Denis Villeneuve legt mit „Dune: Part Two“ eine grandiose, politisch brisante Fortsetzung mit immensen Schauwerten vor. Ihre Schwachstellen fallen allerdings stärker ins Gewicht als im Vorgänger.
Macht über das Spice ist Macht über alles. Wieder diese dröhnende, gespenstische Stimme aus den Tiefen des Alls, der Vergangenheit und Zukunft. Wo sie im ersten Teil von „Dune“ noch von Träumen sprach, beschwört sie in Denis Villeneuves Fortsetzung die Frage der Vorherrschaft. Das Spice, jene Droge aus dem Sand des Wüstenplaneten Arrakis, gilt als Treibstoff für die intergalaktische Raumfahrt. Sie erlaubt das Navigieren durch Zeit und Raum, ist ein kostbares Produkt auf dem Markt, das den Reichtum der Unterdrücker sichert. Zugleich ist ihr Charakter als bewusstseinserweiternde Substanz essentiell für den Film, weil sie sowohl dem Protagonisten Paul als auch dem Kinopublikum in entfesselten Visionen einen Blick auf das große Ganze eröffnet.
„Dune: Part Two“ basiert auf den verbleibenden Seiten des Romanklassikers von Frank Herbert, nachdem der erste Film nur etwa die Hälfte adaptierte. Beide Filme erzählen vom Untergang. In Teil 1 war es der Fall von Leto Atreides, der sein Todesurteil mit der Machtübernahme von Arrakis unterschreibt und sich als letzte Hoffnung an eine Kooperation mit dem unterdrückten Fremen-Volk klammert. Teil 2 nun erzählt, wie Letos Sohn und Rächer Paul diese Mission fortsetzt und nach seiner Flucht die Gebräuche der Fremen erlernt. In der Wüste verehrt man ihn als messianische Gestalt – die ewige Propaganda des Bene-Gesserit-Ordens zeigt Wirkung.
„Dune: Part Two“ ist bildgewaltiges Blockbuster-Kino
Denis Villeneuve bleibt eine Bereicherung für das Blockbuster-Kino der Gegenwart. „Dune: Part Two“: gelingt beides: einerseits dieses erneut überwältigende audiovisuelle Spektakel, diese üppige Materialschlacht, das Ergötzen an der opulenten, detailverliebten Ausstattung und den gigantischen Räumen, mit denen der Film seine Welt auf der Leinwand greifbar werden lässt. Andererseits die Wucht seiner Erzählung, die sich dem Publikum keineswegs anbiedert, sondern das Desillusionierende und Unbequeme sucht. Eine Seltenheit bei Produktionen dieser Größenordnung!
Denis Villeneuve folgt dabei dem Charisma und der Utopie seines Protagonisten, bis dieser an einem Scheideweg ankommt – und sich für die falsche Richtung entscheidet. Bis es zu dieser Situation kommt, weist „Dune: Part Two“ allerdings Schwächen auf, die vor allem der Tatsache geschuldet sind, dass das Filmuniversum rund um den Wüstenplaneten hier noch einmal deutlich expandiert.
Den bösen Harkonnen gehören die stärksten Minuten
Unter anderem muss mehr Zeit bei den feindlichen Harkonnen verbracht werden. In der Tat gibt es dort die stärksten Minuten des Films zu erleben: ein Kampf in einer Arena, in der die Bilder alle Farben verlieren und in der die Täuschung der Massen durch charismatische Führergestalten klug gespiegelt wird. Neu ist überdies ein Erzählstrang um den eifersüchtigen, alternden Imperator und die Prinzessin Irulan. Von der imperialen Macht ist nur eine Behauptung, ein müder Greis geblieben, der seine Optionen schwinden sieht. Christopher Walken, wahlweise im Wohnzimmer- oder Gartenidyll, bis er sich endlich nach draußen bequemt. Ein gekonnter Schachzug, um die Kräfteverhältnisse in „Dune“ in ihren Inszenierungsstrategien weiter zu dekonstruieren!
