„Konklave“ mit Ralph Fiennes: „Game of Thrones“ im Vatikan

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Ralph Fiennes als Kardinal in "Konklave"
Foto: Leonine

Der Regisseur von „Im Westen nichts Neues“ wirft im Oscar-Anwärter „Konklave“ einen Blick auf die Machtkämpfe um den Heiligen Stuhl.

Der Leichnam des Heiligen Vaters wackelt auf der Bahre. Von der Repräsentation und Stellvertreterschaft Christi bleibt nur der tote Körper, der am Beginn von „Konklave“ abtransportiert wird. Schon diese ersten Minuten von Edward Bergers neuem Film streben danach, die Schwere und Fallhöhe seiner gezeigten Vorgänge spürbar werden zu lassen. Die herausragende, mal aufbrausende, mal tief grummelnde Orchester-Musik von Volker Bertelmann, der schon den Score zu Bergers „Im Westen nichts Neues“ komponierte, zupft und streicht bedrohlich. Sie übersetzt mit ihren pointierten Dissonanzen und Stakkato-Zäsuren den unbehaglichen Kern, die Mechanik und Abwärtsspirale auf der Leinwand in Töne.

In der Montage setzt sich ein Räderwerk in Bewegung. Kulissen werden vorbereitet, letzte Sicherheits-Checks durchgeführt. Das Protokoll des Vatikans hat genau geregelt, was es zu tun gilt. Einem jeden wurde seine Rolle zugewiesen. Jetzt buhlt man um den Heiligen Stuhl und das Amt des Papstes. Kardinal Lawrence, gespielt von Ralph Fiennes, der die ganze Last seiner Arbeit in bohrenden, gequälten Blicken zum Ausdruck bringen kann, soll das Konklave leiten.

Ralph Fiennes und Stanley Tucci am Totenbett des Papstes
Der Papst ist tot. Foto: Leonine

Ränkespiel zur Papstwahl

Aus allen Himmelsrichtungen finden sich also Kardinäle in Rom ein, um hinter verschlossenen Türen die Wahl des neuen Kirchenoberhaupts zu vollziehen. Bereits die Jalousien, die an den Fenstern herabgleiten, um diese Räume von der Außenwelt abzuschirmen und symbolträchtig abzudunkeln, machen deutlich, wie sehr diese Wahl einem Gefängnis gleicht, in dem das Heilige gar nicht so heilig ist und die menschlichen Verfehlungen schwerer wiegen, als sich die Kardinäle zunächst eingestehen wollen.

Es ist eine Versuchsanordnung im abgeschotteten Rahmen, die „Konklave“ über zwei Stunden zeigt. Man wartet nur auf eine Eskalation zwischen den Männern. Darauf, wie sie die Fassung verlieren und ihre Fassade in sich zusammenfällt. Nach und nach kommen die Intrigen, Machtkämpfe und Mauscheleien im Verborgenen ans Tageslicht. Selbst der verstorbene Pontifex scheint aus dem Jenseits mitzuwirken. Seinen Gegnern im Schachspiel war er immer mehrere Züge voraus, bekommt das Publikum früh erklärt. Ein Krieg sei das, bei dem er sich für eine Seite entscheiden müsse, hört Lawrence von seinem Vertrauten, dem Kardinal Bellini (Stanley Tucci), in dem er einen widerwilligen Hoffnungsträger sieht.

Isabella Rosselini in "Konklave"
Schwester Agnes weiß mehr. Foto: Leonine

„Konklave“ blickt hinter die Fassade der Kirche

„Konklave“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Thomas Harris. Für die bevorstehenden Golden Globes und Oscars wird der Thriller bereits als heißer Kandidat gehandelt. Zu Recht! Mitreißend ist er nicht nur wegen seiner beeindruckenden Darstellerinnen und Darsteller. Stars wie Stanley Tucci, Ralph Fiennes oder auch Isabella Rosselini, die als Schwester Agnes in einer kleinen, aber markanten Nebenrolle glänzt, spielen hier weniger ausgefeilte menschliche Charaktere denn vorgeführte Rollen. Das Repräsentieren ist schließlich zentrales Thema des Films. Sie stehen für einen Richtungsstreit und ein Taktieren mit den inneren und äußeren Erwartungen, wenn sich herausstellt, dass sich das Kämpfen um den Status des Kirchenoberhaupts nicht groß von den Ränkespielen der weltlichen Politik unterscheidet, das man gerade weltweit erleben kann.

