„Smile 2“ toppt den gruseligen ersten Teil: Der Horror des Scheins

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Ein grinsendes Gesicht
Foto: 2024 Paramount Pictures

Der Vorgänger wurde zum viralen Hit, jetzt legt „Smile 2“ eine Schippe obendrauf. Regisseur Parker Finn hat einen herausragenden Horrorfilm gedreht.

Es erstaunt wenig, dass Parker Finns Langfilmdebüt vor zwei Jahren so einschlug. Das liegt einerseits daran, dass „Smile“ sehr effektive Schockeffekte abfeuerte, die intuitiv starke Reaktionen hervorrufen. Andererseits liegt es am Thema. Mental Health, also psychisches Wohlbefinden, ist ein wichtiges Schlagwort geworden. Man ist heute an einigen Stellen sensibler, auch öffentlich über Gefühle, seelische Wunden, Traumata zu sprechen. Zugleich hat sich damit ein zweischneidiger Markt aufgetan, auf dem nicht nur Psychologen, sondern auch selbsternannte Lifestyle- und Achtsamkeitsexperten, Selbsthilfe-Gurus und Mindset-Schwurbler ihre Lehren im Netz zum Geschäftsmodell erheben.

Mental Health ist nicht nur eine Notwendigkeit, um besser leben zu können. Längst ist die Optimierung der Psyche wiederum selbst in kapitalistische Verwertungslogiken eingehegt, um Produktivität zu steigern, Marken zu pflegen, Geld zu verdienen, sodass ein jeder seine Abweichungen und Auffälligkeiten therapieren kann, um den Lauf der wirtschaftlichen Dinge nicht länger zu belasten. „Smile“ knüpfte genau an solchen Punkten an, wenngleich er etwas wüst in mehrere Richtungen ausschlug. Außerdem verengte er hinterher seine systemischen Beobachtungen plötzlich auf individuelle Erlebnisse. „Smile 2“ hat in dieser Hinsicht aus seinen Fehlern gelernt, ohne sein Thema umzukippen. Er ist inhaltlich fokussierter und in sich stimmiger erzählt, weil er sich früher auf eine Lesart festlegt.

Skye vor einem Spiegel in "Smile 2"
Ein Star und seine Paranoia Foto: © 2024 PARAMOUNT PICTURES

„Smile 2“ ist noch drastischer als der Vorgänger

Regisseur und Autor Parker Finn erzählte in Teil 1 vom Alltag einer Psychiaterin, die zu funktionieren hat. Erschütternde Geschichten tagtäglich, Stress ohne Ende. Für eine Bewältigung bleibt keine Zeit. Der nächste Patient wartet bereits. Als die Last der täglich bezeugten Schicksale und ihres eigenen Kindheitstraumas zu groß wird, verliert sie den Verstand. Das agierte als Horrorfilm irgendwo zwischen „It Follows“ und „The Ring“, erzählte von der Weitergabe, vom Bezeugen von Traumata – auch durch das Sehen von Gewaltbildern. Damit führte „Smile“ zum Horrorkino selbst zurück.

In punkto Gewalt erspart die Fortsetzung seinem Publikum nichts. „Smile 2“ ist noch drastischer und brutaler in seinen Darstellungen. Schon im ersten Akt werden Körper mit Messern und Pistolen blutig zugerichtet. Ein Gesicht wird mit einem Gewicht zertrümmert. Dass der Film dieses Mal keine Jugendfreigabe von der FSK erhielt, dürfte vermutlich auch damit zu tun haben, dass das Motiv des Selbstmordes als Akt der Provokation und Bestrafung des Umfelds, aber auch der Erlösung noch erbarmungsloser ausgespielt wird. „Smile 2“ wechselt dabei den Schauplatz. Von der Psychiatrie geht es in die Welt des schillernden Showgeschäfts.

Skye gibt ein Autogramm
Skye hadert mit lästigen Fans. Foto: 2024 Paramount Pictures. All Rights reserved.

Darum geht es in „Smile 2“

Skye Riley (Naomi Scott) steht als Popsängerin vor ihrem Comeback. Nach ihrer Drogenvergangenheit und einem Unfall, bei dem ihr Partner ums Leben kam, kämpft sich Skye zurück ins Leben. Als sie sich dafür neue Schmerzmittel von ihrem Dealer besorgen will, wird sie Zeugin von dessen Selbstmord. Fortan wird sie von schrecklichen Visionen geplagt. Ihr Job raubt ihr die Luft zum Atmen. Die schreckliche Vergangenheit holt sie ein. „Smile 2“ steht damit vor der Herausforderung, sein Publikum für die Probleme eines reichen Superstars in dessen teuren Luxusapartment zu begeistern. Erstaunlicherweise gelingt ihm das nach kurzer Zeit.

Vielleicht liegt es daran, dass sich eine Spektakel-Gesellschaft lieber im Erfolg und einer für die Mehrheit unerreichten Welt gespiegelt sieht. Der Arbeitsalltag einer Pop-Ikone scheint Kino-tauglicher zu sein als der einer Sachbearbeiterin auf einem Amt oder selbst der einer Psychiaterin, an dem sich noch der Vorgänger versuchte. Vielleicht ist dieses Arbeiten in einer ohnehin vom Schein lebenden Bühnenwelt aber auch schlicht klarer verständlich, um dieses Thema anzupacken.

