Bestseller-Autor Marc-Uwe Kling hat dieses Mal gleich selbst Regie geführt. Gelungener als sein Vorgänger ist „Die Känguru-Verschwörung“ dadurch keineswegs.
Ein kläglicher Versuch einer Satire. Er ist beim ersten Mal gescheitert und er scheitert auch beim zweiten Mal. Wer die episodisch angelegten Känguru-Bücher von Marc-Uwe Kling gelesen hatte, kritisierte am Vorgänger hier und da die übergestülpte Handlung, die die Anekdoten des Kabarettisten mehr schlecht als recht in ein Spielfilmkorsett zu pressen versuchte. Diesbezüglich ist die jetzt gestartete Fortsetzung zu „Die Känguru Chroniken“ tatsächlich etwas anders gestrickt. In Teil 2, der „Känguru-Verschwörung“, gibt es zwar erneut eine Rahmenhandlung, doch alles ist kleinteiliger, zerfaserter, situativer konzipiert. Ein sehenswerter Film ist trotzdem nicht dabei entstanden. Die wirre Erzählform ist nicht das Problem, es ist ihr ausgehöhlter Humor.
„Die Känguru-Verschwörung“ erzieht sein Publikum zu enormer Arroganz. Man steht schließlich auf der ‚richtigen‘ Seite, nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste. Dumm sind immer die anderen. Marc-Uwe, der Protagonist (Dimitrij Schaad), und das Känguru sind im mehrfachen Sinne Außenstehende. Schwadronierende Flaneure, aber zuvorderst auch: Kunstfiguren. Es ist ihnen selbst vergönnt, innerhalb der Fiktion zu springen, den Regeln ihres Films ein Schnippchen zu schlagen. Auch die zweite Kling-Verfilmung steckt voller Medienspielerei, Illusionsbrüche und Referenzen, die vor langer, langer Zeit einmal originell und witzig gewesen sein mögen. Damals, als man sich etwa noch lustige Sprüche in das Facebook-Profil schrieb und das World Wide Web entdeckte. In der Zwischenzeit haben solche Zutaten Staub angesetzt.
Postmodernes Blendwerk
Einzelne Running Gags werden totgeritten. Das Verdrehen von Zitaten und ihren Urhebern – inzwischen existiert ein eigenes Kartenspiel nach diesem Schema – ermüdet sich in gleichförmiger Abgedroschenheit. Aufgesagte Filmzitate vergewissern sich derweil des eigenen Kanonwissens. Kulturelle Allgemeinbildung legt man sich so als Insider zurecht. Man spürt jederzeit, wie hier eine Adaption und Fortschreibung mit ihren Vorlagen konkurrieren möchte, welche selbst von allerlei Smalltalk-Witzchen für Eingeweihte lebt. Das Publikum fühlt sich gerne klug.
Eingeschobene Videospiel- und Sitcom-Sequenzen, Werbespots, eine durchlässige vierte Wand – das kann man mit der passenden Herangehensweise vielleicht noch klug bespielen, doch „Die Känguru Verschwörung“ missbraucht solche Zutaten in erster Linie für ein hölzernes, dauerironisches Augenzwinkern, das von Beginn an nur die eigene Planlosigkeit übertüncht. Ja, man positioniert sich da gegen Verschwörungstheoretiker, Wissenschaftsfeinde und Querdenker. Nach zwei Jahren Pandemie ist das Thema aktueller denn je, wobei Corona gar nicht im Vordergrund steht. Man könnte auch hier sagen: Die Realität hat die Satire ohnehin längst überholt.
Überzeugung einer Klimawandel-Leugnerin
Marc-Uwe und das Känguru begeben sich in Teil 2 auf einen Roadtrip, um eine verbissene Klimawandel-Leugnerin (Petra Kleinert) zu bekehren. Wie das am Ende gelingt und aufgelöst wird, ist natürlich reichlich kindisch und herbeigeschwatzt, um es nicht eine Frechheit zu nennen. Kein Querdenker dieser Welt wird von einem solchen Film umgestimmt werden. Alle anderen bekommen gesellschaftliche Missstände als albernes, zeitfressendes Spektakel vorgeführt.
