„Eden“: So gut ist der neue Film von Oscar-Preisträger Ron Howard

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Jude Law und Vanessa Kirby in "Eden"
Foto: LEONINE Studios

Ron Howard („Apollo 13“) hat mit „Eden“ eine aufregende reale Begebenheit verfilmt. Aber worum geht es in seinem Survival-Thriller genau?

In den Wirren der 1930er-Jahre trug sich im Pazifik Mysteriöses zu. Eine Gruppe Aussteiger zog sich auf eine einsame Insel namens Floreana zurück. Am Ende waren mehrere Personen tot und/oder vermisst. Gegenseitige Schuldzuweisungen geben bis heute Rätsel auf. Ron Howard, bekannt für Werke wie Rush, A Beautiful Mind und Apollo 13, hat sich der sogenannten „Galápagos-Affäre“ nun angenommen und einen über zwei Stunden langen Film daraus gemacht. Einen hochspannenden Stoff hat sich der Regisseur damit ausgesucht.

Überhaupt gehört „Eden“ zu den interessanteren Werken des Amerikaners, nachdem er in den letzten Jahren etwa für den recht fragwürdigen Netflix-Film „Hillbilly-Elegie“ verantwortlich war. Dieses Drama basierte auf der gleichnamigen Autobiographie des US-Vizepräsidenten J.D. Vance und zelebrierte vor allem mit ein paar abgehalftert und hässlich geschminkten Stars das alte, neoliberale Märchen des Emporkömmlings, der sich aus eigenem Antrieb aus der Armut befreit.

Utopie in der Wildnis Foto: LEONINE Studios

Darum geht es in „Eden“

Howards neues Werk „Eden“ führt nun zunächst über allerlei Texttafeln in sein historisches Szenario ein. Der Arzt Friedrich Ritter (Jude Law) und seine Geliebte Dore Strauch (Vanessa Kirby) haben sich auf die Galápagos-Insel zurückgezogen, wo Ritter an seinem philosophischen Manifest arbeitet. Der Film setzt 1934 ein, als die ersten ungebetenen Gäste auf der Insel erscheinen. Ritter und Strauch sind ein Medienphänomen und eine Legende geworden. Eine Familie hat aus der Presse davon erfahren und will dem Paar nun nacheifern und sich ebenfalls in der Wildnis niederlassen. Und die Situation wird eskalieren, als eine Baronin (Ana de Armas) auftaucht und plant, ein Luxushotel dort zu errichten.

Mitreißend an „Eden“ ist noch nicht einmal das Verführungs- und Intrigenspiel, das alle Beteiligten aufeinander losgehen lässt. Ron Howards Film zieht lange Zeit vor allem mit seiner archaischen Bild- und Klangwelt in seinen Bann. Wiederholt wurde „Eden“ bereits mit dem Überlebenskampf und der Gruppendynamik des Klassikers „Herr der Fliegen“ verglichen und dieser Vergleich kommt nicht von ungefähr. Wer paktiert mit wem, wer erhebt sich über wen, ist hier die Frage. Und am Ende siegt ohnehin die raue, erbarmungslose Natur der einsamen Insel, auf der jede simple Infektion tödlich enden kann. Weder Flora noch Fauna schert das Überleben dieser Aussteiger-Figuren, die selbst um jeden Tropfen Wasser und jede Konservendose voller Essen kämpfen müssen.

Ana de Armas in "Eden"
Eine weitere Fremde gelangt auf die Insel und hat Großes vor. Foto: LEONINE Studios

Düsteres Paradies

Howards Kameramann Mathias Herndl sucht als Überleitung zwischen den einzelnen Sequenzen immer wieder das Ungezähmte des Schauplatzes, die Naturgewalten, das Getier, das überall lauert, den Schmutz, wenngleich sich auch „Eden“ den Eindruck der künstlichen Fertigung nie vollends austreiben kann. Dazu schummern die Bilder in kränklichen Farben. Das vermeintliche Paradies ist oft in eine Dunkel- und Trübheit getaucht, selbst bei gleißendem Sonnenlicht, dass man sich zwischenzeitlich schon fragt, ob der Kinoprojektor womöglich falsch eingestellt wurde. Tatsächlich scheint diese irritierende Verdüsterung aber zum ästhetischen Konzept zu gehören.

