Nicht nur für Fans von „The Bear“: Warum „La Cocina“ großartig ist

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Rooney Mara an einem Aquarium
Foto: SquareOne Entertainment

Mit „La Cocina“ läuft aktuell ein weiterer Film, der sich mit dem Stress und der Ausbeutung in der Gastronomie befasst. Ein hochspannendes Werk!

„La Cocina“ ist einer dieser Filme, bei denen man glaubt, sie riechen und schmecken zu können. Die Kamera rückt hier prominent die große Zutatenschlacht in der Küche eines mittelmäßigen New Yorker Restaurants in den Fokus. Ganz nah geht sie heran, wenn die Speisen unter immer größer werdendem Zeitdruck im „The Grill“ zubereitet werden oder in den Abfall fliegen. Die Linse beschlägt sogar vom Dunst der heißen, gewaschenen Teller. Später dann wird die Kameraführung ebenso zum ästhetischen Ausdruck eines streng geregelten ausbeuterischen Systems, das die Mittellosigkeit armer Menschen ausnutzt, um sie bis zum Kollaps schuften zu lassen. An ihrer prekären Lebenssituation ändert sich derweil kaum etwas zum Positiven.

Ungefähr zur Mitte des Films vergreift sich jemand an dem kaputten Cola-Automaten, der daraufhin munter Wasser in die Küche spuckt und gar nicht mehr aufhören will. Die Köche, Küchenhilfen und Kellnerinnen stapfen durch den überfluteten Raum in den Katakomben des Restaurants. Bloß den Schein wahren! Die Kundschaft dort oben soll von all dem Chaos nichts mitbekommen, das hinter den Kulissen stattfindet. In einer furios inszenierten Choreografie hetzen also alle umher. Wie ferngesteuert und dennoch völlig ohne Kontrolle. Der Autor und Regisseur Alonso Ruizpalacios hat diese Sequenz in einer langen, ungeschnitten präsentierten Einstellung gedreht. Die monströse Maschinerie des Restaurants darf nicht zum Stillstand kommen, doch irgendwann wird selbst diese Hektik, dieses Rufen und Zanken und Bangen zu viel und die Eskalation ist perfekt.

Julia in La Cocina
Foto: SquareOne Entertainment

„La Cocina“ ist die Verfilmung eines Theaterstücks

Unter den Küchenfilmen- und Serien der vergangenen Jahre war die ungeschnittene Plansequenz ohnehin ein passendes, motivisch eng verbundenes künstlerisches Mittel. Die Serie „The Bear“ bei Disney+ inszenierte in der siebten Episode der ersten Staffel den Küchenstress in einer kontinuierlichen Einstellung. Der Gastronomiefilm „Yes, Chef!“ war sogar komplett in einer Einstellung gedreht.

Ruizpalacios hat mit „La Cocina“, der in Deutschland den quatschigen Untertitel „Der Geschmack des Lebens“ erhielt, das britische Theaterstück „Die Küche“ von Arnold Wesker adaptiert. Die Handlung des Dramas verlagert er von London nach New York. Der Film spielt in einer Zeit, die sich jeder eindeutigen Zuordnung entzieht, weil es ihm um universellere Wahrheiten und Beobachtungen geht. Der große Mythos des American Dream steht hier auf dem Prüfstand.

Am Anfang begleitet man eine junge Frau, die aus Mexiko in die USA kommt, um in der Küche Anstellung zu finden. Von der Ankunft in New York, diesem Sehnsuchtsort, bleibt eine Folge stockend abgespielter Einzelbilder. Die Welt erscheint in unscharfen Fragmenten und Schnappschüssen auf der Leinwand und von den Träumen bleibt die knallharte Ernüchterung übrig. Dann, wenn man sich erst einmal in dieses finstere Kellerlabyrinth des Arbeitsplatzes verirrt, wo die migrantisch geprägte Belegschaft schuften soll.

Die Belegschaft im Hinterhof
Foto: SquareOne Entertainment

Was vom Amerikanischen Traum übrig bleibt

Man macht den Angestellten leere Versprechungen, dass sie es eines Tages einmal besser haben sollen, dass sie dauerhaft im Land bleiben können. In Wirklichkeit behandelt man sie weniger als Menschen denn als bloße Arbeitskräfte, die jederzeit von anderen abgelöst und ersetzt werden können. Mittellose gibt es schließlich genug, die sich an diesen Ort verirren, weil ihnen nichts anderes übrig bleibt. Wer rebelliert und austickt, weil der Druck und die Perspektivlosigkeit zu groß werden, bekommt Zynisches zu hören. Essen, Bezahlung, Job, was will man denn noch im Leben? Ruizpalacios hält sich gerade in dieser finalen Konfrontation und in der Art, wie sich die Konflikte hochschaukeln, eng an die Struktur der Theatervorlage.

In dieses Porträt einer Zwischenwelt und eines Stadiums, in dem es weder nach vorn noch zurück zu gehen scheint, verpflanzt Ruizpalacio eine scheiternde Liebesgeschichte. Julia (Rooney Mara) ist Kellnerin im „The Grill“ und schwanger von dem eingewanderten Koch Pedro (Raul Briones), der um seine Papiere und Aufenthaltsgenehmigung bangt. Das Kind möchte sie abtreiben, während er von einer eigenen Familie träumt. Die Situation zwischen den beiden wird immer angespannter.

Julia und Pedro in de rKühlkammer
Foto: SquareOne Entertainment

Kurzer Ausbruch in Farbe

Eine Sexszene zwischen den beiden, die in einer Kühlkammer stattfindet, taucht die ansonsten schwarz-weißen Aufnahmen plötzlich in ein knallig blaues Licht. Ein Rückzug ist das und eine eigensinnige, widerständige Aktion zugleich, an deren Ende Sperma an einem Stück konserviertem Fleisch hinabläuft. Wenig später ist den Bildern dieses meisterhaften Films schnell wieder die Farbe entzogen.

Und da brennt sich vor allem dieses vielsagende Bild der beiden Hoffnungslosen ein, wie sie an einem Aquarium stehen und durch die Scheibe blicken. Die Ikone der Freiheitsstatue als versunkenes Requisit unter Wasser. Man schüttet ein paar Hummer in dieses Becken. Sie warten darauf, gegessen zu werden.

„La Cocina – Der Geschmack des Lebens“ läuft seit dem 16. Januar 2025 in den deutschen Kinos. Die Weltpremiere fand auf der Berlinale 2024 statt.

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