Mit „Die schwarze Königin“ endet die erste Staffel von „House of the Dragon“ auf einer äußerst beklemmenden Note. Ein Statement gegen den Krieg.
Das Finale der ersten Staffel ist eine Folge, die dem Publikum zum Glück das verwehrt, was zuletzt effektgierig angekündigt wurde: heroische Kriegsbegeisterung. Allzu leicht wurden in der neunten Folge die Fronten geklärt: die unsympathischen grünen Thronräuber hier, die epischen Girlbosses auf der anderen Seite, die mit Drachen durch Böden bersten und nonverbal versprechen, sich die Krone zurückzuholen – für die eigene Ehre, die Familienbande, für all die Targaryen-Fans vor dem Bildschirm, die trotz aller Ambivalenzen der Hightower-Grünen recht offensichtlich in ein bestimmtes Lager gedrängt wurden. Und was ist davon geblieben? Ein mulmiges Gefühl, ein bedrohliches Zittern, finstere Aussichten, mit denen diese ersten zehn Episoden von „House of the Dragon“ enden.
Eine vorzeitige Enthüllung
HBO hatte mal wieder ein Sicherheitsleck. Bereits vergangene Woche erschien das Staffelfinale vorzeitig im Netz. Zwar setzte der Sender alle Hebel in Gang, die Raubkopien aus dem Verkehr zu ziehen, doch das Vorhaben erwies sich natürlich als aussichtslos. Überall kursierten Clips aus der neuen Episode, Fans tauschten sich aus – und empörten sich. Die ersten Stimmen, die in den sozialen Netzwerken zu lesen waren, präsentierten sich mitunter erstaunlich verstimmt. Zu groß seien die Abweichungen von der Figurenzeichnung der literarischen Vorlage, zu hilflos und weichgezeichnet die Heldinnen und Helden, die einige um ihre düsteren, machthungrigen Seiten betrogen sehen.
Nun ist es immer eine Frage der Repräsentanz. Was ist schon zu geben auf einzelne Versprechen auf Twitter, der Serie deshalb den Rücken kehren zu wollen? Welche Aussagekraft besitzt dieses oberflächlich zu vernehmende Stimmungsbild überhaupt für die Rezeption der Serie? Zumal allerlei Lob ebenso zu vernehmen war. Schwer zu beantwortende Fragen sind das und doch lohnt gerade eine Auseinandersetzung mit vielen kritischen Stimmen, weil sie einen Konflikt widerspiegeln, mit dem die Serie selbst zu kämpfen haben wird.
Starkes Staffelfinale
„Die schwarze Königin“ (im Original „The Black Queen“) ist eine hervorragende Episode. Nicht nur, weil sie über eine enorme Spannung verfügt, Stück für Stück eine Eskalation durchspielt, die am Ende jede zuvor bemühte Moral auf schwere Proben stellt. Sondern auch deshalb, weil sie einen notwendigen Schritt unternimmt, der eigenen Faszination für den Bürgerkriegsstoff kritisch zu begegnen.
Empört wurde sich im Netz zum Teil über den vermeintlichen Gesinnungswandel der Daemon-Figur, der in dieser Folge seine wankelmütige, impulsive Seite auslebt, seine Frau würgt, am liebsten sofort in den Krieg ziehen würde. Leute scheinen in seinem charismatischen Charakter ihren strahlenden Helden sehen zu wollen. Er ist ein Internet-Meme geworden. Dabei hat ihn die Serie von Anfang an als eiskalten Mörder und intriganten Narzissten eingeführt. Nun können sie nicht ertragen, ihn nach einigen sympathischen Zwischenspielen wieder in diesen Rollen zu erleben. Auch die Drehbuchautorin Sara Hess hatte sich jüngst zu der verqueren Fanliebe geäußert.
Reine Opferfiguren in „House of the Dragon“?
