Putin als Deepfake-Monster: Film über das Leben des Präsidenten startet

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Wladimir Putin im Film "Putin"
Foto: Kinostar

Der polnische Regisseur Patryk Vega hat einen Kinofilm über das Leben von Wladimir Putin gedreht. Neueste Deepfake-KI-Technologie macht’s möglich.

Andere Filmemacher sind zumindest so bescheiden, für die eigene Zukunftsprognose einige Jahrzehnte verstreichen zu lassen. Nicht so bei Patryk Vega, dem polnischen Regisseur von brachialen Filmen wie „Die Seuchen Breslaus“, „Pitbull“ oder „Small World“. Sein Putin-Biopic wirft einen Blick in die nähere Zukunft des Jahres 2026. Von dem russischen Präsidenten ist am Beginn des Films nur noch ein von Krankheit gezeichneter, in sich gefangener, entblößter Körper übrig. Zitternd und mit totem Blick sitzt er auf dem Boden seines Krankenzimmers. Das Bett hinter ihm ist mit Kot beschmiert.

Dennoch gewährt man einem General (Thomas Kretschmann) Einlass, um ihm das Neueste zu berichten. Scharenweise Männer wollen aus Russland vor ihrer Einberufung zum Kriegsdienst fliehen. England soll der Armut erliegen, nachdem Lieferketten unterbrochen wurden. In den USA soll sich ein großer Exodus von Menschen infolge von Naturkatastrophen durch die Erderwärmung abzeichnen. Die Sanktionen gegen die russische Kriegspolitik haben sich gegen Europa gerichtet.

„Krieg ist Frieden“

Erst spät, nämlich am Ende des Films, wenn „Putin“ in dieses Krankenzimmer zurückkehrt, nimmt dieser simulierte Blick hinter die Kulissen so groteske Züge an, dass er sich einer Satire nähert. Wenn der General und sein Präsident über eine neue Werbekampagne („Krieg ist Frieden“) beraten, in der ein glückliches Leben trotz weggesprengter Gliedmaßen verkauft werden soll, dann sind das humoristisch überzeichnete und trotzdem gar nicht allzu realitätsferne Szenen, um die Kriegstreiberei und Aufrüstung der Gegenwart zu spiegeln.

Man muss den Blick dafür noch nicht einmal nach Russland richten. Derlei Perversionen und Absurditäten machen sich überall auf der Welt breit, nicht zuletzt seit Russlands Angriffskrieg. Es reicht etwa ein Gang in die deutschen Kinos oder ein Klick ins Netz, wo neuerdings für Waffendienst und Führungsstärke bei der Bundeswehr verharmlosend geworben wird wie für ein neues Actionspiel auf der heimischen Spielekonsole.

Putin mit einer Pistole
Putin wird mit Deepfake-Technik zum Leben erweckt. Foto: Kinostar

„Putin“ und seine inneren Dämonen

Patryk Vegas Film über Wladimir Putin als Antikriegsfilm anpreisen zu wollen, würde seiner Realität allerdings nur bedingt entsprechen. Ja, „Putin“ positioniert sich gegen den Krieg, zuvorderst den Krieg Russlands gegen die Ukraine, indem er ihn als Ausgeburt eines obszönen, Jahre umspannenden Machthungers und der Inszenierung von Macht zeigt. Ästhetisch greift Vega allerdings nicht nur daneben. „Putin“ ist bei allem aktivistischen Eifer nicht nur ein platter, sondern auch ein höchst fragwürdiger Film. Er untergräbt sich selbst, indem er jener Machtinszenierung ohnmächtig gaffend verfällt, auch wenn er sie künstlerisch in den naheliegenden Wahnsinn führt.

Immer wieder springt er zwischen den Jahren in Putins Biographie hin und her. Fakten, Halbwahrheiten, Spekulationen und frei Erfundenes werden vermengt, um den Aufstieg eines Diktators zu erzählen. Die Bilder sind dabei mal gräulich entsättigt, mal Schwarz-Weiß, mal sepiafarben und bräunlich wie der Schiss in Putins Krankenbett. Vega zeigt charakterliche Hässlichkeiten in hässlichen Bildern.

