„Horizon“ von Kevin Costner: Ein Wildwest-Schnarchfest

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Kevin Costner auf einem Pferd
Foto: Tobis Film

Kevin Costner versucht sich mit der vierteiligen Western-Saga „Horizon“ an einem epischen Spätwerk. Der Auftakt überzeugt kaum.

Hollywood-Star Kevin Costner („Yellowstone„) setzt noch einmal alles auf eine Karte. Noch einmal strebt er nach dem ganz großen Western-Epos. Über die finanziellen Schwierigkeiten, Unkosten und Fallhöhen rund um das Projekt waren schon lange vor Kinostart diverse Meldungen zu lesen. Ein Herzblutprojekt sollte das werden und eine Feier des Genres. Nicht aber, wie man es etwa in „Open Range“ oder „Der mit dem Wolf tanzt“ anhand eingegrenzter Plots und Charakterdramen erleben konnte. Nein, ein Epos, Gesellschaftspanorama, historischer Abriss und Querschnitt will „Horizon“ sein.

Kapitel 1, das nach seiner Weltpremiere in Cannes und einem holprigen US-Start nun in Deutschland anläuft, ist bereits drei Stunden lang. Der zweite Teil, der im November in die Kinos kommt, besitzt eine ähnliche Länge. Zwei weitere Teile sind noch nicht einmal gedreht und sollen später folgen. Und es schmerzt sehr; man will Costner sein imposantes Spätwerk gönnen. Es besitzt schließlich alle Ambitionen und Zutaten dafür. Nur: Der erste Teil von „Horizon“ ist eine filmische Schlaftablette sondergleichen.

"Horizon" zeigt die Besiedelung Amerikas
Foto: Tobis Film

„Horizon“ reanimiert die großen amerikanischen Mythen

Der Film erzählt mit langem Atem noch einmal von der Besiedelung, Zähmung und Eroberung des sogenannten Wilden Westens. Er zeigt die Strapazen, die die Menschen auf sich nehmen, um mit wenigem Hab und Gut in die Fremde zu ziehen, wo sie sich eine Zukunft, ein zivilisatorisches Großunterfangen versprechen. Er zeigt die Grenzen und Herausforderungen dessen, beleuchtet die Gewalt, die in der Konfrontation zwischen Siedlern und Ureinwohnern immer wieder hochkocht. Die Ur-Stunden der USA: eine Geschichte der Aufopferung. Gleich zu Beginn, kaum ist das Land vermessen, sind die ersten Pfähle in den Boden gerammt, inszeniert Costner einen brutalen Apachen-Überfall auf eine Siedlung. Alles steht in Flammen, Leichen pflastern den Boden. Eine Frau und ein Kind verstecken sich unter der Erde und atmen mühsam – das stärkste Bild des Films – durch den Lauf eines Gewehrs.

Das große Problem ist nicht einmal der konservative bis reaktionäre Gestus, mit dem Costner die etablierten, eigentlich längst differenzierter, kritischer analysierten USA-Mythen reanimiert. Es ist eine spürbare Überforderung, diese mitreißend aufzubereiten. Aus verschiedenen Zugehörigkeiten, Konfliktnetzen und sozialen Schichten pflückt sich „Horizon“ einzelne Charaktere und Schicksale heraus. Rachegeschichten, Landraub, Romanzen, Familiendramen, Abenteuer-Motive – die erzählerischen Fäden werden im Laufe der drei Stunden immer länger, immer verstreuter und verheddern sich unaufhaltsam, weil es der Film kaum schafft, einen auch nur für eines dieser Schicksale wahrhaftig zu interessieren. Prominente Darstellerinnen und Darsteller wie Sam Worthington, Sienna Miller oder Costner selbst erscheinen und verschwinden und bleiben alle blass.

Apachen in Horizon
Foto: Tobis Film

Wirres Figuren-Potpourri

Man hat Mühe, auch nur einen einzelnen Namen zu behalten, so konfus schneidet der Film zwischen seinen Handlungssträngen hin und her. Keine Dynamik in den Dialogen, kein Spannungsbogen will sich einstellen. Selbst an den faszinierenden, traditionsbewussten Landschaftsbildern hat man sich irgendwann sattgesehen, weil Costner als Regisseur, Ko-Autor und Hauptdarsteller und sein Kameramann James Michael Muro kaum Mittel finden, Bilder und Ästhetiken zu entwerfen, die sich über reine Denkmalpflege und visuelle Klischees hinwegsetzen.

Wenige Höhepunkte wie der nächtliche Ritt am Rande einer Klippe bleiben kurze, vorübergehende Schlaglichter, ehe es wieder in das Ausbreiten behäbiger Plots geht. Ein Western wie „The Dead Don’t Hurt“ von Viggo Mortensen ist jüngst mit wesentlich geringeren Mitteln viel bildgewaltiger und origineller mit seinen klassischen Motiven verfahren. Auch Kevin Costner hat schon bedeutend aufregender inszeniert! Nehme man doch einfach „Der mit dem Wolf tanzt„. Dieser Film birgt auch heute noch Bilder und Szenen, beispielsweise die Büffeljagd, die sich sofort einbrennen, an die man sich zurückerinnert. Bei diesem neuen Werk dürfte das kaum der Fall sein.

Eine Reiterkolonne in Horizon
Foto: Tobis Film

Ein langer Trailer für den zweiten Teil

„Horizon“ will zwar das große Kino-Epos sein, ist aber in seinem Auf- und Abtreten von Figuren weitgehend wie eine TV-Serie, bisweilen wie eine historische Seifenoper inszeniert. Ohnehin, der Vergleich zum Fernsehen liegt aufgrund der episodischen, auf Fortsetzung ausgelegten Erzählform nahe. Er wurde schon in vielen Filmkritiken bemüht. Warum „Horizon“ nicht tatsächlich als Fernsehserie konzipiert wurde, erschließt sich nach diesem Auftakt kaum. Es hätte vielleicht sogar geholfen, etwas mehr Fokus, Konzentration in die Dialoge zu bringen, den Konflikten mehr Raum und Substanz zu verleihen. So verläuft alles unbefriedigend in eine Leere. Eine Vertröstung.

Noch bevor Teil 1 dieser „Amerikanischen Saga“ einen Höhepunkt erfährt, gehen seine Szenen in einen langen Trailer über, der auf den zweiten Teil einstimmen soll und mehr vom Gleichen verspricht. Wenn man ehrlich ist: Selbst dann, wenn dies die ersten drei Episoden einer TV-Serie wären – Sie machen nicht unbedingt Lust auf das Weiterschauen. Weil sie so schleppend, wirr und ziellos, so ermüdend Altbekanntes in zahmen Szenen wiederkäuen. Die ewige Exposition von „Horizon“ findet kein Halten, keinen Anker. Sie bleibt ein Fass ohne Boden und eine große Enttäuschung in diesem Kinojahr. Aber wer weiß, was Costner für die kommenden Teile noch in petto hat.

„Horizon“ läuft seit dem 22. August 2024 in den deutschen Kinos.

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25 Kommentare im Forum
  1. Ich habe vorhin woanders gelesen, dass in den USA wohl von 120 Millionen bis jetzt nur knapp 40 Millionen eingespielt wurden. Den Film hat man angeblich wieder raus genommen und Teil 2 erstmal verschoben. Kevin Costner hat wohl viel von seinem Vermögen da rein gesteckt. Es zählt halt nur der Umsatz. Im Gegenzug wurde berichtet, dass in den USA gerade ein Westernhype entstanden ist. Yellowstone? Nur das Thema guter Weißer, böser Indianer soll durch sein.
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