In Kürze startet die zweite Staffel von „House of the Dragon“ und entfesselt ein brutales Kriegsepos. Ein spoilerfreier Ersteindruck zu den neuen Folgen.
Wahrscheinlich wird sich auch in diesem Franchise irgendwann Müdigkeit einstellen. So ist es schließlich bei den meisten Formaten und Universen, die immer weitergesponnen, immer weiter ausgepresst werden, bis sie ohne viel Aufhebens verschwinden oder untot neben zahlreichen anderen Serien und Filmen ihr Dasein fristen. „Game of Thrones“ und seine Vorgeschichte „House of the Dragon“ zählen zu den erfolgreichsten und populärsten Shows der Welt. Der verzweigte Medienverbund, basierend auf dem Roman-Kosmos von George R. R. Martin, wächst munter weiter und man spürt beim Sehen den Druck und die Akribie, mit der hier versucht wird, die perfekte Markenware, die perfekte Produktkunst zu kreieren.
Schon in der ersten Staffel von „House of the Dragon“ war zu spüren, wie sorgfältig überlegt wurde, möglichst alle Zutaten und Versatzstücke so zu arrangieren, dass sie allen Zuschauern das geben, was „Game of Thrones“ einst zum Riesenerfolg werden ließ. Bloß niemanden verärgern! Man fesselt das Publikum mit dem Bekannten und Bewährten vor die Bildschirme. Um einen Bruch mit den Regeln, Experimente oder eine Konfrontation mit irgendetwas Neuem geht es dort längst nicht mehr. Und auch der Auftakt der bald startenden zweiten Staffel von „House of the Dragon“ lässt eine perfekt geölte Maschinerie erkennen, die zwischen großem Spektakel und schwermütigem Kammerspiel, zwischen pathetischer Seifenoper und brutalem Kriegsfilm, kalkulierten Internet-Memes und Schockmomenten, purem Fanservice und politischen Ambitionen changiert. Alles, um sich schnell wieder ins Gespräch zu bringen.
„House of the Dragon“ beschwört erneut die Glanzzeiten von „Game of Thrones“
Es kann sich dabei eine gewisse Ernüchterung einstellen. Es ist nun einmal so, dass „House of the Dragon“ nach so vielen Jahren, die man in der Welt von George Martin verbracht hat, prinzipiell nach Schema F abläuft. Und die Serie wird einen Teufel tun, neue Mechanismen und Erzählungen zu entwickeln, solange sie so erfolgreich ist. Es kann sich aber ebenso, sofern man dieser Serien-Welt auch nur ansatzweise wohlgesonnen und an ihr interessiert ist, eine große Erleichterung und Begeisterung einstellen. Denn in den bewährten Strukturen bietet die neue Staffel „Game of Thrones“-Unterhaltung auf höchstem Niveau. Sie beschwört ihre Qualitäten mit großem inszenatorischen Geschick und dürfte, rein spekulativ, alle Fans mehr als nur zufriedenstellen.
Die Welt der Sieben Königslande hat sich ewig nicht so lebendig angefühlt wie im Auftakt dieser zweiten Staffel, nachdem gerade am Ende von „Game of Thrones“ alles nur noch um möglichst straffes Abhaken von Handlung ging, die ganze Welt ausgeblendet und auf wenige Figuren verengt wurde. Die zweite Staffel von „House of the Dragon“ setzt nun die Stärke der ersten fort, sich wieder etwas vom Spektakel zu entfernen und zu den ursprünglichen Stärken von „GoT“ zurückzukehren.
Reichhaltige Fantasy-Welt
Über den genauen Einfluss von Schöpfer und Co-Showrunner George R.R. Martin kann man von außen nur spekulieren, doch „House of the Dragon“ erzählt nah an der Reichhaltigkeit von Martins Romanen. Die Serie zeigt eine Lust an mitreißenden Charaktermomenten und an der Abschweifung, hier und dort umherzuwandeln, Details, Milieus und Kulturen zu entdecken, bei Arm und Reich vorbeizuschauen, Figuren und Häuser aus allen Himmelsrichtungen auftreten zu lassen, auch wenn sie für den Antrieb der Handlung gar keine allzu wichtige Rolle spielen.
Das kann man behäbig und aufgebläht empfinden, verleiht der ganzen Geschichte um den Bürgerkrieg, den das Adelsgeschlecht der Targaryen vom Zaun bricht, eine große Komplexität. Sie lässt die Ausmaße und weitreichenden Konsequenzen spüren, mit der hier eine Partei nach der anderen in Gewalt verwickelt wird. Am Ende werden alle darunter leiden müssen. Wer die Romanvorlage kennt, dürfte ahnen, von welcher Bedeutung es ist, solche Dimensionen zu eröffnen, anstatt auf bloße Ökonomie zu setzen.
