„Dune: Prophecy“ erzählt die Vorgeschichte der Sci-Fi-Saga um den Wüstenplaneten. Auf dem Programm stehen Intrigen, Gewalt und düstere Visionen.
Ohne Vorwissen wird es schwierig. Wissen ist hier nicht nur die Macht der Kalkulation und Vorhersage. Das Mittel, mit dem die eigentlichen Schlachten geschlagen und die, wie es zu Beginn sinngemäß heißt, Siege im Hellen gefeiert und im Dunkeln errungen werden. Es ist auch der verlangte Vorsprung, den diese neue Serie vom Publikum fordert, um sich auf ihr Verwirr- und Intrigenspiel einzulassen. Sechs einstündige Episoden umfasst die erste Staffel. Vier davon wurden der Presse vorab gezeigt. Sie sind zu vollgepackt mit Handlung, um noch einmal beim Urschleim anfangen zu können.
Der Kampf um die Droge Spice, die Fehde zwischen den Harkonnen und den Atreides, die Herrschaftsstruktur zwischen den Welten, die verborgenen Machenschaften der Bene Gesserit – das sind Punkte, die man als vorausgesetzt erachten kann. „Dune: Prophecy“ gibt sich zwar Mühe, ein neues Publikum nicht auszuschließen. Doch die Vorkenntnis, insbesondere der beiden Dune-Verfilmungen von Denis Villeneuve, ist dienlich, um sich in dieser komplex aufgefächerten Serie zurechtzufinden.
„Dune: Prophecy“ spielt tausende Jahre vor den Kinofilmen
10.000 Jahre vor den jüngsten Kino-Adaptionen von Frank Herberts Sci-Fi-Klassiker setzt diese Serie ein. 10.000 Jahre vor Paul Atreides, der vom Messias zum Diktator emporsteigt. Im Fokus steht in „Dune: Prophecy“ eine Wurzel dieses Übels: die Bene-Gesserit und ihre Entwicklung. Ein Frauenorden also, der, wie man in „Dune“ erfahren hat, die todbringende Prophezeiung einst auf dem Wüstenplaneten Arrakis verbreitet hat.
Nach einem Sieg der Menschheit über künstliche Intelligenzen und Maschinen ist die Angst vor dem Technischen groß. Man hat es aus dem Leben verbannt und fürchtet sich vor dessen Rückkehr. Die faszinierende Kreuzung aus einem futuristischen, technologisch hochentwickelten Sci-Fi-Universum und archaisch anmutenden Tempelanlagen, Waffen, Palastbauten, höfischen Strukturen und Ränkespielen ergibt dabei auch in Serienform eine faszinierende ästhetische Spannung. Wenngleich ihr eine eigene Note, die visuelle Unverwechselbarkeit von Denis Villeneuves Kinofilmen fehlt!
Wenig Wurm, wenig Wüste
„Dune: Prophecy“ ist eine opulent ausgestattete, atmosphärisch in Szene gesetzte Serie, die jedoch nicht die Bildgewalt der beiden Filme erreicht. Obwohl sich ihre Aufnahmen wiederholt an Wiedererkennungswerten versuchen! In konkreten Aufnahmen, etwa wenn Raumschiffe aus riesigen intergalaktischen, röhrenartigen Gebilden schwärmen. Mit Figuren, die an das Personal der „Dune“-Kinofilme angelehnt sind. Über dialogische Referenzen, die mit dem vermittelten Wissen der Filme in Beziehung treten.
Von Arrakis mit seinen Wüstenlandschaften und Sandwürmern sieht man derweil nur sehr wenig. Zumindest in besagten vier Episoden. „Dune: Prophecy“ führt das Publikum dafür an ganz neue Orte des Universums, darunter den Planeten Wallach IX, wo die Schwesternschaft, die als Bene Gesserit bekannt werden wird, ihre Novizinnen ausbildet, um die Mächtigen als Hellseherinnen zu beraten. Dass dahinter ein umfassender Plan zur Züchtung einer neuen Führergestalt und zur Neuverteilung der Macht steht, ist bereits aus den Filmen bekannt und wird nun mit weiteren Details auf dem Fernsehbildschirm ausgeschmückt.
Im Zentrum stehen die von Emily Watson verkörperte Valya Harkonnen und ihre Schwester Tula (Olivia Williams) an der Spitze des Ordens, die zwischen Machthunger, persönlichen Rachegelüsten und dem Erbe der Schwesternschaft zu vermitteln versuchen. „Dune: Prophecy“ beginnt an einem Punkt der Historie, an dem die Kräfte und Pläne des Ordens ins Wanken geraten. Am Hof des Imperators (Mark Strong) kehrt ein geheimnisvoller Mann namens Desmond Hart (Travis Fimmel) von Arrakis zurück. Einen Wurmangriff soll er überlebt haben. Jetzt ist er mit übersinnlichen Kräften ausgestattet, die auch der zwielichtigen Schwesternschaft gefährlich werden.
Konkurrenz für „Game of Thrones“
Die Kontrolle über den Imperator, die Kontrolle über Arrakis, die Kontrolle über das Spice, die Kontrolle über die Zukunft der Menschheit, über die Maschinen, über die eigenen charakterlichen Abgründe – „Dune: Prophecy“ ist eine Serie der strauchelnden Autonomien und Dominanzen. Und sie bewirbt sich damit deutlich als Konkurrenz zu Game of Thrones und seinen Spin-Off-Formaten. Das Streaming-Imperium von Warner Bros. und Max setzt also auf vertraute Erfolgsformeln. Wenn es in Folge 3 etwa in die eisige, verschneite Heimatwelt der Harkonnen geht, deren Feindschaft mit den Atreides hier mit weiteren Hintergründen versehen wird, würde man sich auch nicht wundern, wenn plötzlich das musikalische Winterfell-Thema aus „Game of Thrones“ im Hintergrund erklingen würde.
