„Der Schwarm“ feiert Premiere: Äußerst schleppendes TV-Event

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Foto: ZDF und Staudinger + Franke / [M] Serviceplan

Auf der Berlinale feierte die mit Spannung erwartete Frank-Schätzing-Verfilmung „Der Schwarm“ Premiere. Jetzt ist die ZDF-Serie auch in der Mediathek gestartet. Ihren eigenen Ambitionen wird sie jedoch nicht gerecht.

Warum eine Serie? Einmal mehr will sich diese Erzählform nicht so recht erschließen. Ja, Serien sind immer noch groß im Trend. Und natürlich lässt sich damit besser eine immense Komplexität vorgaukeln. Die Romanvorlage von „Der Schwarm“ umfasst schließlich an die tausend Seiten. Unmöglich, einen solchen Wälzer in herkömmlicher Spielfilmlänge zu adaptieren? Zumindest dann nicht, wenn man eine Romanverfilmung allein als Abklappern, Nacherzählen und Bebildern von Handlung begreift.

Was das ZDF mit „Der Schwarm“ angestellt hat, ist jedoch so zerfasert, so gedehnt und gestreckt, dass sich schon nach kurzer Zeit die Frage aufdrängt, ob nicht ein Film mit leichter Überlänge deutlich mehr Pepp in diesen Umweltkatastrophen-Reißer gebracht hätte. Mit großen Höhepunkten spart der Stoff schließlich nicht: amoklaufende Wale, gefährliche Fischschwärme, riesige Flutwellen, ein Meer aus Krabben, das über eine Küstenregion herfällt – die schaurigste Szene der gesamten Miniserie.

Nur muss man Folge für Folge abwarten, um jeweils eines dieser Highlights in kleinen Portionen serviert zu bekommen. Den Rest der Zeit wird gerätselt und geknobelt, was da auf der Erde aus dem Gleichgewicht geraten ist. Figuren unterhalten sich in sterilen Räumen oder begegnen sich via Monitor in Videotelefonaten, um etwas wissenschaftlichen Fachsprech für das nächste Kreuzworträtsel aufzusagen. Es ist ja nicht so, als würde es „Der Schwarm“ an einem interessanten Sujet fehlen! Zeitgeistiger und zeitgemäßer könnte eine Vorlage kaum gestrickt sein, die sich mit Klimakollaps, Naturkatastrophen, Seuchen und eigenartigen, gefährlichen Organismen beschäftigt.

Foto: ZDF/ Fabio Lovino

In „Der Schwarm“ greifen die Meere an

Ja, der Mensch ist nicht allein, das bekommt man in der Bestseller-Verfilmung noch einmal dick aufs Brot geschmiert. Ist nun die Zeit der quasi-biblischen Plagen gekommen? Man hat das nach einer Episode verstanden. Rund um den Globus werden Gesellschaften von dem Anderen der Natur heimgesucht, das nun eine Gruppe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu entschlüsseln versucht, ehe es zum ultimativen Desaster kommt. Es gilt, eine neue symbolische Übereinkunft mit der Umwelt zu finden.

Das ZDF hätte damit die Chance gehabt, sich an einem progressiven globalen Erzählen zu versuchen, größere Probleme und Lösungen zu thematisieren, die sich über das übliche Charakterdramen-Einmaleins vom Gros anderer Serien hinauswagen. Nun denn, die TV-Produktion scheitert daran. Da helfen auch ein millionenschweres Budget und internationale Besetzung nicht weiter. Überall verstreut sind ihre Figuren, gewiss. Gerade in den ersten Folgen, die der Presse vorab gezeigt wurden und auf der 73. Berlinale ihre Weltpremiere feierten, springt man von Schauplatz zu Schauplatz, ehe das Ensemble enger zusammenrückt.

Träges Forschen und Rätseln

„Der Schwarm“ quasselt sich allerdings um den Verstand. Jede Szene will am besten die Welt erklären und unter Hochspannung eine globale Bedrohung heraufbeschwören. Und dennoch treten die bisher gezeigten sechs von acht Episoden ermüdend auf der Stelle, weil sie ihrem Thema im Verlauf kaum nennenswerte Facetten abgewinnen, außer sie mit immer neuen Fakten und Plotdetails vollzustopfen. Ob die letzten Folgen noch etwas reißen?

Zu allem Überdruss knickt „Der Schwarm“ dann auch noch vor dem ewig fehlgeleiteten Druck einer Identifikation ein. Das bedeutet: Man kann schlichtweg nicht ertragen, dass Figuren auch dann Relevanz und Bedeutung in einem thematischen Kontext transportieren können, wenn sie gerade nicht mit irgendwelchen ausgefeilten Biografien und Psychologien versehen werden.

Foto: ZDF/ Schwarm TV Production GmbH & Co. KG.

Frank Schätzing hat das Problem erkannt

„Es pilchert mehr, als es schwärmt“, hatte der Autor Frank Schätzing selbst an der Verfilmung seines Romans jüngst kritisiert und man kann ihm nur zustimmen. Zwischen Massensterben und Flutkatastrophe ist in „Der Schwarm“ immer noch Zeit, um ein paar Befindlichkeiten auszutauschen. Innere Dämonen, Ängste, Erinnerungen und Gewissensbisse treten da hervor, die immer wieder in konventionelle Fernsehdramaturgien eingeflochten werden, obwohl es gerade um höchste Not und Gefahr gehen sollte. Figuren sollen damit Substanz erhalten und werden umso austauschbarer.

Schweigsam sind die stärksten Momente! Nämlich dann, wenn das Verhältnis Mensch und Natur in der Krise einmal in eindrucksvolle Ästhetik übersetzt wird. Wenn Figuren mit dem Horizont oder mit gigantischen Meereswogen verschmelzen. Oder zwischen schlafenden Walen umhertauchen. Das sind Bilder, in denen dieses kalkulierte TV-Event tatsächlich eine gewisse Dimension und Klasse erhält, bis es wieder dem holprig zusammengeflickten Drehbuch in die Fänge gerät.

„Der Schwarm“ erscheint am 22. Februar 2023 in der ZDF-Mediathek. Eine lineare TV-Ausstrahlung folgt Anfang März im ZDF.

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77 Kommentare im Forum
  1. Das klingt ja vernichtend… ich werde mal, da ich das Buch gelesen habe, einen Blick riskieren.
  2. Auf einer anderen Website (fernsehserien) werden der Serie lediglich ein paar Schönheitsfehler attestiert und sie bekommt eine Wertung 4.5/5. Wie immer wird man sich ein eigenes Bild machen müssen.
  3. Ich habe gelernt, dass man Film- und Serienkritiken von digitalfernsehen.de getrost in die Tonne kippen kann.
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