Darum geht es in den neuen Folgen
Vier von insgesamt acht Episoden hat Warner Bros. der Presse vorab gezeigt. Dazu gibt es ein ganzes Dokument mit Plot-Punkten, die in Besprechungen möglichst nicht verraten werden sollen, um das Publikum im Ahnungslosen zu lassen. Das umfasst im Grunde alle Elemente und Details, die das Handlungsgerüst und die auslösenden Momente dieser zweiten Staffel formen, was eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den Inhalten der Show vorerst erschwert.
Um also Zuschauern die Möglichkeit zu geben, die Episoden erst selbst zu entdecken, sei nur knapp rekapituliert: Die zweite Staffel von „House of the Dragon“ setzt am Beginn eines aufziehenden Krieges ein. Zuletzt wurde Rhaenyra Targaryen von der Sippschaft ihrer Jugendfreundin um den Thron betrogen und ihr Sohn kam gewaltsam ums Leben. Wenige Tage nach Ende der ersten Staffel formieren sich nun endgültig die Fronten, werden Armeen versammelt, Pläne geschmiedet, Intrigen und Attentate vollzogen. Und selbst innerhalb der Fraktionen richtet sich eine Figur gegen die andere. Man sägt am Ast der Vertrauten, um am Ende die eigenen skrupellosen Pläne, Rachefantasien und Machtansprüche umzusetzen.
Packende Charaktermomente und Dialoge
Wer damit gerechnet hat, dass die zweite Staffel mit einer Schlacht und Actionszene nach der anderen loslegt, wird schnell ausgebremst. Zwar steuert schon die erste Hälfte der Staffel auf eine große, brutale Konfrontation zu, die es in sich hat, doch der Großteil der Episoden beschäftigt sich weiterhin mit zwischenmenschlichen Dramen und verdichteten Dialogen, in denen Figuren ihre nächsten Schachzüge diskutieren, Verluste betrauern, über ihre inneren Dämonen und Ängste grübeln und überlegen, ob sie den Konflikt eskalieren sollen, oder ob sich noch irgendeine Möglichkeit der Diplomatie ergibt. Quasi wie in unserer echten Welt!
Nicht jeder Handlungsstrang überzeugt dabei gleichermaßen, nicht mit allen Figuren weiß die Serie gekonnt umzugehen. Manche erhalten weniger Substanz als andere, manche werden schroff herausgeschrieben oder an Schauplätzen aufgestellt, die sie vom eigentlich interessanten Rest des Geschehens unnötig isoliert. Dennoch enthält Staffel 2 von „House of the Dragon“ jetzt schon einige der spannendsten und intensivsten Dialogszenen, die man in der Fantasy-Saga bislang erleben konnte.
„House of Dragon“ rückt noch näher an unserer Gegenwart
HBO präsentiert hier eine Serie über das lähmende Gefühl und die empfundene Ohnmacht unserer Zeit, in der Menschen vom Krieg sprechen, als handle es sich um eine unausweichliche Naturgewalt, um ein notwendiges und unausweichlich aufziehendes Übel. Nur weil sich der naheliegendste Ausweg vielleicht verschlossen hat und die Fantasie nicht ausreicht, um einen ganz anderen politischen Weg einzuschlagen. „House of the Dragon“ führt eine Welt vor, die ein alternatives Nachdenken über politische Interaktion und Zusammenarbeit oder gar einen Systemwechsel verabschiedet hat. In den festgefahrenen alten Bahnen richtet sie sich selbst zu Grunde, bis alles in Flammen steht und Blut und Feuer vom Himmel regnen.
Mit ihrer Spiegelung von Drohungsszenarien, brutalen Bildproduktionen, Kriegspropaganda und Bekenntniszwängen ist die Serie noch näher und beklemmender an unsere Gegenwart gerückt. In den ersten Episoden der zweiten Staffel dreht sich alles darum, Menschen auf Gewalt einzuschwören, Feindbilder zu festigen und Zugehörigkeiten sowie ein schlichtes Schwarz-Weiß-Denken zu erzwingen. Wer sich nicht zu der einen oder anderen Seite bekennt, wird im Zweifelsfalls aussortiert. Dass im Kern niemand dabei gewinnen kann, zeigen schon die ersten Episoden mit regelrecht apokalyptischen Eindrücken. Die Wartezeit auf Nachschub gestaltet sich, wie in den besten Zeiten von „Game of Thrones“, mit einer Mischung aus Neugier und selbstkasteiender Schreckenlust. Man ist verstört und wartet auf weiteres Entsetzen. Eine endzeitliche Serie.
Die zweite Staffel von „House of the Dragon“ startet in Deutschland in der Nacht vom 16. zum 17. Juni 2024 parallel zur US-Ausstrahlung. Jede neue Folge kann man wöchentlich bei Sky und Wow sehen. Die erste Staffel kann man ebenfalls bei Wow abrufen.
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