Den Bene-Gesserit-Schwestern, denen bald eine TV-Serie gewidmet wird, will man ebenfalls Aufmerksamkeit schenken. Schließlich sind sie eine Wurzel des Übels, die in einer Geschichtsschreibung voller Katastrophen den Messias-Kult als ultimativen Ausweg propagiert. „Dune: Part Two“ zeigt ihn als unaufhaltsames Versinken im Faschismus. Und das sind nur die Nebenschauplätze dieses Films!
Die Schwächen der Romanadaption
Vielleicht doch lieber eine Serie! Wahrscheinlich ist „Dune“ selbst als Zweiteiler nicht gänzlich filmisch zu greifen. Zu viel Hintergrundwissen fehlt oder wurde vereinfacht. Ein Abarbeiten von bedeutsamen Informationen, die an der einen Stelle Leben und an anderen Stellen Kürzungen vermissen lassen, gerade in der ein oder anderen Action-Szene. Der erste Teil verstand es gekonnter, einen Fokus zu finden, Dinge auszublenden und die Romanvorlage von unnötigem Ballast zu befreien.
Im zweiten Teil wird Villeneuve jedoch davon heimgesucht. Vieles muss nachgeholt und neu eingeführt werden. Er steht vor dem Problem, Altes und Neues unter einen Hut bekommen und zwischen den zahlreichen Figuren und Schauplätzen springen zu müssen. Viele Charaktere bleiben auch nach zwei Filmen blass. Oft wird man bloß vor vollendete Tatsachen gestellt. Gerade die zwei zentralsten Momente, die von der Wandlung Pauls und seiner Mutter Jessica erzählen, erscheinen etwas unausgereift, um ihre volle Schlagkraft zu entfalten.
„Dune: Part Two“ bleibt somit ein eher grobschlächtiges Werk. Schon dem ersten Teil ging es kaum um ein psychologisches Erzählen, vielmehr um eine Versuchsanordnung, ein Sortieren und Verwickeln von Kräfteverhältnissen. Allerdings kommen beide Filme genau dann ins Straucheln, wenn sie sich doch einmal auf das Innenleben ihrer Charaktere einzulassen versuchen. „Dune: Part Two“ lässt über solche Schwachstellen zum Glück hinwegsehen, weil sein Kommentar und Vorführen gegenwärtiger Konflikte nicht weniger bedeutsam und eindringlich geraten ist. Den Kern dieses Stoffes hat Denis Villeneuve packend herausgearbeitet und für das Heute aktualisiert! Um nichts anderes als um die Frage eines Systemwechsels geht es da.
„Dune: Part Two“ erzählt vom Scheitern einer Utopie
In der gegenwärtigen, von Imperialismus, Kolonialismus, Umweltzerstörung und Raubtier-Kapitalismus gebeutelten Welt, so die Bilanz nach zwei „Dune“-Filmen, ist keine lebenswerte Zukunft mehr zu finden. Auch das Versprechen derer, die von grünen Oasen und neuen Möglichkeiten der Kultivierung und Wirtschaft träumen, ist vergiftet, sobald es den eigenen Macht-Vorteil für sich entdeckt und ihn auslebt. Insofern erscheint die Pointe dieses zweiten Teils umso finsterer. Wie kann Politik das eigene Handeln einfach fortsetzen und mit ihrem Gewissen vereinbaren, obwohl sie weiß, dass sie dem Schaden aus der Vergangenheit noch mehr Schaden hinzufügen wird?
Eigentlich steht alles fest in „Dune: Part Two“. Weniger im Sinne eines übersinnlichen Schicksals, auch wenn manche Figuren es gern so sehen wollen, sondern im Sehen der Konsequenzen der eigenen Schachzüge. Paul Atreides könnte sich dagegen entscheiden, doch er geht unbeirrt weiter, weil er Eigennütziges, Egoistisches darin entdeckt – und seine symbolträchtige Verwandtschaft mit dem System, das er zu stürzen versucht. Wenn das große Ganze schon nicht verändert werden kann, dann wenigstens die Rolle des Herrschers einnehmen statt jene der Beherrschten! Pauls Befreiungsmission schickt somit die Befreiten, gefesselt von Fanatismus und Verblendung, nur in neues Chaos.