Assoziierend schweifen sie durch die Geschichte. Kindheit: Putin, wie er aus Schutz vor dem Stiefvater seinem Elternhaus entrissen wird. Mobbing, Prügelei unter Kindern. Zeit beim KGB. Tschetschenienkrieg. Die Dekadenz der Reichen. Intrigen, Attentate. Die Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater. Krieg in der Ukraine. Irgendwann zeigt „Putin“ die Vision eines Atomschlags und aus all den schmissig und effekthascherisch montierten Sequenzen wollen sich nur dürftige Narrative zu erkennen geben. Sie zeichnen ein Bild von Putin, der immer wieder von Gespenstern der Vergangenheit heimgesucht wird. Vor allem beim Ausharren in einer Druckkammer flüstern sie ihm Paranoia und Ratschläge gleichermaßen ein.

Szene aus "Putin"
Gelage in Sankt Petersburg Foto: Kinostar

Putin als Deepfake-Gestalt

Dieser Leinwand-Putin, der mittels Schauspiel und digital kreierter Deepfake-Maske zum Leben erweckt wird, ist im erzählerischen Bogen des Films jemand, der das Durchbeißen lernt. Technisch ist das mal verblüffend realistisch getrickst, mal verwandelt sich die Figur in etwas Monströses, Surreales, wenn die Kamera die Nähe zu ihrem Antlitz sucht. Kämpfe, oder du wirst umhergeschubst, lernt der Präsident schon in jungen Jahren. Bis in seine politische Karriere hinein wird er diese Maxime verfolgen. Viel mehr Psychologie bietet der Film nicht an.

Ein komplexes Machtgefüge wird somit auf banale Männerfantasien, Verletzungen und vorgeführte Resilienz heruntergebrochen. Sie unterscheiden sich kaum von Predigten irgendwelcher Macho-Influencer im Netz und so ganz kann sich „Putin“ der Faszination des Bösen nie entziehen. Er übernimmt ästhetisch vollends und ohne größere Brüche dessen Lebensgefühl. Gerade der Blick auf den politischen Kontext Russlands will dabei kaum erhellende Einsichten oder ein größeres Panorama vermitteln und aufzeigen.

Polit-Parabel oder Exploitation Kino?

Stattdessen strickt der Film aus der Machtübernahme und den abgebrühten Methoden ihrer Erhaltung ein ähnlich brutales und auf Sensation getrimmtes Horror-Spektakel wie die demnächst startende Serie „M – Der Sohn des Jahrhunderts“ über den Faschisten Mussolini. „Putin“ reißt zweifellos mit in seinen schnellen Schnitten, den taumelnden Handkameras, aber ihm bleibt nur der Blick auf die Oberfläche, obwohl der Film permanent in einem verfolgten Geist wühlt. Wenn Putin hier mit einer Paintball-Pistole Jagd auf halbnackte Playmates macht und dazu tönen coole Gitarrenklänge auf der Tonspur, verfällt die Regiearbeit der reinen Effekthascherei und einem verrohten Blick auf die Welt.

Umso fragwürdiger, wenn sich die Gewaltbilder, die der Film dann im Laufe seiner reichlich 100 Minuten auffährt, kaum voneinander unterscheiden wollen. Alles ist ihnen gleich, solange die Sensation daraus geschlagen werden kann. Und so wird selbst die Rekonstruktion des Massakers im ukrainischen Butscha zur bloßen Technikdemonstration: eine auffällig lange Kamerafahrt, in der das Abscheuliche in eine ausgeklügelte künstlerische Choreografie verwandelt wird. Exploitation-Kino, so könnte man es ebenfalls nennen.

„Putin“ läuft seit dem 9. Januar 2025 im Verleih von Kinostar in den deutschen Kinos.

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