„La Chimera“: Einer der besten Filme 2024 jetzt im Streaming

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Festumzug in "La Chimera"
Foto: Mubi

Grabräuber, Halluzinationen und unbändige Liebe: Alice Rohrwachers fantastisches Drama „La Chimera“ ist jetzt im Streaming verfügbar.

Für Alice Rohrwacher findet mit „La Chimera“ eine Trilogie ihren Abschluss und der hätte stärker kaum ausfallen können. In ihren lose, nur thematisch miteinander verbundenen Filmen „Land der Wunder“, Glücklich wie Lazzaro“ und „La Chimera“ zeigt die renommierte italienische Regisseurin Menschen, die aus der Zeit gefallen sind. Zwischen Konservatismus und einem Ankommen in der modernen Welt suchen ihre Charaktere nach Orientierung und scheinen sich in ihren ganz eigenen, abgekapselten Welten zu bewegen, die man teilweise nicht einmal eindeutig einer Epoche zuordnen kann. Alle drei Filme spielen in der Toskana, auf einem Boden, in den sich die untergegangene Etruskerkultur eingeschrieben hat. Alle drei erkunden die Mythen, Orte und Gebräuche der Gegend. Sie handeln vom Umgang mit der Vergangenheit und deren Erbe, wie die Regisseurin, die selbst in der Region aufgewachsen ist, wiederholt öffentlich betont hat.

„La Chimera“ erzählt von Grabräubern in der Toskana

„Land der Wunder“ erzählte vom Alltag auf einer Honigfarm, auf der ein Patriarch verbissen an den Traditionen für seine Familie festzuhalten versucht. „Glücklich wie Lazzaro“ erzählte eine moderne Heiligenlegende, in der der Protagonist Lazzaro wörtlich in die Moderne stürzt, heraus aus einem dörflichen Kosmos, in dem eine Marchesa die Unwissenheit der Bevölkerung ausnutzt, um ein reaktionäres, sklavisches System zu errichten. „La Chimera“ nun begleitet eine Gruppe Grabräuber, die in den 1980er-Jahren auf Schatzsuche gehen. Die „Tombaroli“, so nennt man sie, streifen in der Gegend umher, um alte Gräber auszuheben und etruskische Schätze aus den versteckten unterirdischen Kammern zu stehlen. Arthur (Josh O’Connor) ist der Kopf der Gruppe, ein Engländer, der über übersinnliche Kräfte zu verfügen scheint. Mit einer Wünschelrute wandelt er wie benommen umher. Befindet er sich über einer Schatzkammer, bricht er in Trance zusammen.

Josh O'Connor in "La Chimera"
Arthur ist der Kopf der Grabräuber-Gruppe. Foto: MUBI

Das Fantastische spielt auch in diesem Film von Rohrwacher eine zentrale Rolle. Der magische Realismus in „La Chimera“ entfaltet eine ungemein verführerische Kraft, weil er so gekonnt in der Schwebe und im Uneindeutigen verharrt, ob dort wirklich Übersinnliches am Wirken ist oder nicht. Das Gespenstische der Region und all das, was verborgen unter der augenscheinlichen Oberfläche wirkt, wird so eindrucksvoll filmisch erlebbar.

Rohrwachers Drama ist eine bildgewaltige Raumerkundung, ein sinnbildliches Wühlen in den Geheimnissen der Erde, eingefangen in umwerfend schönen analogen Aufnahmen. Das Spiel mit dem analogen Filmmaterial, aber auch die Annäherung an die Kunst, die Rohrwacher in „La Chimera“ unternimmt, ist ein Versuch, ein Stück von deren Aura in den Kinosaal beziehungsweise nun an die heimischen Bildschirme zu retten. Neben Anbietern wie Prime Video ist der Film aktuell im Streaming-Portfolio von Mubi enthalten.

Ein Film über Nostalgie und die Geheimnisse unter der Erde

Kunst ist in Rohrwachers Film eine nützliche Ware, eine Fracht, die zumindest ein klein wenig Wohlstand für die mittellose, verarmte Bevölkerung verspricht. Das ist aber auch ein Zauberwerk, das sich eigentlich den Blicken und den Zugriffen der Außenwelt entzieht, das ein Eigenleben im Dunkeln zu entwickeln scheint und die Tore zu anderen Dimensionen aufzustoßen vermag. „La Chimera“ lässt sein Publikum dabei zu sehen, wie die Vagabunden und Gauner mit den Wirren der Geschichte und deren möglicher Schändung hadern. Und er zeigt, wie seine Figuren selbst zu Mythen und Legenden werden, die in Liedern besungen werden und so die eigene Fiktion durchkreuzen.

Die Tombaroli in "La Chimera"
Wühlen nach verborgenen Schätzen Foto: MUBI

Darüber hinaus hat Alice Rohrwacher einen Film gedreht, der in der Dunkelheit der Höhlen auch zu den Ursprüngen seines Mediums und des Kinos zurückkehrt. Projektionen und Lichtspiele eröffnen hier die schmerzlichen Gefühle der Nostalgie und geben den Blick auf ganz ursprüngliche, universelle menschliche Triebkräfte frei. Man flüchtet sich in Traumwelten und Vergangenes. Die tote Geliebte des Protagonisten spukt durch die Bilder und wird zur Sehnsuchtsgestalt, der sich Arthur tief unter der Erde nähern will, aber die doch für immer verloren bleibt. Es ist ein Film über Menschen, die sinnbildlich in ihrer eigenen Nostalgie begraben werden – und somit ein kritisches Werk, das mit all seinen inszenatorischen Tricks und Wundern brisant zur Gegenwart spricht. Ein Höhepunkt des Filmjahres.

„La Chimera“ kann man seit dem 4. Oktober 2024 bei Mubi streamen sowie digital auf Plattformen wie Google Play und Amazon Prime Video erwerben. Außerdem ist der Film auf DVD erhältlich.

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