„Stasikomödie“ von Leander Haußmann: Ostalgie in der Sackgasse

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Nach „Sonnenallee“ und „NVA“ beendet Leander Haußmann mit der „Stasikomödie“ seine Filmtrilogie über die DDR. Sein Humor wirkt wie aus einer anderen Zeit.

Müsste man jemandem erklären, was in Deutschland in punkto künstlerischer Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit schiefgelaufen ist, man könnte ihm „Stasikomödie“ vorführen. Oder genauer: „Leander Haußmanns Stasikomödie“ – der Name des Regisseurs wurde vor Kinostart noch im Titel ergänzt. Die subjektive Perspektive weist man damit explizit aus. Man fragt sich schon, ob sie als Vorab-Entschuldigung oder als Marketing-Statement gemeint ist.

Haußmann hatte schließlich mit „Sonnenalle“ und „NVA“ rund um die Jahrtausendwende einen durchaus markanten Blick auf die untergegangene DDR geworfen. Damals schien die Zeit reif für ein befreiendes Lachen, beide Filme schwelgten in den Kuriositäten des realsozialistischen Alltags, eröffneten ihre (n)ostalgische Sichtweise als heitere Nummernrevue. Und nun, so viele Jahre später? Noch einmal wagt sich der Filmemacher an die deutsch-deutsche Vergangenheit und zeigt in erster Linie Altbekanntes.

Mit der Stasi-Akte beginnen die Probleme

Haußmanns „Stasikomödie“ besteht im Grunde aus zwei Filmen, zwei Erzählebenen und zumindest eine von ihnen ist interessant. Da versammelt sich eine Familie im Berlin der Jetztzeit zur Feierlichkeit im kleinen Kreis. Ludger Fuchs (Jörg Schüttauf) hat seine Stasiakte angefordert, jetzt soll sie gemeinsam geöffnet werden, um sich gedanklich noch einmal in die alten Zeiten zu begeben. Blöd: Ein Beziehungschaos kündigt sich an, als die Akte pikante Briefe und Einblicke preisgibt. Diese Ebene fühlt sich tatsächlich gegenwärtig an, operiert mit ganz aktuellen Fallstricken der Verschränkung von Gestern und Heute, mit der Vergangenheit, die niemals wirklich weg war und nun bedrohlich die Ordnung durcheinanderbringen kann.

Leider nimmt dieser Teil der „Stasikomödie“ – man müsste noch einmal die Zeit stoppen – vielleicht eine knappe halbe Stunde ein. Er bildet lediglich die narrative Klammer für eine üppig aufgeblasene Historienburleske, die sich nicht nur in eine vergangene Zeitkapsel begibt, sondern sich auch so anfühlt, als hätte sich das Kino seit dem Jahr 2005 – dem Jahr von „NVA“ – nicht weiterentwickelt. In die jungen Jahre von Ludger Fuchs geht es da, nun gespielt von David Kross. Er wird von der Staatssicherheit angeheuert, um im Prenzlauer Berg die Künstlerszene auszuspionieren. Neben allerlei Liebeswirren und Milieu-Erkundungen erzählt Leander Haußmann dabei von der Verführung des Rebellischen, einer Verkehrung der gespielten Rolle und den ersten Schritten eines Schriftstellers.

Humor der Jahrtausendwende

Eigentlich ist alles wie damals, die ganze Kuriositätenshow, die Haußmann in seiner Kino-DDR in Szene setzt. Mit eher dürftigen Schenkelklopfern, karikaturesken Figuren und allerlei musealem Ausstattungsmief, der eine verbreitete Exotisierung der DDR nur weiter befeuert. Man muss ihm ja lassen: Der Regisseur liefert kein gewöhnliches Historiendrama ab, wie man es gerne vor allem dem TV-Publikum präsentiert. Da arbeitet jemand mit eigenem Stil, da probiert jemand aus, mit einem gewissen Mut zur Schrägheit, der auch vor einem Stasi-Fest als Rokoko-Kostümschinken und gesungener Konfliktlösung nicht zurückschreckt.

Doch wirkt der Eigensinn dieser „Stasikomödie“ allzu ermüdet, nonchalant naiv in seiner offensichtlichen Verspätung, denn eine Sache ist offenkundig: Er ist aus der Zeit gefallen, dieser Film. Er kommt schlicht zu spät, weil die Zeit der Haußmann’schen Historien-Lustspiele offensichtlich nicht mehr angemessen erscheint.

Verrückte fremde Welt

Bei all den Kalauern ist einem kaum nach Lachen zumute, weil sich dafür die Auswirkungen der gescheiterten Ost-Aufarbeitung in der Gegenwart zu gravierend darstellen, um sie mit ein wenig Stasi-Parodie glattbügeln zu wollen. Ihre verschmitzte Unschuld kann ihre Fassade nicht mehr halten. Natürlich, die Verlockung ist groß, es bereitet ein allzu gemütliches Gefühl, den Vorhang aufzuziehen und diesem Fabulieren über die absurden Lebenswirklichkeiten einer vermeintlich weit entfernten Realität beizuwohnen. Insofern bietet Haußmann einen adäquaten Nachklapp für seine früheren Werke.

Doch es genügt nicht mehr, das Vergangene und deren geheim agierende Lenker in ihrem lächerlichen Kern zu entlarven und zu überzeichnen, weil man sie damit wieder nur in eine bequeme Distanz schiebt. Ihre gegenwärtigen Folgen von Verdrossenheit, Polarisierung über Misstrauen und Radikalisierung überlagern längst die angestaubte Witzelei. Haußmanns Film richtet sich mit seiner Geschichtsstunde vor allem viel zu selten gegen jene, die sich heute gerne als „die Mitte“ bezeichnen, Ja, er biedert sich ihnen in gewisser Weise sogar an. Man kann das ganze Unterfangen nicht mehr einfach als flippige Museumstour begreifen, auch wenn alle Wärter Clownsnasen tragen.

Historienkino neu denken

Es ist auch keine moralische Frage, die sich hier stellt, ob es angemessen ist, die kriminellen, zerstörerischen Machenschaften des DDR-Überwachungssystems auf solche Weise zu verlachen. Sie ist ohnehin in Windeseile mit einem großen JA beantwortet. Die viel fundamentalere, drängendere Frage ist doch, wie Kino eine neue Mitte zwischen ostalgischer Verklärung, Spott und ernster Analyse, zwischen Zurschaustellung, Auslegung von Vergangenheit und gegenwärtigen Strukturen finden kann, vor allem auch ästhetisch. „Stasikomödie“ bietet darauf keine sonderlich kluge Antwort.

In der Tat, da wird kurz angetippt, wie das Personal über die Zeitschranken hinweg geblieben ist, wie alte Konflikte im neuen Gewand weiterleben, doch die gesamte Historisierung zerfällt in alle Einzelteile. Sie ist schlicht falsch gewichtet, lässt ernüchtert, unproduktiv zurück. Haußmanns Film reicht trotz aller verbleibender Grautöne das verlockende Gefühl eines Happyends, einer Perspektive der Bannung des Bösen, nachdem man sich humoresk allzu behäbig und zahnlos präsentiert hat.

Stasikomödie“ läuft seit dem 19. Mai 2022 in den deutschen Kinos.

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Bildquelle:

  • stasikomoedie: Constantin Film Verleih
7 Kommentare im Forum
  1. Trailer angesehen, das reicht dann glaube ich auch. Aber eine Frage stellt sich mir spontan: Warum haben die alle so hässliche Schnauzer? Ich kann mich nicht erinnern dass das in der DDR so üblich war.
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