Serien wie „House of the Dragon„, „Dune: Prophecy“ und Kinofilme wie „Konklave“ entwerfen ein düsteres Spiegelbild dieser Machtkämpfe, die zwischen Lobbyismus, Verrat, Eigennutz und Narzissmus erbittert ausgetragen werden. Sie verhandeln eine um sich greifende Desillusionierung und Skepsis bezüglich heutiger demokratischer Prozesse und politischer Verwaltungsprozesse. Edward Bergers filmische Inszenierung beweist dabei vor allem ein Auge für die pompösen Inszenierungen und Ordnungen, die wiederum im Vatikan stattfinden. Ob es Gegenstände, Requisiten sind, die in der Kapelle auf Tischen drapiert werden, oder die Aufmärsche und Treffen der Kardinäle, die Kameramann Stéphane Fontaine in eindrucksvolle Hell-Dunkel-Kontraste übersetzt: Seine Bilder entfalten auf der Leinwand eine enorme Schönheit in der Strenge ihrer Komposition.

Stanley Tucci im Konklave
Richtungsstreit unter den Kardinälen Foto: Leonine

Schein und Sein im Vatikan

Das Wetteifern um den größtmöglichen Schein, der das Sein verdecken soll, schreibt sich somit auch in die Ästhetik des Films ein. Und vielleicht fehlt es den Bildern ein wenig an Fragilität und Selbstreflexion. Sie bleiben selbst im größten Chaos, das irgendwann für einen kurzen Moment ausbrechen wird, noch höchst kontrolliert und anmutig. Oberflächlich, könnte man es ebenso nennen.

In besagtem Moment des Chaos findet im abgeriegelten Kosmos von „Konklave“ plötzlich eine Durchlässigkeit zwischen den getrennten Räumen, zwischen dem Innen und Außen statt. Spätestens dann macht dieses pathetisch und mit großen dramatischen Gesten dargebotene Kammerspiel seine Abstraktion deutlich, die weniger von den Krisen der religiösen Ordnung als den politischen Krisen der Gegenwart im Allgemeinen handelt. „Konklave“ ist mehr als nur eine Kritik an den aufgesetzten Ritualen und der Scheinheiligkeit der katholischen Kirche.

Konklave eskaliert mit einem Anschlag
Eskalation in Rom Foto: Leonine

„Konklave“ empfiehlt sich als Oscar-Kandidat

In den anhaltenden Nachwehen des Zweiten Vatikanischen Konzils wird hier über die Rolle der Frau, sexuelle Orientierungen, Geschlechter, über die Form der Liturgie und den Umgang mit Andersgläubigen debattiert, während in der Außenwelt Gewalt und Anschläge für Aufsehen sorgen. Es geht um alles, suggeriert dieser Film. Über den Vatikan hinaus. Liberale Kräfte sollen sich hier vereinen, um den Aufstieg reaktionärer Kräfte zu verhindern. Die Parallelen und Anspielungen zur Gegenwart liegen auf der Hand. Das ist plakativ in Spielszenarien übersetzt und verweist immer wieder auf die eigenen Referenzen, damit es auch die letzte Person im Kinosaal verstanden hat. Und vielleicht gaukelt einiges davon mehr Substanz vor, als am Ende in den Dialogen lauert. Aber es ist ebenso höchst unterhaltsam, kurzweilig und mitreißend anzusehen! Spätestens in der finalen Polemik, die die alten Strukturen mit ihrem eigenen irrationalen Feindbild aus dem Innern heraus konfrontiert.

Und „Konklave“ bietet eine Reihe großartiger Einzelmomente, die in diesem Kinojahr im Gedächtnis bleiben, weil sie so pointiert geschrieben, montiert und inszeniert sind. Etwa wenn Ralph Fiennes in der eröffnenden Rede seiner Figur ein mahnendes Plädoyer für den Zweifel als Keimzelle des Glaubens formuliert. Er verweist gleichermaßen auf das Transzendente wie auf die unmittelbar vor einem liegenden Lügen und Wahrheiten. Schnitt: Da sitzen sie nun, die älteren Herren und glotzen streng und argwöhnisch.

„Konklave“ läuft ab dem 21. November 2024 im Verleih von Leonine in den deutschen Kinos.

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