Ein Zurechtspinnen alternativer Fakten, das Versinken in Rabbit Holes und Verschließen vor Argumenten sind schwerwiegende aktuelle Herausforderungen, derer sich Klings Satire annimmt. Man will ihrer Kritik an Leugnungsbewegungen und Hetze auch gar nicht widersprechen. Toll, mehr davon! Aber die Art und Weise, wie „Die Känguru-Verschwörung“ zum Schlag ausholt, strotzt allein vor Binsen, Selbstherrlichkeiten und Naivität. Das ist weder Kino, das Perspektiven erschüttert (hier wie dort) noch sonderlich klug auf gegenwärtige Probleme zu reagieren weiß.
Keineswegs muss das bedeuten, der Gegenseite das Wort zu überlassen, ihr irgendein fragwürdiges Verständnis entgegenzubringen. Doch Marc-Uwe Klings und Alexander Berners Film scheint in erster Linie für ein bürgerliches Publikum produziert worden sein, das zufrieden ist, sich auch nach Jahren der Proteste noch sensationslüstern über mediale Interviews mit Schwurblern belustigen zu können. Eine Reportage von der hundertsten Querdenken-Demo taugt schließlich schon lange zum Reality-Format.
„Die Känguru-Verschwörung“ verharmlost Schwurbler
Witzfiguren werden da vorgeführt, plumpe Überzeichnungen – der ausgemachte politische Gegner wird in einer Freakshow zur Schau gestellt, um sich nicht mit fundamentaleren Problemen und den eigenen Handlungsmöglichkeiten auseinandersetzen zu müssen. Besagter Gegner, die Schwurbelbewegungen, wird damit in erster Linie und selbst dann, wenn es gewalttätig und brenzlig wird: verharmlost, als irgendeine kleine, irre Nische abgestempelt, ohne ihre Mechanismen und Ursachen abseits naheliegendster Erklärungen zu durchdenken.
In Zusammenhänge zwischen Politikverdrossenheit, antidemokratischen Einstellungen, ökonomischer Schere und medialen Fangnetzen mit ihren Trostangeboten und Realitätsverdrehungen wird kaum eingetaucht. Dennoch wähnt man sich furchtbar klug. Ganz schön schwach für ein kommunistisches, dauernd schlagfertiges Känguru! Ohnehin präsentieren sich politische Positionen in diesem Film vor allem in ihrer Substanzlosigkeit. Postdemokratische Satire, so könnte man es bezeichnen. Was sie fördert, ist die eigene Passivität. Ein paar Schlagworte werden aufgesagt, um Freund und Feind abzustecken. Von dem Scharfsinn und anarchischen, manchmal auch abstrakten Witz, den die Fans gern in den literarischen Vorlagen sehen wollen, ist in beiden Verfilmungen bislang wenig zu spüren.
Mein böses Ich
Einen einzigen wirklich interessanten Moment gibt es da: Als Marc-Uwe und das Känguru in der Provinz stranden, erlebt das Känguru die Horrorversion einer alternativen Realität, in der die bösen Kehrfiguren des Ensembles auftreten. Für einen kurzen Moment erscheint da die zweifellos unbequeme Frage, ob es möglich wäre, die eigenen Prinzipien über Bord zu werfen, sich in eine andere Persönlichkeit zu verwandeln. Erstmals bricht die Fiktion konsequent auseinander, schafft so etwas wie eine Irritation.
Solche Momente zeichnet spannendes Kino aus: Gedankenspiele provozieren, die eigene Komfortzone verlassen, andere Perspektiven einnehmen, selbst wenn diese brandgefährlich erscheinen. Doch im Kern ist „Die Känguru Verschwörung“ allein ein Film der Bestätigung und Selbstvergewisserung, eine narzisstische Meta-Bespiegelung, die unter ihren groß ausgestellten doppelten Böden gähnende Leere versteckt. Die Höhe, mit der sie ihr Publikum von oben auf die Welt schauen lässt, ist eine Anmaßung.
„Die Känguru-Verschwörung“ läuft ab dem 25. August 2022 über X Verleih in den deutschen Kinos.
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Bildquelle:
- kaenguru-verschwoerung: X Verleih