Das Ansinnen der großen Universal-Filmstudios, nach dem Erfolg von Online-Filmpremieren auch nach Corona an der Veröffentlichungsstrategie festzuhalten, ist für die existenzbedrohte Kinobranche ein Dolchstoß – und könnte ein baldiges Ende der traditionellen Lichtspielhäuser bedeuten.
Die Digitalisierung macht bekanntlich vor nichts halt – auch wenn in so manchem bürokratischen Prozess beizeiten nochmal Zweifel daran erwachen. Nun hat sich über Jahrzehnte des digitalen Wandels und zahlreiche Innovationen im Kontext Medienkonsum die vielleicht älteste Institution auf dem modernen Medienmarkt seit dem Radio tapfer ins 21. Jahrhundert gerettet: Das Kino.
Zugegebenermaßen nicht ohne Probleme und Einbußen haben die Lichtspielhäuser neben der flächendeckenden Einführung der TV-Geräte in den Wohnzimmern, den Leihvideotheken und dem Online-Streaming zum Schnäppchenpreis bisher ihre Sonderposition behaupten können. Schließlich gab es dort traditionell die neuen Blockbuster aus den großen Hollywood-Studios exklusiv zu sehen, bevor die Filme schließlich auf dem DVD-Markt oder im Portfolio der Online-Streamingdienste landeten.
Doch das ist sicher nicht das einzige Alleinstellungsmerkmal des Kinos: Der Zauber von roten Samtvorhängen, steil ansteigenden Besucherrängen und Popcorngeruch in der Luft ist auch mit dem teuersten Heimkino-System kaum zu reproduzieren. Wer es noch aus Kindertagen kennt, voller Vorfreude mit der Eintrittskarte fest in der Hand in den dunklen Saal zu treten, kann sich ein Leben ganz ohne diese besondere Feierlichkeit zwar vielleicht vorstellen – wäre sich aber sicher des beklagenswerten Verlustes bewusst, sollte es irgendwann keine Kinos mehr geben.
Die Kino-Branche steht unter Schock
Nun könnte diese Zäsur viel unmittelbarer bevorstehen, als es selbst die finanzielle Existenzkrise der Kino-Branche durch die anhaltenden Corona-Maßnahmen suggeriert: Da ursprünglich für die Kinoleinwand geschaffene Filme nun im Rahmen der weltweiten Quarantäne-Maßnahmen direkt ihren Weg ins Netz finden und die Universal-Studios nun mit dem Gedanken spielen, auch in Zeiten nach Corona die Filme parallel zum Kinostart online anzubieten, steht die Kino-Branche unter Schock. Das Wegfallen der Exklusivrechte an neuen Filmen wäre für die Lichtspielhäuser wohl sicher der Todesstoß – in den Vereinigten Staaten setzt sich die größte Kino-Kette AMC bereits zur Wehr und kündigt an, Universal-Filme bei einer tatsächlichen Durchführung der parallelen Veröffentlichungsstrategie bestreiken zu wollen. Doch hat das Aussicht auf Erfolg?
Nach dem Online-Erfolg von „Trolls World Tour“ fühlt man sich bei den Universal-Studios wohl darin bestärkt, dem Kino langsam den Rücken zu kehren und den Betreibern keine Exklusivrechte mehr zu gewähren – ein Bruch mit einer für die Kinos existenziell wichtigen Tradition. Sollten andere Produzenten und Studios diesem Beispiel folgen, wäre das Kino in absehbarer Zeit obsolet, der finanziell vergleichsweise aufwändige Betrieb der Lichtspielhäuser schlichtweg unwirtschaftlich.
Geht der Kino-Zauber für immer verloren?
Manche würde es wohl nicht kümmern. Nach Jahren der inhaltlichen Qualitätsflaute aus Hollywood und stetig steigenden Preisen an den Kinokassen mit Zusatzkosten für halbgare 3D-Fassungen blieben viele schon vor Corona lieber zuhause und warteten auf BluRay-Veröffentlichungen – oder glotzten sich durch die unaufhaltsam wachsenden Angebote der Streamingdienste.
Doch wollen wir in Zukunft auch einen neuen Bond-Film zuhause auf der Couch sehen, mit dem Smartphone in der Hand und dem Mikrowellenpopcorn auf dem Schoß? Sind die Weltraumjagden aus „Star Wars“-Filmen auf dem heimischen Fernseher – oder gar iPad – ebenso mitreißend wie auf der großen Leinwand? Wohl kaum. Das Wegfallen der Kinos für besondere Filmerlebnisse wäre ein herber Verlust für die Kulturlandschaft – zukünftige Generationen würden den verblassenden Zauber vergangener Kindheitstage nur noch aus den Erzählungen der Älteren kennen. Auch wenn sich die Welt der Medien in einem stetigen – und vielleicht unaufhaltsamen – Wandel befindet, wäre das wohl eine wirklich traurige Perspektive.
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