Und einige Fans können offenbar ebenso wenig ertragen, dass die Serie aus der nun zur Königin-Konkurrentin erklärten Rhaenyra Targaryen nicht allein eine Machthungrige, Entschlossene gemacht hat, sondern eine Zögernde, Besonnene, die zwar auf Planung und politische Interessen, aber auch Deeskalation zu setzen versucht. Diplomatie als Stärke. Was in diesem Staffelfinale geschieht, ist nicht allein mit identitätspolitischen Interessen zu erklären. Einige kritisierten da im Netz, es würde in der Serie nur darum gehen, Frauen als Opfer von Männern und anderen äußeren Umständen zu zeigen.
Das mag nicht gänzlich aus der Luft gegriffen zu sein, trifft aber nicht den Kern dieses Staffelfinales, das Krieg an sich als Spirale zerstörerischer Eigendynamiken, als Zustand permanenter Provokationen, (Re)Aktionen, fataler Fehltritte und Missverständnisse porträtiert. Das meint vor allem den Einsatz von Massenvernichtungswaffen. Die Parallele der Drachen zu realen atomaren Bedrohungsszenarien muss an dieser Stelle wohl kaum noch einmal herausgearbeitet werden. Rhaenyra Targaryen weiß, dass die Welt brennen wird, schickte man diese monströsen Wesen in den Kampf, auch wenn ihr Onkel und Gemahl Daemon auf die eigene Überlegenheit verweist.
So ist nur folgerichtig, wie „House of the Dragon“ seinen finalen Schockmoment, den gefressenen Sohn der Königin, gegenüber der Vorlage umschreibt. Kein bewusster kriegerischer Akt ist hier zu sehen, sondern ein dummes Kräftemessen unter Jungen, das die eigenen Folgen noch nicht abwägen kann. Der zerstörerischen Kraft ihrer Waffen sind sie nicht gewachsen, unkontrolliert zermalmen sie die Welt zwischen ihren Zähnen. Ihre Hinterbliebenen lassen jeden moralischen Kompass ausschlagen, eine Gegenreaktion muss nun her, die Friedenspläne sind gescheitert. Und auch Daemon, der an diesen Waffen festhält, blickt letztlich nur einer wilden Bestie mit ungewissem Ausgang ins Gesicht.
Drachentanz als Horrorfilm
„House of the Dragon“ wählt die richtigen Töne für diesen letzten bedrohlichen Akt. Er zeigt die Begegnung zwischen den Drachen, den eröffneten Tanz, als Horrorfilm. Mit schemenhaften Monstren im Gewitterhimmel, schaurigem Brüllen aus der Dunkelheit. Man fühlt sich ein wenig an Gareth Edwards „Godzilla“-Remake von 2014 erinnert, das ebenfalls mit solchen apokalyptischen Bedrohungsbildern gespielt hat.
Von den Figuren die Bösartigkeit, dieses kompromisslose Machtstreben einzufordern, das in George R.R. Martins Literaturkanon angelegt sein mag oder nicht, folgt der Logik einer toxischen Gewaltlust im Entertainmentformat, einer reinen Lust am Spektakel und am Eindeutigen. Dass Fans der Targaryens nun teils stolz verkünden, kommende Kriegsverbrechen im Geiste zu unterstützen, ist eine finstere Pointe, eigentlich auch ein Missverständnis dieser Staffel. Eine moralische Kritik, eine Selbstbefragung erscheint hier notwendig.
Na klar, die Serie selbst trägt eine Schuld daran, schließlich arbeitet sie genau mit solchen Reizen. Aber sie ist trotz aller Abgründigkeiten und Sympathieverschiebungen bisher kein unmoralisches Format, sondern eines – und das ist ihm hoch anzurechnen – das anhand eines feststehenden Ausgangs, der Gewalt, versucht hat, ein System zu durchleuchten, die wahnsinnige Logik und Geschichtsvergessenheit, die erst dazu führen, mit einigen klugen Kniffen und Verwechslungen zu entlarven.