Die dritte Episode von „House of the Dragon“ zeigt die erste große Schlacht der Serie, aber auch eine erzählerische Entscheidung, die Ernüchterndes ahnen lässt.
+++ Der folgende Artikel enthält Spoiler zur Handlung der Episode. +++
Man mag es kaum aussprechen, diese böse Begrifflichkeit, aber sie drängt während dieser Folge ins Gedächtnis: Staffel 8. Während sich die spannende erste und die nicht minder gelungene zweite Episode von „House of the Dragon“ auf alte Stärken der Mutterserie „Game of Thrones“ beriefen, geschehen dieses Mal Dinge, die an jene unrühmlichen Tage erinnern, mit denen das Fantasy-Epos von HBO zahllose Fans gegen sich aufbrachte. Die Verwunderung folgt schon mit der zeitlichen Datierung. Abstände in der Chronologie werden größer. Reine Funktionalitäten gewinnen offensichtlich an Bedeutung, ohne ein produktives Ziel erkennen zu lassen. Waren schon zwischen den ersten beiden Folgen mehrere Monate vergangen, unternimmt die neue Episode mit dem Titel „Second of His Name“ einen noch viel größeren Zeitsprung. Über zwei Jahre sind plötzlich vorbei.
Gerade erst fingen die Konflikte an zu brodeln. Sie nahmen Gestalt an, erlangen Substanz. Da verschworen sich Corlys Velaryon und Daemon Targaryen, wurde die Freundschaft zwischen Rhaenyra Targaryen und Alicent Hightower entzweit. Letztere sollte ihre neue Stiefmutter werden. Doch von jetzt auf gleich überspringt „House of the Dragon“, wie sich dieser Konflikt unmittelbar im Anschluss entfaltet. Er wird weiterhin eine Rolle spielen, gewiss, doch die Fantasyserie lässt schon jetzt einen Mechanismus erkennen, der die eigene Erzählstruktur in die Enge treibt.
Erlegte Tiere und Familienstreit
Schon klar, „House of the Dragon“ hat als Verfilmung eines Geschichtsbuches jede Menge Stationen und Daten abzuarbeiten, um zu ihrem zentralen Konflikt, dem Targaryen-Bürgerkrieg, überhaupt durchdringen zu können. Man kann aber nicht einfach zu irgendwelchen Handlungspunkten in der Zeitlinie springen, zwischenmenschliche Konflikte fortsetzen, als wäre zwischendrin nichts passiert. Wieder geht es um den Konflikt zwischen dem Bewahren von Traditionen und ihren Reformen. Rhaenyra soll verheiratet werden. Nachts flieht sie mit ihrer neuen Wache, Ser Criston Cole. Angestauter Frust entlädt sich in einer tierischen Überwältigung, einem Akt spontaner Gewalt. Und ihr Vater auf der anderen Seite, der vollzieht das Erlegen als Ritual. Es ist Jagd-Saison in Westeros. Mit dem ausblutenden Tier erneuert der schwächelnde König seine Macht.
Während solche schwelgerischen kleinen Charaktermomente schon jetzt von der zunehmend undurchschaubaren Zeitstruktur im Großen überlagert sind, erlaubt sich Folge 3 den größten Fehltritt am Schluss: im ernüchternden Abschneiden von Handlungen. Genau das kannte man aus den letzten Staffeln von „Game of Thrones“. Immer häufiger wurde überhastet reiner Tisch gemacht. Was sorgfältig aufgebaut wurde, fiel den Notwendigkeiten der Dramaturgie zum Opfer. Zeit ist bekanntlich knapp und sie ist Budget. Dabei war er so eine spannende Figur, der sogenannte Crabfeeder (dt. Krabbenspeiser). Man durfte ihn gerade erst kennenlernen, nun wird er bereits wieder mit Schwert und Drachenfeuer aus der Handlung entsorgt, um die Geduld des Publikums im Warten auf Spektakel nicht in die Länge zu ziehen, um fix Anstoß für ein neues Kapitel zu liefern.
Eine spannende Figur wird geopfert
Eine unheimliche, stumme Erscheinung war das mit ihrer Maske, dem deformierten, unsichtbaren Gesicht, das darunter nur schemenhaft erkennbar war. Eine Heimsuchung der Sieben Königslande. Da sind noch andere Mächte irgendwo, Leerstellen im System. Der Krabbenspeiser hat diesen blinden Fleck mit wunderbar schauriger Präsenz verkörpert. Nun ist er Geschichte. Es ist noch nicht einmal so, als würde die große Actionsequenz, mit der „House of the Dragon“ in dieser Woche diesen Handlungsstrang abschneidet, eine sonderlich große Kraft entfalten.
Drachenfeuer auf dem Schlachtfeld, das war in „Game of Thrones“ genau ein einziges Mal spannend, als man zum ersten Mal die vernichtende Kraft dieser Waffe zu spüren bekam, als zwei Parteien, Daenerys Targaryen und Jaime Lannister, aufeinander losgingen. Bei der man nicht wusste, wem von beiden man die Daumen drücken soll. In „House of the Dragon“ ist das anders. Da haben sich Sympathien überhaupt noch nicht eindeutig verteilen, keine spürbare Fallhöhe entwickeln können, um solche Effekte zu erzielen. Da ist keine Spannung in der plötzlich herbeikonstruierten Eskalation, es fehlt schon nach drei Episoden an Zeit. Es dominiert aktuell die Irritation.
Alle Besprechungen zu „House of the Dragon“ im Überblick:
- Ersteindruck zur Serie: Folge 1-6
- „House of the Dragon“-Auftakt im Rückblick: Eine schwere Geburt
- „House of the Dragon“ geht packend weiter: Folge 2 übertrifft den Auftakt
„House of the Dragon“ ist seit dem 22. August bei Sky zum Streamen verfügbar. Jeden Montag erscheint eine neue Episode. Weitere Infos zur Ausstrahlung gibt es hier.
Eine Vorschau zur bevorstehenden vierten Episode gibt es hier:
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Bildquelle:
- viserystargaryen: Sky