„Dune“ und „Dune: Part Two“ reißen die ideologischen Weltbilder auseinander: hier der Faschismus, dort religiöser Wahn, dazwischen der Glaube an familiäre Werte, welche dem jungen Paul seit Kindheitstagen ein Bild von ehrenwerter Führung vermitteln wollen. Ihre Folgen und Kehrseiten setzt Teil 1 mit dem Konterfei des toten Großvaters und Patriarchen in Szene. Teil 2 mit donnernden Sandwürmen, Explosionen und einem mit Atomwaffen ausgetragenen Rachefeldzug.
Drogen bringen das Chaos zum Vorschein
Doch zurück zum Spice, dieser zentralen, eingangs beschriebenen Macht. Sie füllt die Luft, die die Figuren atmen, und vernebelt ihre Sinne. Auch abseits dessen schmeißt man sich dubiose Substanzen ein: Der Drogenkonsum in „Dune: Part Two“ verspricht einen Initiationsritus und das Erlangen einer neuen Bewusstseinsebene. Zugleich bietet letztere keine Ekstase als Weltflucht, kein Zerfließen und Verlieren im Moment. Vielmehr lässt ihre rituelle, funktional ausgerichtete Rahmung nur jene finsteren Vorahnungen aufscheinen, die schon tief im Bewusstsein verankert waren und die Gedanken lähmen.
Also muss ein Ersatz her, um das Ekstatische der Gegenwart zu steigern. Es entlädt sich im Rausch des Krieges, dem die Massen taumelnd verfallen. Der Glaube an eine bessere Zukunft sucht sich sein Ventil in purer Gewalt, während derjenige, der ihn anstachelt, weiß, dass sich damit nur der gewohnte Gang wiederholen wird. Alles Prophetische sieht nur die eigene Vergangenheit und lässt eine weitere Generation in Ausbeutung und Vernichtung versinken. Das Warten auf die Zukunft setzt Festgefahrenes mit vertauschtem Personal fort – oder verschärft es gar in seinen Schattenseiten. „Dune: Part Two“ ist ein furchteinflößender Blick auf die Eigendynamik, die solche Prozesse irgendwann annehmen.
Verlorene Zukunft
Ein wenig gleicht diese pessimistische Dystopie der Beschreibung, die der Kulturwissenschaftler Mark Fisher für den Film „Children of Men“ in „Kapitalistischer Realismus ohne Alternative“ wählte. Er schreibt: „Children of Men legt nahe, dass das Ende bereits gekommen ist, dass es durchaus der Fall sein könnte, dass die Zukunft nur mehr Wiederholungen und um sich selbst kreisende Permutationen bieten wird. Könnte es wirklich möglich sein, dass es keine Brüche mit dem Alten, keine ‚Schocks des Neuen‘ mehr geben wird? Solche Ängste resultieren in einer bipolaren Schwingung: Die ’schwache messianische‘ Hoffnung, dass es immer etwas Neues geben wird, schlägt in die missmutige Überzeugung um, dass niemals etwas Neues geschehen wird.“
Denis Villeneuve führt dieses erfahrene Ende als Ohnmachtsgefühl und Dauerkrise vor. Seine titanischen, entgrenzten Bilder zeugen davon in jeder Minute und knüpfen nahtlos an den Vorgänger an. Seine Figuren sind winzige Schachfiguren in ideologischen Plänen und Einflüssen, die über Jahrhunderte hinweg angelegt sind. Eine echte Selbstreflexion haben sie verpasst und so festigt sich nur die Struktur ihrer Welt. „Dune: Part Two“ verzweifelt jedoch nicht an ihnen, sondern zerlegt sie in ihren Mechanismen und Zusammenhängen. Sein immersives, sinnlich verführerisches und erschlagendes Kino taucht in Fremdes ein, um Bekanntes in seiner ganzen Komplexität wie Banalität kritisch zu enttarnen. An dem geplanten dritten Teil („Dune: Messiah„) liegt es nun, eine echte Utopie oder Möglichkeit des Bruchs zu inszenieren – oder aber den Abstieg ins Dunkle mit weiterer Subtanz zu unterfüttern.
„Dune: Part Two“ läuft seit dem 29. Februar 2024 in den deutschen Kinos und wird voraussichtlich im Mai auf Blu-ray und UHD-Blu-ray erscheinen. Der Vorgänger ist aktuell unter anderem bei Netflix im Streaming verfügbar.
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