Grinsender Drogendealer in "Smile 2"
Grinsen überall Foto: 2024 Paramount Pictures

Verfolgungswahn im Showgeschäft

„Smile 2“ nutzt das Showbiz, um von einem Alltag zu erzählen, der mentale und körperliche Schwäche zwar überall ausstellt, aber insgeheim verabscheut. Er interessiert sich nur dafür, solange es zur effekthascherischen Tränendrüsen-Story und damit zur verwertbaren Geschichte in den Medien taugt. Man will sich zwar permanent in den Narben des Idols wiedererkennen, sich ebenbürtig wähnen. Doch insgeheim regieren Ignoranz und Unsensibilität. Die Privatperson hinter der öffentlichen Persona vergisst man.

Parker Finns Film zeugt so von einer Kultur, die in Stars nicht mehr das Unnahbare und Besondere, sondern die Illusion der Nahbarkeit und Gleichheit sehen und verkaufen will. Das liegt als Beobachtung auf der Hand und denkt nicht sonderlich weit. „Smile 2“ nutzt besagte Ausgangslage jedoch für eine universellere Vorführung gesellschaftlicher Dynamiken, die persönliche Schwächen zum Versteckspiel erheben. Immer gilt es, die Fassade zu wahren. Lächeln nicht vergessen! Das titelgebende, grauenhafte Grinsen, von dem die Figuren in den „Smile“-Filmen verfolgt werden, erfährt dadurch seine Zuspitzung.

„Smile 2“ verzahnt diesen empfundenen Druck, mit Stärke und Verdrängung aufzutreten, mit einer unmittelbaren ökonomischen Existenzangst. Skye wird selbst von ihrer Mutter (Rosemarie DeWitt) gedrillt. Sollte ihre Tochter die Tournee absagen, so droht sie, wird ihre Karriere am Ende sein. Geld wurde investiert, Geld wird man verlangen. Der Schadensersatz würde den Ruin bedeuten. Einstudierter Schein, funktionierender Habitus und die Drohung des Jobverlustes fallen in eins. Wer einen „normaleren“ Beruf ergreift, wird davon wahrscheinlich ein längeres Lied singen können als die Profi-Sängerin. Mental-Health-Diskurse sind zwar präsent, aber bislang ein Phänomen kleinerer Milieus und Blasen.

„Smile 2“ schockt effektiv

Das Motiv der Medialität als Übertragung zeigt indes eine Figur, die tiefste Einsamkeit empfindet und in einer Bilderflut gefangen ist. Im Privaten steht sie immerzu vor Spiegeln oder wandelt über spiegelnde Oberflächen, verfolgt vom eigenen Abbild. Was sie sendet, kommt immer weniger oder mindestens verzerrt bei ihren Empfängern an. Und überall lauern Kameras. Ein jeder Ausrutscher kann zugleich zur viralen Darstellung werden. Ein jeder kann und wird öffentlich gefilmt werden.

Es wäre wünschenswert, würde „Smile 2“ dabei noch kunstvoller und abwechslungsreicher mit seinen Horrorszenen umgehen. Parker Finn jagt einem ordentliche Schocks durch die Glieder. Seine Effekte sind um langen Spannungsaufbau bemüht. Sie arbeiten mit intensiven Plansequenzen und kennen doch nur die Kategorien „laut“ und „extrem laut“. Davon abgesehen, dass ihnen die dauernervöse Stimmung des Vorgängerfilms etwas fehlt. Wenige Ausnahmen lassen Gespenster eindrucksvoll zu Installationen im Raum erstarren: Die Musikerin sieht irgendwann Tänzer und übergriffige Fans in ihrer Wohnung auftauchen. In diesen Momenten ist Finns Horrorfilm am unheimlichsten. Ebenso dann, wenn er wieder einen beachtlichen Terror aus dem Mittel der Großaufnahme zieht.

Skye auf der Bühne in "Smile 2"
Skye ist zurück im Rampenlicht. Foto: 2024 Paramount Pictures.

Horror jenseits des Blickfeldes

Immer wieder rückt die Kamera nah an Gesichter heran und beschwört Unbehagen über das Ausblenden. Das unsichtbare Abseits des Ausschnitts, das sich permanent verwandeln und Schockierendes preisgeben könnte. Perspektiven verengen, Welten verlieren sich. Jeder Blick zur Seite oder nach hinten könnte tiefer in den Wahnsinn führen. „Smile 2“ orientiert sich strukturell und im Ablauf seiner Eskalation sehr stark am Erstling. Das kann man ihm ruhig zum Vorwurf machen! Und er schießt irgendwann mit seinen hanebüchenen Finten und seinem exzessiven Höllentrip vielleicht etwas übers Ziel hinaus. Zugleich ergibt die letzte Eskalationsstufe hier noch mehr Sinn als in Teil 1.

In ihrem Körperhorror reicht sie dem gar nicht so weit entfernten „The Substance“ mit Demi Moore die Hand. Und sie spiegelt in letzter Konsequenz den grausamen Endpunkt des gezeigten Star-Kultes, von dem im realen Leben Schicksale wie etwa das von Amy Winehouse zeugen. Aufschrei und Entsetzen bleiben übrig. Und ein weiteres Motiv, das es medial zu fixieren gilt. Auf großer Projektionsfläche findet der Schrecken seine Überhöhung. Ein Bild setzt sich zusammen, Genre-typisch polemisch pointiert. Natürlich erschrecken die Menschen auf der Leinwand auch vor uns, die dort im Kino sitzen.

„Smile 2“ läuft seit dem 17. Oktober 2024 im Verleih von Paramount Pictures in den deutschen Kinos. Den ersten Teil kann man aktuell unter anderem bei RTL+ streamen.

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