Regisseur Tim Burton hat mit „Beetlejuice Beetlejuice“ eine maue Fortsetzung zu seinem Kultfilm von 1988 gedreht. Die Horror-Komödie eröffnet die Filmfestspiele von Venedig.
Das Spukhaus auf dem Hügel ist in schwarze Gage gehüllt. Der Patriarch der Deetz-Familie ist verstorben. Ein Hai hat ihn gefressen. Also muss am Beginn von „Beetlejuice Beetlejuice“ zuerst die ganze Sippe zusammengetrommelt werden, um zur kollektiven Trauer zu schreiten. Kultregisseur Tim Burton hat über dreißig Jahre nach dem ersten „Beetlejuice“ noch einmal Teile des alten Ensembles vor der Kamera versammelt, um einen lauwarmen Aufguss des Originals auf die Leinwand zu bringen. Da ist Catherine O’Hare als schrullige Künstlerin mit buntem Haar. Da ist Winona Ryder als deren Tochter Lydia, die mit ihren Kontakten zur Geisterwelt inzwischen zum TV-Star aufgestiegen ist. Und da ist natürlich Michael Keaton als Lottergeist Beetlejuice, der sich noch immer danach sehnt, in die Welt der Lebenden zurückzukehren, und dabei allerlei Schabernack treibt.
Das Drehbuch dieser Horrorkomödie, die als Eröffnung der 81. Filmfestspiele von Venedig ihre Weltpremiere feiert, ist repräsentativ. Wenn hier von der Trauer als Kunst gesprochen wird und ein Generationenkonflikt über Heimsuchungen und alte Gespenster ausgetragen wird, fällt es schwer, nicht auch an den aktuellen Zustand Hollywoods zu denken. „Beetlejuice Beetlejuice“ ist ein weiterer von zahllosen Retro-Filmen, die verzweifelt versuchen, ihre populären Marken im Gedächtnis zu halten, und ihre eigene Denkmalpflege kreativ ausschlachten. Man fürchtet das Risiko des Neuen und übt stattdessen, die alten Stoffe einem jüngeren Publikum schmackhaft zu machen, ohne an frühere Qualitäten anknüpfen zu können. Jahre später produziert man noch einmal einen halbgaren Abklatsch und Fortsetzungen, nach denen eigentlich niemand geschrien hat. Hinterher weiß man in aller Regel auch, warum.
„Beetlejuice Beetlejuice“ lockt die Generationen ins Spukhaus
Der Nachwuchs, der vielleicht noch die frischen Ideen und Impulse in die Welt tragen könnte, den verkörpert in „Beetlejuice Beetlejuice“ Jenna Ortega. Sie spielt die Tochter von Lydia Deetz, die sich längst von ihrer Mutter und deren Geister-Affinität entfernt hat. Sie fühlt sich vernachlässigt, im Stich gelassen, ist eine Einzelgängerin. Doch jetzt, da sich der zerrüttete Clan im Spukhaus trifft, wird auch sie in den Bann des Übersinnlichen gezogen. Eine junge Romanze wird von Heimtücke, Mord und Wiedergeburt überschattet. Man umtänzelt mit diesem Plot ein wenig die Weitergabe und Vererbung früherer Traumata. Ein floskelhaftes Trendthema der Gegenwart. Nur wissen die wenigsten Filmschaffenden, damit noch etwas Gescheites anzufangen, außer ihre Figuren mit traurigen Gesichtsausdrücken von A nach B zu scheuchen und zum Schluss eine sentimentale Aussöhnung zu inszenieren.
Wobei, auch damit ist es in „Beetlejuice Beetlejuice“ nicht getan. Da sind die Hintertüren immer noch sperrangelweit offen, um alle Spukgestalten wieder hereinzulassen. Ein Rückfall in den überwunden geglaubten Schrecken kann jederzeit erfolgen. Hollywood hat sich mit den Untoten sinnbildlich zur Nacht gebettet. Schließlich kann man mit ihnen weiterhin Geld verdienen und so erscheint auch ein möglicher dritter Teil keinesfalls abwegig.