Das höfische Intrigenspiel und die verästelten Machtkämpfe zwischen den einzelnen Häusern stehen hier noch stärker im Vordergrund als in den vergleichsweise konzentriert angeordneten Kinofilmen. Geopolitik und Machtinteressen werden so ein weiteres Mal in Entertainment verwandelt, bei dem jedes Wort, jeder Raum und jeder Traum zum großen Politikum aufgebauscht werden. Es gelingt dieser Serie zumindest als Illusion, die mit ihren Zeitsprüngen, eskalierenden Visionen und Andeutungen ähnlich in den Köpfen des Publikums herumpfuscht wie die Bene Gesserit in den Köpfen der Herrschenden. Das könnte sich hinterher als ausgebuffter Schwindel und Augenwischerei entpuppen. Dass die Zuschauermanipulation bis dahin massive Reize und Schauwerte entwickelt, soll jedoch nicht verleugnet werden.
Eine Serie zum Bingewatchen
Die ersten vier Teile von „Dune: Prophecy“ möchte man am liebsten in einem Rutsch sehen. Sie sind rasant und wendungsreich erzählt, vielfältig in ihren Schauplätzen und Figuren. Und sie schüren genug Interesse für die versteckten Geheimnisse und Dynamiken ihrer Welt, die schon in den bisherigen Adaptionen der Romanreihe so spannend waren.
Nur wächst der Druck auf die verbleibenden Folgen. Die erste Hälfte der Serie zieht ihre Spannung gerade daraus, dass sie immer weiter an einem Mysterium arbeitet, dessen Existenz und Substanz fortwährend angezweifelt werden können. Eine enorme erzählerische Fallhöhe entsteht dadurch. Gibt es überhaupt Neues zu erfahren? Neues, worüber es sich nachzudenken lohnt? Etwas, das nicht die Filme schon viel kompakter vorgeführt haben?
„Dune: Prophecy“ erzählt von einer ungreifbaren Bedrohung
In erstaunlich finsteren, brutalen Horrorszenen oder einer drogenumnebelten Séance mit den Novizinnen wird großes Unheil angekündigt. Grauenerregende Eindrücke scheinen aus der Zukunft und einer tieferen Wahrheit in die Gegenwart zu strömen und verlangen danach, entschlüsselt zu werden. „Dune: Prophecy“ teast und teast und teast sein Publikum. Mit jeder Folge wachsen die Fragezeichen. Dauernd tauchen neuen Puzzleteile auf, die darauf warten, sich zu einem großen Bild zu fügen.
Und wer weiß, vielleicht gelingt es den finalen Episoden, einen gelungenen Abschluss und eine erhellende Antwort auf all die Fragen zu finden? Vielleicht dient diese gesamte Serie aber auch nur als trügerischer Vorgeschmack auf eine lange Reihe an Fortsetzungen? Schließlich wird mit der Marke „Dune“ auch in Zukunft noch viel Geld zu verdienen sein. Stoff für eine Verlängerung dieser Show wäre ohnehin in Massen vorhanden.
Bis dahin hat „Dune: Prophecy“, ist man zu der kurzweiligen, mitreißenden Unterhaltung einmal in Distanz getreten, noch Probleme, ihre inhaltliche Relevanz zu rechtfertigen. Sonderlich klüger als nach den Kinofilmen ist man nach den ersten Episoden dieser Vorgeschichte nicht. Eine allzu erhellendes Licht auf unsere Gegenwart wirft sie ebenso wenig, obwohl dort brisante Themen und Bezüge, von der KI bis zum Autoritarismus, Lobbyismus und zur religiösen Ideologie, angelegt sind. Sie zeigt eigentlich nur Bekanntes an einem anderen Zeitpunkt an leicht verschobenen Schauplätzen und mit anderem Personal.
Mehr vom Bekannten und Bewährten
Das zyklisch Wiederkehrende, das vermeintlich Unabwendbare und Schicksalshafte spielte zwar schon immer eine zentrale Rolle in dieser Welt. Doch wo die beiden „Dune“-Kinofilme von Villeneuve in je unter drei Stunden eine scharfe, klar formulierte politische Diagnose und Systemkritik vornahmen, ist „Prophecy“ zuvorderst damit beschäftigt, das Publikum an der Nase herumzuführen. Nach vier Episoden lässt sich jedenfalls noch kein wirklich klarer Gedanke und erzählerischer Bogen fassen, mit dem sich weiterarbeiten ließe.
Da ist zunächst nur ein freudig erregtes Staunen ob der eindrucksvollen Kulissen und Effekte. Ein Gruseln ob der bläulich drohenden Augen, die aus der Dunkelheit starren. Ein Zittern, indem man ein weiteres Mal beiwohnt, wie ein fatales politisches System am eigenen Ehrgeiz zerbricht und die ganze Welt in den Abgrund reißt. Fans von „Dune“ und „Game of Thrones“ werden daran ihre Freude haben. „Dune: Prophecy“ liefert ihnen mehr vom Bewährten. Aber wie lang lassen sich derlei Machtspiele noch ohne Ermüdungserscheinungen durchspielen?
„Dune: Prophecy“ läuft in Deutschland ab dem 18. November 2024 bei Sky und Wow. Immer montags erscheint eine neue Folge.
Hinweis: Bei einigen Verlinkungen handelt es sich um Affiliate-Links. Mit einem Kauf über diesen Link erhält DIGITAL FERNSEHEN eine kleine Provision. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.