Nach „Die Therapie“ erscheint mit „Der Heimweg“ eine weitere Fitzek-Adaption bei Prime Video. Dieses Mal nicht als Serie, sondern als einzelner Film.
Prime Video lässt seine Abonnenten zum Jahresanfang noch ein wenig in Weihnachtsstimmung schwelgen. Zumindest auf der Oberfläche. Ein Weihnachtsbaum wird dort umhergeschleppt, Lichter funkeln und leuchten. Der Wind heult und pfeift in der Wohnung, dass man es sich am liebsten mit einer warmen Decke gemütlich machen möchte. Doch natürlich trügt die Besinnlichkeit und die ersten Grausamkeiten lassen nicht lang auf sich warten. „Der Heimweg“ ist schließlich die Verfilmung eines Romans von Sebastian Fitzek, dem deutschen Thriller-König, wenn es nach Erfolg und Popularität geht. Elf Wochen lang führte „Der Heimweg“ die Bestsellerlisten an und war dort insgesamt 120 Wochen vertreten, hatte Amazon in der Ankündigung dieser Verfilmung geworben.
Nach „Die Therapie“ handelt es sich bereits um die zweite Fitzek-Adaption, die in das Portfolio des Streamers wandert. Nachdem man für „Die Therapie“ einen schmalen Roman unnötig und langatmig auf Serienlänge gestreckt hatte, kommt „Der Heimweg“ nun als einzelner Spielfilm mit knackigen anderthalb Stunden Laufzeit daher. Das Szenario, das der Film dabei entwirft, folgt zunächst einer vielversprechenden und spannenden Kammerspiel-Situation. Da telefonieren schlicht zwei Menschen miteinander. Räumlich voneinander getrennt. Nur in der Lage, einander über die Sprache Trost und Hilfe zu spenden. Aber was geht am anderen Ende der Leitung wirklich vor sich?
Darum geht es in „Der Heimweg“
Regisseur Adolfo J. Kolmerer („Sløborn“, „Oderbruch“) hat ein prominentes Ensemble vor der Kamera inszeniert. Sabin Tambrea, Luise Heyer und Friedrich Mücke spielen die Hauptrollen. Neben ihnen tauchen unter anderem Andreas Döhler und der Autor Fitzek persönlich auf, der in einer Gastrolle einen TV-Moderator mimt und Schauriges erläutert. Der sogenannte Kalenderkiller treibt sein Unwesen. Seine Opfer werden über die Verkündung ihres Todesdatums in Angst und Schrecken versetzt, ehe er sie holen kommt.
Klara (Luise Heyer) scheint eines dieser Opfer zu sein. Eine Nachricht aus Blut hat ihr den sechsten Dezember als Todestag angedroht. Entweder sie oder ihr Mann (Friedrich Mücke) soll sterben. Während Klara nun durch die Nacht irrt, nimmt sie Kontakt zu einer Hotline auf, die Menschen auf ihrem Heimweg begleitet. Jules (Sabin Tambrea) spricht am anderen Ende der Leitung mit der Verfolgten, aber erzählen sich die beiden die Wahrheit?
Ein typischer Fitzek
Wahrscheinlich ist das der einzige Trick, mit dem sich Sebastian Fitzek verfilmen lässt: Man muss das Tempo so hoch halten und die Schlagzahl an Twists und Turns so verdichten, dass man als Zuschauer gar nicht erst mit dem Denken und Innehalten beginnen kann. Fitzeks Psychothriller sind dann am stärksten, wenn sie gar nicht erst vorgaukeln, irgendein sogenanntes wichtiges Thema zu behandeln, das sowieso nur zum Feigenblatt für eine möglichst rasante, grauenerregende Achter- und Geisterbahn verkommt.
Der Kniff des Autors, seine Handlungen mit verblüffenden Doppel- und Dreifachwendungen aufzulösen, ist inzwischen Markenzeichen und Marotte zugleich geworden. Immer abstruser sind über die Jahre die Konstruktionen seiner Geschichten geworden. Immer deutlicher fühlt sich das alles nur noch wie eine starre und abgegriffene Schablone an, die höchstens überlegt, wie sie vertraute Formeln variieren, nicht aber neu erfinden kann. „Der Heimweg“ ist keine Ausnahme davon. Weder als Roman noch als Film.