Beetlejuice als Nostalgie-Gespenst
Vielleicht schlummert dort irgendwo ein intelligenter Film. Tim Burton hat mit seinen Gothic-Ästhetiken und makaberen Witzen immer wieder interessante Zerrbilder der (amerikanischen) Gesellschaft kreiert. Das Motiv des Untoten, Monströsen und Spukenden trat in seinen Bildwelten, in denen die Menschen selbst wie grotesk geschminkte Gespenster auftreten, wiederholt in unterschiedlichen Formen auf. Warum also nicht als direkten Kommentar zur Filmindustrie? Michael Keatons ikonische Beetlejuice-Gestalt zum Schreckgespenst der heutigen Nostalgiewelle umzudeuten, ist nicht die schlechteste Idee. Also geht es genüsslich hinein in die Unterwelt jener Nostalgie.
Ein Großteil dieses Films entpuppt sich als effektvolle Höllentour, bei der sich die Figuren mühsam durch allerlei Ungeheuer, Ekelgetier, Schleim und Blut kämpfen müssen, um wieder das Tageslicht der Erde erblicken zu können. Ein Krimes-Gruselkabinett im Kino. Endete der erste Teil noch mit einer Aussöhnung mit der Welt der Toten, sucht das Sequel eine Aussöhnung mit dem Diesseits und damit einer Abkopplung von der Vergangenheit.
Neue Stars im Cast
Nur leider entsteht aus dieser Anordnung in Tim Burton Films nichts. Er liefert nur vertraute Bilder, verläuft sich heillos zwischen seinen Subplots und Figuren. Zwar pufft und knallt, gruselt und schockt es hier an jeder Ecke. Eine Meme-taugliche Szene, ein Kalauer wird an den nächsten geklebt. Dennoch fühlen sich die etwa hundert Minuten Laufzeit wie eine halbe Ewigkeit an, weil sie so orientierungslos und berechenbar auf die gleichen Punkte zusteuern, die schon dem ersten Teil Struktur gaben. Neue Ideen lauern irgendwo am Wegesrand, ehe ihre Fäden abgeschnitten werden, weil die drei Drehbuchautoren offenbar eh nicht wussten, was sie mit ihnen anfangen sollen.
Da taucht plötzlich Willem Dafoe als entstellter Schauspieler und Möchtegern-Cop auf, um die Ordnung im Geisterreich wiederherzustellen. Da stapft Monica Bellucci als wiedererweckte und frisch zusammengetackerte Zombie-Braut durch düstere Gänge, um sich an ihrem Ex-Liebhaber Beetlejuice zu rächen. Am Ende wirft der Film alles in einen Topf, überschüttet sein Publikum mit polternden Effekten und verlässt sich lieber auf bewährte Erzählmuster, anstatt seinem neuen Personal tatsächlich Raum zu geben.
Die visuellen Reize des Vorgängers
„Beetlejuice Beetlejuice“ bleibt am Ende ein Werk, das höchstens dann überzeugt, wenn es tatsächlich als reine Nummernrevue funktioniert. Wenn der (Achtung: Wortwitz!) „Soul Train“ zur Tanzfläche wird, wenn sich Tim Burton austoben kann, all die schrägen Puppen und praktischen Tricks mit Schrumpfköpfen, Gummi-Gedärm und Monsterbabys in Szene zu setzen. Wenn er sich visuell durch die Horrorfilmgeschichte zitiert. Und wenn er seine Darsteller in Kulissen drapiert, die in ihren markantesten Momenten einmal mehr an den Stummfilm-Expressionismus von „Das Kabinett des Dr. Caligari“ erinnern.
Zumindest diese Stärken des originalen „Beetlejuice“-Films hat man also einigermaßen gekonnt in die Gegenwart übertragen. Ebenso die brutale Komik, die in ihrer Derbheit beinahe charmant aus der Zeit gefallen wirkt. Tim Burton weiß als Regisseur, seinen treuesten Fans auf einer oberflächlichen Ebene das zu geben, was sie sich vermutlich erhofft haben. Man hüte sich dennoch, den Namen im Titel des Films auch noch ein drittes Mal aufzuschreiben und auszusprechen. Dieses Gespenst hat seine Ruhe wahrlich verdient.
„Beetlejuice Beetlejuice“ feierte seine Weltpremiere außer Konkurrenz im Rahmen der 81. Filmfestspiele von Venedig. Am 12. September 2024 startet der Film regulär in den deutschen Kinos.