menschen in die Zukunft führen, zugleich versucht man sich an einer Annäherung an ortsansässige marginalisierte Menschen und Communities in New Mexico. Respekt und Verständnis gaukelt man vor, zugleich lässt man sie allein nach den eigenen Regeln tanzen. Immer dabei: Kameras. Schließlich sollen die vermeintlich guten Taten an die Öffentlichkeit gebracht werden. Asher und Whitney arbeiten gemeinsam mit dem zwielichtigen Dougie (Benny Safdie) an einer Reality-Show, die das Paar bei ihrer wohltätigen Arbeit begleiten soll.
„The Curse“ rechnet mit grünem Kapitalismus und linksliberaler Heuchelei ab
Der White-Savior-Komplex dieser beiden Hauptfiguren kennt keine Grenzen. Fortlaufend setzt man sich mit dem eigenen schlechten Gewissen auseinander. Politisch korrekt will man sich geben, während man andere Menschen lediglich in bestehende Hierarchien zwängt, sie für das eigene gute Gefühl missbraucht und den latenten Rassismus, das Unbehagen gegenüber dem Fremden kaum überwinden kann. Es reißt eine Wunde in die Mission des Gutmenschen-Paares von „The Curse“. Nämlich wenn Asher für die Kameras vorspielt, einem kleinen Mädchen Geld zu schenken, das er hinterher wieder zurückfordert. Also verflucht ihn die Kleine. Fortan schleicht sich die Sorge in den Alltag, ob der ausgesprochene und titelgebende Fluch nicht tatsächlich Unheil über das Paar bringt.
„The Curse“ zieht seine Intensität nun aus dem Akt des schlichten Aushaltens und Bezeugens. Indem die Serie immer tiefer in die Dynamiken des Paares und ihres verblendeten Interagierens mit dem Umfeld eintaucht, gelingt ihr nicht nur ein konfrontativer Blick auf die Trugschlüsse eines grünen Kapitalismus, der aus der fantasierten Öko-Wende nur Profit und Personenkult zu schlagen versucht und bestehende Verhältnisse zementiert, sowie einer linksliberalen Heuchelei, die einen permanenten Opferkult mit sich pflegt und doch nur als Täter in Erscheinung tritt. Der Horror von „The Curse“ speist sich vor allem aus der omnipräsenten Kälte und Künstlichkeit dieser gestörten Räume und Konstellationen, in denen die Figuren getrieben umherziehen und sich fortlaufend ihre ideologischen Simulation kreieren.
Alles ist Show, alles für die Kameras
Dies ist eine Serie über eine Welt in der alles Entertainment ist. Banalste Alltäglichkeiten werden zum Spektakel erhoben und medial ausgestellt. Flüchtige Momente werden bis zur Krise und Erschöpfung wiederholt und nachgespielt, um sie auf Instagram fixieren und verbreiten zu können, um noch mehr Aufmerksamkeit zu generieren. Emotionen werden ausgeschlachtet. Ausgebeutete malträtiert man mit künstlich aufgetragenen Tränen, um den Zuschauern am Bildschirm später stärkere Gefühle entlocken zu können, den Moment zu intensivieren. Mit dieser abstrusen Situation beginnt „The Curse“ und setzt direkt den unbehaglichen Ton für die kommenden Episoden.
Wie paranoid und grauenerregend diese Welt unter ihrer strahlenden Oberfläche eigentlich erscheint, ist mit seltener Raffinesse in der filmischen Form eingefangen und gespiegelt. Figuren verwandelt sie in befremdliche Anschauungsobjekte; sie rückt sich in Distanz. Wiederholt werden hier Positionen für das Filmen gewählt, die ebenso aus einer Versteckte-Kamera-Show stammen könnten. Glas formt dabei Barrieren und Fassaden. Blicke durch Scheiben lassen Menschen bewusst in Unschärfe kippen, überziehen sie mit uneindeutigen Schlieren und Schleiern. Konturen verschwimmen dort, wo sich Personen allzu gefestigt wähnen und ihre Lust an der Selbstdarstellung verfängt sich in den eigenen Netzen. Der Alltag ist zum Filmset geworden. Menschen im Kampf mit der eigenen Transparenz.
Dauer-Voyeurismus
„The Curse“ setzt sich aus Bildern und Einstellungen zusammen, die vielmehr observieren als schlicht zu beobachten. Das ist Reality TV, das sich selbst zerlegt, das überhaupt keine Grenzziehungen vor und hinter den Kulissen mehr kennt und diese doch ständig zu verschieben versucht. Figuren streiten darüber, einmal ungefilmt Konflikte austragen zu können, ganz privat. Aber ist es das wirklich?
Überall könnte schließlich die nächste Kamera lauern, die das Zusehen in dieser Serie mit dem Gefühl des selbstreflexiven und dennoch nicht weniger unangenehmen Voyeurismus versieht. Der Mensch ist diesem Eindruck ausgeliefert, nicht nur einer Unterhaltungsindustrie, sondern überhaupt dem Gefühl, jederzeit unter Beobachtung zu stehen, die benötigte Darstellung im Alltagstheater verkrampft abliefern zu müssen und sich nicht in den eigenen Widersprüchen zu verstricken.
„The Curse“ endet mit einem meisterhaften Finale
Diese Serie hat ebenso Schwächen, keine Frage. Ihr Mittelteil ist äußerst fahrig geraten, wie dort Beziehungsprobleme angebahnt, ausgetragen und etwas unnötig ausgedehnt werden. Die Produktion der Show taugt dabei auch dazu, einen Keil zwischen Whitney und Asher zu treiben, welcher wiederum in Profit verwandelt werden kann. „The Curse“ ist die Geschichte eines verunsicherten Paares, das die medialen Blasen, die es umschließt, als Rüstung, Waffe, Spiegel und Sprache gleichermaßen benutzt. Fortwährend ist es damit beschäftigt, auf die Bilder, die es selbst von sich kreiert und aussendet, reagieren zu müssen.
Dass das meisterhafte Finale alle zuvor durchgestandenen Längen vergessen lässt, liegt nicht nur an dem Überraschungseffekt, mit dem „The Curse“ in das Wundersame vorstößt. Seine Überzeugungskraft liegt vor allem darin, dass dieser Bruch und verblüffend inszenierte Kippmoment einfach nur die adäquate Weiterentwicklung der filmischen Erzählweise von Safdies und Fielders Serie darstellt, um das zuvor Gezeigte auf eine neue Ebene zu heben. Was längst empfunden und vernommen wurde, wird nun in kaum zu glaubende Filmbilder übersetzt.
Eine Entzweiung und spätere Wiedervereinigung wird in ihrer Vergeblichkeit offenbar, die längst vollzogene Trennung auf immer und ewig von den verschrobenen Regeln der errichteten Medienwelt manifestiert, an der die Figuren kaputtgehen. Das Streben nach oben wird nun zur Horrorvorstellung verkehrt. Am Schluss dieser brillanten Serie geht es in geöffnete Leiber und luftige Höhen, in denen Egos ihr bitteres wie befreiendes Ende finden und zum ersten Mal mit dem wahrhaft allein sind, um das sich ohnehin schon alles drehte: sich selbst.
„The Curse“ ist in Deutschland bei Paramount+ zu sehen.
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