In „Der Nachname“ trägt das prominente Ensemble um Iris Berben und Christoph Maria Herbst einen Familienstreit aus, der sich in müden Pointen und Belehrungen erschöpft.
„Der Nachname“ ist einer dieser Gruppenbildfilme. Unter einem (meist roten) Titelschriftzug starrt auf ihren Plakaten ein gestelzt drapiertes Ensemble in die Kamera – wahlweise sitzend auf einer Couch („Caveman“), stehend vor einer Wand („Eingeschlossene Gesellschaft“) oder streitend an einem Tisch („Der Nachname“). Jeder nimmt eine markante Pose ein und zieht eine ulkige Grimasse, um seine Figur über Mimik und Gestik zu repräsentieren. Beworben wird ein bunt zusammengemixter Gefühlsgulasch, Entertainment vom Fließband. Großgestisches, streitlustiges, aufregend expressives Spiel wird dort versprochen, wo in Wirklichkeit Boulevardtheater aus der Mottenkiste lauert.
„Der Vorname“ – ein Werk im Fahrwasser von „Der Gott des Gemetzels“ – war bereits ein solcher Fall. Sönke Wortmann hatte 2018 den gleichnamigen französischen Film, der auf einem Theaterstück basierte, für den deutschen Markt recycelt. Bei der nun gestarteten Fortsetzung handelt es sich hingegen um einen originären Stoff. Wer den Vorgänger verpasst hat, bekommt diesen zu Beginn von „Der Nachname“ noch einmal nacherzählt. Und wer anschließend für anderthalb Stunden die Gedanken schweifen lässt, bekommt auch diesen Film abschließend zusammengefasst. „Der Vorname“ ließ damals ein Familien-Dinner eskalieren, indem einer der Beteiligten enthüllte, seinen Nachwuchs Adolf nennen zu wollen. Es folgten ein wüster Streit und einigermaßen unterhaltsam dargebotene Enthüllungen aus dem Seifenopern-Setzkasten. Die bildungsbürgerliche Wohlstandsfassade galt es einzureißen, ihre unzivilisierte Seite hervorzukehren.
„Der Nachname“ erzählt von einem chaotischen Urlaub
In Teil 2 öffnet sich nun der beengte Raum, eine Urlaubsreise steht an. Alle sind sie wieder mit dabei: Christoph Maria Herbst, Florian David Fitz, Caroline Peters, Janina Uhse, Justus von Dohnányi. Iris Berben, derzeit auch im Cannes-Gewinner „Triangle of Sadness“ zu sehen, bekommt deutlich mehr Screentime als im Vorgänger. Auf Lanzarote findet sich die ganze Sippe ein. Mutter (Berben) will ihren Adoptivsohn (Dohnányi) heiraten und dessen Nachnamen annehmen, wie sie verkündet. Das Familienerbe sehen nun einige Mitglieder schon in Scherben liegen und es bleibt nicht bei diesem Konflikt. In der kargen Insellandschaft muss sich die Familie neu formieren. Die weite Leere der Natur erscheint nicht weniger bedrückend als das gutbürgerliche Zuhause. Ein abgeschlossenes Kinderzimmer wird zum Raum unergründeter Geheimniskrämerei.
„Der Nachname“ rennt offene Türen ein, denn da gibt es eigentlich nichts mehr, was sich entlarven, dekonstruieren ließe. Letzte Versuche dessen hat bereits der Vorgängerfilm unternommen. Jetzt ist alles nur noch verzweifelter, verkrampfter in seinem Heischen nach Pointen. Während sich Sönke Wortmanns prominentes Ensemble alle Mühe gibt, die wenigen Feinheiten und Schlagfertigkeiten aus dem plakativ konstruierten Drehbuch herauszuholen, ermüdet sich der Rest in albernen Wendungen und oberflächlichem Geschwätz.
Ein Familienbild befragt sich selbst
Pointen werden überwiegend mit stumpfen Boshaftigkeiten verwechselt, Running-Gags (der verlorene Koffer von Christoph Maria Herbsts Figur) bis zur Ermüdung durchgespielt. Verglichen mit der Erbarmungslosigkeit eines „Gottes des Gemetzels“ ist überdies alles viel zu anbiedernd und gefällig in seinen Lösungen. Niemand muss mit einem schlechten Gefühl oder auch nur einem Hauch von tiefergehender Selbstkritik aus dem Kino gehen – fragwürdige Voraussetzungen für einen Film, der sich offenbar selbst einer Satire nahe wähnt.
Wem oder was hier überhaupt der Spiegel vorgehalten werden soll, spielt eigentlich schon nach kurzer Zeit keine Rolle mehr. Es ist allein ein Spiel auf Zeit, ein Abklappern von familiären Enthüllungen und zeitgeistigen Streitpunkten, die man sich als Themenkino überstülpt, um Relevanz zu simulieren. Auf der Höhe der Zeit diskutiert man sowieso nicht. Regressive Familienideale will man zwar zerlegen, irgendwelche starren Blutbande lösen. Besonders Florian David Fitz bekommt als zeugungswilliges Alphamännchen sein Fett weg. Zwischendurch streitet man über Homosexualität, Leihmutterschaft, Seitensprünge und Inzest, als hätte man zum ersten Mal davon gehört. Man gibt sich liberal in seinem sich wandelnden Selbstbild, während jede geschlagene Wunde zugleich wieder betäubt und zugenäht wird.
Ein Kino der Selbstverarztung
Der Schock der kaputten überholten Familienvorstellungen präsentiert sich in „Der Nachname“ keineswegs als nachdenkliche Zumutung, sondern als allzu berechenbare These, die sich hinterher weitgehend aus der Reserve zieht, um ja keine Weltbilder erschüttern zu müssen. Schließlich will man es sich mit seiner auf der Leinwand gespiegelten Zielgruppe nicht verscherzen. Nahezu jeder Konflikt wird dabei mit einer halbgaren Erklärung aufgelöst, anstatt Spannungen auszuhalten. Verwechslungen, Tests und lapidare Belehrungsversuche sorgen dafür, dass die heile Welt trotz einiger Zugeständnisse bestehen bleiben darf. Man hat sich mit den Problemen einmal auseinandergesetzt, aber letztlich ist man doch ganz froh, dass man selbst nicht von allen betroffen ist.
Interessante Ansätze wie die geheime Geldnot des Professors (Christoph Maria Herbst) bleiben kleine Fußnoten eines bigotten Geplänkels, das in seiner naiven wohlhabenden Blase dann noch die Dreistigkeit besitzt, sich mit seinem Publikum allein über irgendwelche Befindlichkeiten gleichsetzen zu wollen. Hach ja, am Ende sind wir doch alle nur Menschen, eine große Familie eben. Alle haben wir mit gleichen Problemen zu kämpfen, erzählt uns die Ferienhausbesitzerin auf Lanzarote. Es ist ein weiteres repräsentatives Symptom für einen großen Teil des populären deutschen Komödienkinos, das Bodenhaftung, Scharfsinn und Anspruch an subversiv gedachte Kunst verloren hat.
„Der Nachname“ läuft seit dem 20. Oktober 2022 im Verleih von Constantin Film in den deutschen Kinos.
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