„Dune: Prophecy“: Warum das Finale enttäuscht

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Tula Harkonnen
Foto: 2024 Warner Media, LLC. All Rights Reserved.

In Spielfilmlänge endete am Montag die erste Staffel von „Dune: Prophecy“. Das Finale fühlt sich wie ein großer Schwindel an.

„Schwesternschaft über alles“, lautete die Parole in „Dune: Prophecy“. Sechs Folgen lang hat sich die Serien-Vorgeschichte zu den „Dune“-Filmen alle Mühe gegeben, allerlei Ambivalenzen rund um diesen Spruch zu konstruieren. Zwischen einer Vision und ideologischer Verblendung, Verbesserungsglaube und Tyrannei führt oft ein schmaler Weg entlang. Das war Thema von „Dune“ und es ist ebenso Thema das Prequels. „Prophecy“ hat es geschafft, sein Publikum an die führenden Köpfe eines Strippenzieher-Ordens zu binden, die mit erbarmungsloser Gewalt nach ihren Zielen streben.

Der Reiz der Serie besteht im Taktieren, Planen und Intrigieren. Zugleich weiß man um die Abgründigkeit des Gezeigten, das Unheil, das die vorgeführte politische Konstellation über alle Beteiligten bringt. Spätestens dann, wenn man die „Dune„-Geschichte und diese Serie gedanklich miteinander kommunizieren lässt. Das, was nach dem Menschen kommt, dieser Zeit und Raum übergreifende Geist, nach dem der Frauenorden der Bene Gesserit in seinem Zuchtprogramm steht, entpuppt sich immer mehr als Hirngespinst, das nach Entfesselung sucht, aber allen Menschen neue Fesseln anlegt.

Der Imperator und seine Ehefrau in "Dune: Prophecy"
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„Dune: Prophecy“ erzählt von Unfreiheit

Vielleicht sind das die spannendsten Momente in „Dune: Prophecy“, wenn sich Charakter als reine Schachfigur erkennen, als kleine Zahnräder, die von Kräften in Gang gesetzt werden, denen sie nicht gewachsen sind. Jedes Aufbäumen enthüllt nur neue Ausmaße der eigenen Ohnmacht. In einem rund 80 Minuten langen Finale hat die erste Staffel dabei einen interessanten Knackpunkt des „Dune“-Universums neu aufgelegt. Der Kampf um eine unmittelbare Gegenwart bestimmt die losen erzählerischen Fäden dieser Welt.

Die sogenannte Hauntology, also Heimsuchungslehre, ist ein zentrales kulturelles Thema unserer Zeit. Gemeint ist damit, wie verschiedene Theoretiker formuliert haben, der Eindruck einer aus den Fugen geratenen Gegenwart, die von überwunden geglaubten, untoten Kräften immer und immer wieder heimgesucht wird. Der Kulturkritiker und Soziologe Mark Fisher hatte die Begrifflichkeit auch dazu genutzt, um eine kapitalistischen Realität zu analysieren, die in Schleifen von Vergangenem feststeckt und gleichzeitig ihre Vorstellungen einer Zukunft verliert. Die abwesende Utopie als Gespenst.

„Dune“ und „Dune: Prophecy“ erzählen nicht nur davon, wie über Generationen hinweg ein zerstörerisches Machtsystem und dessen Ideologien weitergetragen werden, während die vorhergesehene Zukunft nur noch einer erstickenden Schicksalslogik zu folgen scheint. Sowohl die Filme als auch die Serie zeigen nicht nur, wie Vorstellungen eines Systemwechsels und einer Alternative schwinden, indem Vergangenes und Kommendes permanent im Drogenrausch und in düsteren Visionen aufeinander einströmen. Es geht hier insbesondere um einen Kampf um Gegenwärtigkeit und Präsenz.

Die jungen Ordensmitglieder in grauen Gewändern
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Besessene Körper, unheimliche Visionen

Lila, die Novizin in „Dune: Prophecy“ verwandelt sich in den letzten Episoden in ein Medium, einen besessenen, leeren Körper, der nur noch mit den Zungen der Verstorbenen spricht, um unheimliche Rätsel und verbreitete Lügen zu beseitigen. Sie ist eine gespenstische Gestalt an sich, weder vollends hier noch vollends dort. Am Ende steht die Zerschlagung eines Computers. Nicht nur, um sich von der Technik zu befreien, vor deren Allmacht man sich fürchtet, sondern auch um ein Sammelsurium an altem Wissen und Mustern zu vernichten, das die Menschen im Heute in Marionetten verwandelt. Dass eine solche Lossagung von der Vergangenheit keine Lösung bringt, bestätigen nicht zuletzt die chronologisch später angesiedelten „Dune„-Filme.

