Der Deutsche Fernsehpreis wollte sich dieses Jahr neu erfinden: Endlich wieder als TV-Gala, mit mehr Kategorien und neuen Anwärtern. Aus dem Event wurde nichts. Und auch sonst ist der Preis nicht wirklich innovativ.
„Vielfältig und umfangreich wie nie zuvor“ seien die diesjährigen Nominierungen, heißt es in einem Statement des Deutschen Fernsehpreises. Gemeint ist zum Einen das Programm der Preisanwärter. Aber auch die Rahmenbedingungen sind in diesem Jahr anders als zuvor: Nicht nur, dass die Rückkehr zur großen Fernseh-Gala bei RTL mit Rotem Teppich coronabedingt ausfällt. Neuerdings können auch Produktionen für Streamingdienste einen Fernsehpreis gewinnen. Und die Kategorien Unterhaltung und Information wurden in weitere Sparten unterteilt, um noch differenzierter die Leistungen ehren zu können. Ganz schön vielfältig und innovativ, könnte man meinen.
Das ist es aber nur bedingt. Dass Streaming-Produktionen wie „How to Sell Drugs Online (Fast)“ und „Unorthodox“, beide für Netflix, nun auch nominiert werden können, ist nicht wirklich innovativ, sondern zeitgemäß. Streamen ist das neue Fernsehen. Dass die international erfolgreiche Netflix-Serie „Dark“ leer ausging, überrascht jedoch. Unter den Nominierten tummeln sich ansonsten jede Menge altbekannte Gesichter, die bereits in früheren Jahren nominiert waren oder auch gewonnen haben, zum Teil auch mehrmals. Als Beispiele seien genannt: die Drama-Serie „Babylon Berlin“, die Satire „heute-show“, die ModeratorInnen Marietta Slomka und Daniel Hartwich, Unterhaltungs-Regisseur Mark Achterberg mit „Let’s Dance“ sowie das sogenannte Factual Entertainment „Kitchen Impossible“. Und natürlich Joko und Klaas. Ohne Frage können Einzelpersonen und Teams immer wieder aufs Neue tolle Leistungen erbringen. Aber irgendwann reißt es einen dann nicht mehr vom Hocker. Und ob Reality-TV – erstmals als Kategorie dabei – eine Auszeichnung verdient, ist mehr als fraglich. „Das Sommerhaus der Stars“ als Kandidat spricht für sich.
Das deutsche Fernsehen erfindet sich nicht neu
Im Großen und Ganzen hat man alles so oder so ähnlich schon einmal gesehen. Bekannte Konzepte und Charaktere. Zum Teil gelungen, zum Teil zum Fremdschämen, immer irgendwie erwartbar. So ganz stimmt das natürlich nicht. Da ist zum Beispiel der „Tatort: Murot und das Murmeltier“, der gekonnt aus den Konventionen des deutschen Sonntagskrimis ausbricht. Oder die bereits erwähnte Netflix-Miniserie „Unorthodox“ über die Suche einer jungen Jüdin nach Selbstbestimmung, für deren Hauptrolle Shira Haas völlig zu Recht als „Beste Schauspielerin“ nominiert ist. Aber insgesamt erfindet das deutsche Fernsehen sich eben nicht neu. Daran ändert auch ein aufpolierter Fernsehpreis nichts.
Dass der Fernsehpreis in den vergangenen Jahren eher ein Schattendasein gefristet hatte, liegt auch daran, dass es Streitigkeiten um die Gewinner gab: Die einen (Privatsender) verstimmte, dass sie oft leer ausgingen, während die anderen (Öffentlich-Rechtlichen) über die Qualität vieler prämierter Produktionen die Nase rümpften. Letzterer Meinung war bekanntermaßen auch der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki. Seitdem hat sich sehr wohl einiges getan. Und so wollten die Veranstalter mit der TV-Gala 2020 die Versöhnung der Sender feiern – dafür müssen eben Kompromisse gemacht werden. Nominierungen für alle Beteiligten, für alles, was gut läuft, damit der Haussegen nicht wieder schief hängt.
Das bedeutet nicht, dass die nominierten Produktionen per se schlecht und nicht sehenswert sind. Einige Kandidaten haben den Preis auch mehr als verdient, sie laufen in ihrer Kategorie aber mitunter konkurrenzlos (siehe „Unorthodox“). Einen qualitativen Kampf der Meisterwerke sucht man beim Deutschen Fernsehpreis also vergeblich. Und so bleibt die Frage, wie aussagekräftig die Trophäe überhaupt ist.
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