TV-Stars vergangener Tage kämpfen um mediale Aufmerksamkeit wie Ertrinkende um Atemluft – manche lassen sich im Fernseh-Zirkus vorführen und verspeisen Ungeziefer. Enfant Terrible Oliver Pocher hingegen hat gerade das Online-Mobbing für sich entdeckt. Im Fadenkreuz: Sogenannte Influencer.
Gerade dem jüngeren Fernsehpublikum der Jahrtausendwende ist Oliver Pocher noch bestens bekannt: Als milchgesichtige Allzweckwaffe bei Jugend-Musiksender VIVA war sich Pocher im TV für keine Peinlichkeit zu schade. Nun, Jahre später, ist der Sender abgeschaltet und Oliver Pocher bemüht sich darum, nicht in Vergessenheit zu geraten. Das funktioniert so einigermaßen, denn auch wenn Pocher als TV-Rumpelstilzchen nicht mehr sonderlich gefragt ist, hat Gehässigkeit gerade in dem modernen sozialen Medien Hochkunjunktur. Und das ist schließlich Pochers Paradedisziplin.
Das Teenie-TV, aus dem man Pocher früher kannte, hat den medialen Wandel in Richtung digitaler Videoplattformen nicht überlebt; junge Menschen schauen kaum noch Fern, sondern folgen Youtube- und Instagram-„Stars“ – welchen Platz gibt es da eigentlich für einen ehemaligen Star des Jugendfernsehens in seinen Vierzigern? Eigentlich keinen, deshalb bleibt Pocher auch nur so lange interessant, wie er auf alles schießt, was sich bewegt.
Ein scheinheiliger Kreuzzug
Dieser Tage gibt Oliver Pocher trotz seiner anhaltend knabenhaften Erscheinung den grantigen, abgehalfterten TV-Opa, der nicht nur der nächsten Generation Medien-Prominenz den Platz an der Sonne missgönnt – sondern bereits einen scheinheiligen wie stillosen Kreuzzug gegen Einzelpersonen im Influencer-Geschäft eingeläutet hat.
Letzterer hat allerdings kaum aufklärerisches Potential und schreit wie die mühsam inszenierten Online-Fehden mit der gestrauchelten Tennis-Legende Boris Becker oder Schlagerstar Michael Wendler nur verzweifelt nach Aufmerksamkeit des Boulevards. Ein antiquierter Vertreter des Pubertätshumors im deutschen TV, ein Tabubrecher von Gestern, den eigentlich keiner mehr sehen will, wirft mit Schlamm um sich.
Der Herr der Trolle
Das durchschaubare Kalkül der Instagram-Influencer zu dekonstruieren mag zunächst erstmal sinnvoll erscheinen – schließlich bestimmt die Scheinwelt aus posierten Bildern und Produktwerbung in minutiös arrangierten Lifestyle-lllusionen auf zweifelhafte Weise immer mehr das Leben junger Menschen. Andererseits ist Pochers eigenes Kalkühl der rücksichtslosen Eigenwerbung unter dem Deckmantel der Medienkritik nicht weniger gefährlich: Seit der Entertainer gegen die Influencer hetzt, ergießt sich eine Flut von Hassbotschaften der Pocher-Follower über die Instagram-Prominenz, auch tätliche Angriffe auf das Privateigentum der Influencer soll es schon gegeben haben.
Die dubiosen Geschäftspraktiken und „Gewinnspiele“ letzterer mögen zwar Bauernfängerei der übelsten Sorte sein – das opportunistische Anstacheln von Internet-Trollen Marke Pocher bringt jedoch weder mehr Vernunft noch faireren menschlichen Umgang in die soziale Prärie des wilden Webs. Kurzum: Pocher ist mehr Trittbrettfahrer als Aufklärer. Sein hetzerisch vorgetragenes Instagram-Format „Pochers Bildschirmkontrolle“ denunziert zwar augenscheinliche Übeltäter unter den Influencern, arbeitet jedoch ebenfalls mit manipulativen Werkzeugen aus der untersten Schublade.
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