Da ist im selben Moment die Mutter Tula Harkonnen, eine der Leiterinnen des Ordens, die erst mit ihrem offenbarten Sohn, Desmond Hart, von Angesicht zu Angesicht sprechen, ihm begegnen muss, um eine traumatische Historie aufzulösen. Das manipulative Hellsehen und das virusartige Verbreiten von Albträumen muss erst in eine körperliche Ko-Präsenz überführt werden, um die Konflikte voranzutreiben. Und da ist Valya Harkonnen, die persönlich nach Arrakis reist, um nach einem greifbaren Ursprung für all die ungreifbaren Schreckensbilder zu finden, die aus einem Jenseits zur Gegenwart sprechen und deren Pläne torpedieren. Anregende Spuren also, die „Dune: Prophecy“ auslegt und verfolgt, und dennoch ist dieses Finale, das am Montag bei Sky und Wow veröffentlicht wurde, eine große Enttäuschung.

Spannung ohne Substanz

Enttäuschung nicht nur, weil das im Kern eben doch Gedanken sind, die die beiden „Dune“-Kinofilme schon kompakter, inszenatorisch reifer und ästhetisch visionärer verhandelt haben. Auch deshalb, weil es dieser Serie erheblich an Stringenz und erkennbarem Plan fehlt. Die sechs Episoden haben es geschafft, eine Illusion von oberflächlicher Spannung zu verkaufen. Man hat dieses rasant aneinandergereihte Machtkämpfen und all die Ränkespiele mit kurzer Weile verfolgen können.

Nachdem nun enthüllt wurde, wer auf Rache sinnt, wer mit wem verwandt ist, wer von wem abstammt, enthüllt die Serie in ihrer Seifenoper-Logik allerdings eine gähnende Leere. Sie denkt immer nur bis zum nächsten Twist, immer nur bis zum nächsten Charaktermoment. An einer ausgefeilten Handlung, aus der sich irgendein Statement, irgendein interessanter Gedanke ergeben könnte, fehlt ihr bislang.

Valya und Tula Harkonnen
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„Dune: Prophecy“ bleibt ein leeres Versprechen

Stattdessen verharrt sie weiterhin in einem Modus des Anteasens, was da irgendwann einmal kommen könnte. „Dune: Prophecy“ bleibt eine leere Versprechung, dem „Dune“-Universum erhellende Puzzleteile hinzuzufügen. Sicher, man hat hier einige Hintergründe über den Konflikt zwischen den Atreides und den Harkonnen erfahren. Es wäre in der Tat, wie der Titel suggeriert, ein spannender Stoff über die Konstruktion einer ideologischen Prophezeiung gewesen, die in den „Dune“-Filmen bekanntlich so viel Chaos stiftet. Die erste Staffel hat aber lediglich ein wenig daran gefeilt, dem ikonischen Satz „Fear is the mind killer“, also „Angst tötet den Verstand“, eine Art Hintergrundgeschichte zu verleihen. Und selbst diese Geschichte steckt in Kinderschuhen. Sie vertröstet in ihren vagen Andeutungen nur auf spätere Staffeln und unausgereifte Ideen.

Am Ende steht die Verheißung, nun könne die echte Wüstenplanet-Saga beginnen, als sei die Exposition überstanden. An diesem Ende steht allerdings ebenso der Eindruck der verschwendeten Zeit. Man fühlt sich ein wenig veräppelt, weil man mäßig schlauer ist als nach den Kinofilmen von Denis Villeneuve. „Dune: Prophecy“ fehlt es selbst als Kunstwerk an einer Gegenwärtigkeit, wenn es sich so konfus auf Referenzen und Vorahnungen stützt. Sie werden vermutlich eh niemals zufriedenstellend aufgelöst. Was dort zum Vorschein kommt, sind die Mechaniken der Content-TV-Maschinerie, die an Konsum interessiert sind, aber kaum mehr als audiovisuelles Fast Food liefern.

Alle Folgen von „Dune: Prophecy“ kann man bei Sky und Wow auf Abruf streamen. Die erste Episode ist gratis auf YouTube verfügbar (DIGITAL FERNSEHEN berichtete).

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