„Der Heimweg“ ist weit entfernt vom klassischen TV-Krimi
Zugegeben: Dem Drehbuch von Susanne Schneider gelingt es, wie beschrieben, dieses Verwirrspiel möglichst dicht und komprimiert zu halten. Der ganze Spuk gelangt dadurch schnell zum Punkt und gibt seinem Publikum nicht allzu viel Raum, diesen hanebüchen zusammengebauten Thriller-Mumpitz zu hinterfragen. Stattdessen besticht „Der Heimweg“ mit stimmungsvoll düsteren Aufnahmen von Berliner Nächten. Der Film ist auf hohem technischen Level produziert, wenngleich ihm eine eigene Handschrift oder irgendein interessantes Spiel mit seiner Form fehlt.
Er ist in seiner generischen Hochglanz-Horror-Ästhetik fit genug, um auf einem internationalen Markt neben zahllosen anderen Streaming-Produktionen zu bestehen. Das ist Segen und Fluch zugleich. Vor der audiovisuellen Beliebigkeit, die den meisten eigenproduzierten Content der Streaming-Plattformen dominiert, ist auch dieser Thriller nicht gefeit. Positiv könnte man ihm anrechnen, dass „Der Heimweg“ mit einer Lust am Schauderhaften inszeniert und bebildert ist, die mit dem drögen „Tatort“-Mief der deutschen Krimi-Nation zumindest nur noch wenig gemeinsam hat.
Toxischer Beziehungsthriller
Susanne Schneider hat das Drehbuch von einigen Abartigkeiten und Schockmomenten der Vorlage befreit. Geblieben ist eine Dreieckskonstellation über häusliche Gewalt und familiäre Traumata. „Der Heimweg“ erzählt vom Kampf einer Frau aus einer toxischen Missbrauchsbeziehung. Wenngleich diese Emanzipationsgeschichte ebenfalls in den Mühlen männlicher Blicke und Gewalten feststeckt. Feministisch sind der Roman und seine Verfilmung nur, solange der möglichst effektive Grusel davon nicht gestört wird. Reflektiert wird weniger, wenn das mit großen Gesten ausgestellte Leiden und Schänden so reißerisch im Vordergrund steht.
Der Stoff bleibt also grobschlächtig skizziert, wenngleich atemlos durcherzählt. Erstaunlich jedenfalls, wie „Der Heimweg“ in all der dichten Atmosphäre nie verschleiern kann, wie schlicht gestrickt auch dieser Fitzek-Plot geraten ist. Da kann er sich noch so viel Mühe geben, über Rückblenden und Verschachtelungen die großen Dimensionen vorzuspielen. Am Ende bleibt auch der große Paukenschlag eher ein bemühtes Poltern.
Vielleicht kann man diesen Schriftsteller sowieso nie zufriedenstellend verfilmen. Fitzeks literarisches Spiel mit Cliffhangern und Andeutungen animiert in der Regel immerhin zum rastlosen Weiterlesen. Seine effekthascherisch verhüllten Geheimnisse, Tricks und Engführungen in der Perspektive lassen sich jedoch nie Eins zu Eins in Filmform übertragen. Das Uneindeutige des geschriebenen Wortes, die Leerstellen seiner Bedeutung haben sich in der objektivierenden Beobachtung und Bebilderung eines Spielfilms meist schon von Natur aus verflüchtigt. Weil das Medium Film in der Regel vom Sichtbaren her gedacht ist und damit schnell an Schrecken und Uneindeutigkeit einbüßt, wenn man ihm nicht ein Experiment entgegensetzt. Was sich unter der Oberfläche verbirgt, erscheint dadurch umso banaler.
„Der Heimweg“ steht ab dem 16. Januar 2025 bei Amazon Prime Video zum Streamen zur Verfügung.
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