Vor allem aber lässt sich der Film Zeit, seine Eskalation anzubahnen. Ron Howard inszeniert einige bedrohliche Momente. Eine Geburt wird etwa zum schweißtreibenden Überlebenskampf, als sich plötzlich wilde Hunde der Gebärenden nähern. Später dann sitzt ein Stich mit dem Messer im wahrsten Sinne des Wortes und die plötzliche Drastik dieser Gewaltdarstellung entfaltet ihre volle Wirkung, um dem Film seinen zentralen Kippmoment zu verleihen. Nur, was kommt danach?

Ana de Armas an einem Tisch in Eden
Ana de Armas als intrigante Baronin Foto: LEONINE Studios

Zwischen Gedankenspiel, True Crime und Historiendrama

Ron Howards „Eden“ schwächelt letztendlich dann, wenn seine parabelartige Erzählweise mit den realen historischen Begebenheiten kollidiert. Er kann sich kaum entscheiden, ob er nun einfach ein True-Crime-Rätselraten betreiben will, das sich selbst und dem eigenen Schauer-Effekt genügt, ob er etwas konkret Historisches über die Zeit zwischen den zwei Weltkriegen erzählen oder diese Punkte und Hintergründe nur als Anlass wählen will, um etwas Größeres, Allgemeingültiges daraus zu stricken. Dass jene historische Zeit und Epoche hier vor allem als Rückfall in einen archaischen Naturzustand auf die Leinwand gebracht wird, kann man als verknappt und oberflächlich abstempeln.

In der Tat entwickelt sich daraus aber ein interessantes und immer wieder neu ansetzendes Suchen nach einer Utopie. Ron Howards Film bietet diesbezüglich verschiedene Ansätze an, egal ob man jene Utopie nun im Rückzug in das Häusliche, Familiäre zu sehen glaubt, in der Macht des Kapitals, im Reichtum oder aber in einer Philosophie des Schmerzes, die vielleicht von dem faschistischen Weltbild, vor dem man floh, gar nicht so weit entfernt ist, wie sie es selbst gern wäre.

Daniel Brühl baut ein Haus in EDEN
Daniel Brühl in „Eden“ Foto: LEONINE Studios

„Eden“ bleibt eine rätselhafte Anordnung

Während all diese Gedankenspiele nun in der sinnbildlichen Gewalt untergehen und nur ihre Überreste und allerlei widerstreitende Informationen übrig bleiben, lässt auch der Film den Eindruck der Ratlosigkeit zurück. Viele Teile werden hier ausgebreitet, die am Ende kein wirklich aufschlussreiches, sonder vielmehr ein fragmentarisches, ein ungeschliffenes Gesamtbild ergeben wollen. „Eden“ handelt von einem Untergang und einem Weiterbestehen des Paradieses, von einer Weltflucht und deren Unmöglichkeit zugleich. Und der Gedanke der Zivilisation selbst steht plötzlich auf dem Prüfstand.

Am Ende stehen allerlei Fragezeichen, die der Film längst mit Ausrufezeichen in seiner Fiktion beantwortet hat. Und mit weiteren Texttafeln verbannt sich „Eden“ zurück in den Charakter einer unzuverlässigen Geschichtsstunde, die kurzzeitig ihre Tore zu einer anregenden Gedankenwelt geöffnet hat, aber sie bereits wieder schließt, ehe man nur wenige Schritte in ihr Innerstes setzen konnte. „Eden“ ist ein verstörendes Werk. Ob das eine Qualität oder Schwäche seiner Erzählung ist, darüber gibt ein erstes Sehen nur bedingt Aufschluss.

„Eden“ läuft ab dem 3. April 2025 in den deutschen Kinos.

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