Ein Irrtum auf vielen Ebenen: Im August 2021 fuhr Axel Springer mit dem Launch von Bild TV bzw. HD die großen Geschütze auf, nun könnte der Sender bald schon wieder Geschichte sein.
Bild – laut eigenen Angaben, Bild Live – laut Landesmedienstalt, Bild TV – laut um Abgrenzung zum Boulevard-Blatt bemühter Berichterstattung, oder auch Bild HD – laut EPG – eine konkrete Bezeichnung hat sich gut 15 Monate nach dem Start des zweiten TV-Senders des Axel Springer Verlags neben Welt (ehemals N24) immer noch nicht etabliert. Bleiben wir daher im Folgenden bei der Kennzeichnung Bild HD.
Dem Hauptprogrammteil Bild Live drohen laut einem „Spiegel“-Bericht massive Einschnitte. Denn obwohl ebendiese Sendeschiene im Frühjahr noch einmal auf 13 Stunden ausgebaut wurde, ändern sich die grottenschlechten Quoten weiterhin nicht. Aktuell liegt man bei einem Monatsmarktanteil von rund 0,2 Prozent. Viel zu wenig, für ein derartig aufgeblasenes Projekt wie Bild HD. Die Macher scheinen mit ihrem Latein am Ende zu sein. Dabei liegen die Gründe für die Stagnation auf Mini-Minimallevel recht offensichtlich auf der Hand.
Bild HD hat kein Alleinstellungsmerkmal gegenüber Welt
Mit Welt hat man bereits einen News-Kanal in Händen, dessen Mischung aus fragwürdigen Hitler- sowie Megamaschinen-Dokus und einem redaktionell halbwegs anspruchsvollen Nachrichtenprogramm sich eigentlich schon zu Zeiten etabliert hatte, als der Sender noch N24 hieß und zu ProSiebenSat.1 gehörte.
Wozu braucht man also ein weiteres Programm mit überwältigend großem News-Fokus. Die Chuzpe, ein noch populistischeres Programm zu machen, als man es mit den Seite-1-Schlagzeilen im Print gewohnt ist, ließ man in letzter Konsequenz vermissen. Jedoch hätte man sich nur auf diese Weise (rechts) neben dem Schwestersender einen Platz erkämpfen können. Auch wenn die Berichterstattung natürlich trotzdem häufig sehr tendenziös daher kommt, blieb den Zuschauern ein „deutsches Fox News“ so erspart. Manch einer wird jetzt sagen: „Gott sei Dank“. Es mangelte bei Springer jedoch wahrscheinlich weniger an der Bereitschaft dazu, als an dem Interesse der Zuschauer an solch einem Programm. Zuletzt versuchte man es mit Erotik (DIGITAL FERNSEHEN berichtete). Dieser Versuch könnte nun aber zu spät kommen.
Warum einen linearen Sender an den Start bringen, wenn man eigentlich weiterhin ein Zeitungs-Web-TV-Konzept verfolgt
Zwar hat man sich anfangs nicht lumpen lassen und relativ große Namen wie beispielsweise Marcel Reif für den Sport eingekauft. Diesen eigentlich vielversprechenden Sektor, auf dem die „Bild“ sicherlich auch über ein relevantes Netzwerk verfügt, sowie eine gewisse Expertise vorweisen kann, die man anderen Stellen oft schmerzlich vermisst, hielt man jedoch unverständlicherweise künstlich klein.
Stattdessen dominieren vielmehr redundante News, die genannten Probleme bei der Abgrenzung zum Schwestersender Welt mit sich bringen. Im Grunde versendet man seit über einem Jahr ein aufgeblähtes Zeitungs-Web-TV, das unnötigerweise im Kabel, auf Astra 19,2 Ost und zuletzt auch noch im terrestrischen Antennenfernsehen DVB-T2 HD platziert wurde. Die mittlerweile erreichte Vielfalt der Verbreitungswege spiegelt durchaus den Anspruch wider, den ein Medienhaus, wie es der Axel Springer Verlag ist, haben darf und muss. Nur decken sich diese Ambitionen nicht mit dem Mangel an relevanten Inhalten und genereller Konzeption für den Sender. Vielmehr begeht man dilettantische Anfängerfehler, wie zum Beispiel den „Diebstahl“ der Live-Bilder von ARD und ZDF am Bundestags-Wahlabend 2021. Dafür hat man erst kürzlich die berechtigte Quittung in zweiter Instanz bekommen.
Bild TV war Julian Reichelts Baby
Es ist kein Geheimnis, dass Ex-Chefredakteur Julian Reichelt die treibende Kraft hinter Bild HD war. Nach seiner vollkommen nachvollziehbaren Demission, hinterließ er jedoch gerade bei dem noch so jungen Fernsehsender ein Vakuum, dass eigentlich bis heute nicht adäquat wieder gefüllt werden konnte. Vielleicht ist uns so das oben angesprochene „deutsche Fox News“ erspart geblieben.
Für Bild HD fehlt seitdem ein wichtiger Fürsprecher. Wenn man dem „Spiegel“-Bericht Glauben schenkt, scheinen sich die Zweifler an den TV-Plänen nun durchzusetzen. Wenn der Trend bei den Quoten sich nicht ändert, könnte sich diese Tendenz noch verstärken und die Unkenrufe sich bewahrheiten, die schon jetzt ein jähes Ende für Bild HD vorhersehen.
Was läuft da überhaupt?
Wenn man von der Live-Schiene absieht, gibt es bei Bild HD die Talkformate „Die richtigen Fragen“ und „Viertel nach Acht“, das linear paradoxerweise erst um viertel vor elf läuft. Dazu gesellt sich noch ein überflüssiges Promi-Magazin („VIP“), eine Menge eingekaufter Dokus sowie hier und da eigenproduzierte Reportagen, die genauso gut in der alten Existenz als Online-Sender on demand zu Verfügung gestellt hätten werden können, und so keinen Zuschauer tangiert hätten, außer denen, die bereit sind die Bild-Plus-Bezahlschranke in Kauf zu nehmen.
Im offensichtlich für die eigene begrenzte Strategie arg überdimensionierten Konzept als lineares Vollprogramm nimmt man stattdessen lieber anderen, kleineren Programmen einen Sendeplatz weg, die diesen mehr verdient hätten, als das kopflos umher schippernde Schlachtschiff namens Bild HD (oder Bild, oder Bild Live oder Bild TV …, oder wie auch immer), mit dem niemand so recht etwas anfangen kann. Weder die Macher, noch die Zuschauer.
Bildquelle:
- df-bild: Axel Springer SE