Die dritte Staffel der türkischen Serie „Atiye: Die Gabe“ ist gerade auf Netflix erschienen. Auch wenn sie nicht an „Dark“ herankommt, ist sie dennoch sehenswert.
Ursprünglich hielt Netflix nur fremde Produktionen zum Streamen bereit. Doch mittlerweile ist der Streamingriese selbst Produzent vieler internationaler Filme, Serien und Dokus. Neben „Haus des Geldes“ aus Spanien oder auch der ersten deutschen Netflix-Serie „Dark“, ist das zum Beispiel auch die türkische Fantasy-Serie „Atiye: Die Gabe“.
Nach „The Protector“ startete 2019 mit „Atiye“ die zweite türkische, und auch bessere, eigens produzierte Netflix-Serie. Nun ging am Donnerstag, 17. Juni, bereits die dritte Staffel an den Start.
„Atiye“
Und darum geht es in der Serie: Atiye (Beren Saat) arbeitet in Istanbul erfolgreich als Künstlerin. Ihre Gemälde haben eins gemeinsam: ein geheimnisvolles Symbol. Und für Atiye läuft es gut, eine Ausstellung und auch die Hochzeit mit ihrem Verlobten Ozan (Metin Akdülger) stehen unmittelbar bevor.
Doch dann entdeckt der Archäologe Erhan (Mehmet Günsür) im prähistorischen Fundort Göbekli Tepe ein Symbol, das direkt mit Atiye zu tun hat. Diese nimmt immer wieder Dinge wahr, die für andere unbegreiflich sind. Ihren Verlobten lässt sie schließlich vor dem Altar stehen. Dann begibt sich Atiye auf eine Reise in die Vergangenheit ihrer Vorfahren und in andere Dimensionen. Atiye verliebt sich dann in Erhan und erkennt, dass sie eine gemeinsame Vergangenheit in anderen Leben haben. Sie bekommen eine Tochter, doch böse Mächte haben es auf ihre Kräfte abgesehen und entführen das Baby. Da endet Staffel 2 der Serie.
Ähnlich wie bei „Dark“ geht es hier also um Realitäten, die miteinander verschmelzen. Manch einer könnte nun behaupten, dass sich die Macher von „Atiye“ bei der deutschen Serie inspiert haben.
Achtung, Spoiler zu Staffel 3!
Die verschwundene Tochter
In Staffel drei dreht sich nun alles um die Suche nach Atiyes und Erhans gemeinsamer Tochter. Allerdings setzt die aktuelle Staffel acht Jahre nach dem Verschwinden des Mädchens an. Was ist denn aber nun in den vergangenen acht Jahren passiert? Die Charaktere wirken hier auch irgendwie zu „geleckt“, als wären sie irgendeinem Hochglanz-Magazin entsprungen. Da fehlen ein wenig die Ecken, Kanten und authentischen Geschichten. Das könnte natürlich auch an der jetzigen, etwas schickeren Realität liegen, in der Atiye jetzt lebt.
Die Story ist interessant und mysteriös, wenn auch über weite Teile etwas langatmig. Für Fans von Serien, in denen ständig ein Event das nächste jagt, ist „Atiye“ eher nichts. Rätsel werden erst spät oder manchmal nicht komplett aufgelöst. Auch die Dialoge gehen oft nicht besonders tief und vieles wird wiederholt oder nur angeschnitten.
So geht es zum Beispiel immer wieder um „Die Bösen“. Wer die eigentlich sind, bleibt unklar und irgendwann regt man sich nur noch über die ganzen vagen Äußerungen auf. Natürlich gehört das dazu, dass da die Zuschauer im Dunkeln gelassen werden, allerings könnte es in Staffel 3 ja nun mal langsam aufgelöst werden. Was sie wollen stellt sich im Laufe der Zeit dann doch heraus: Informationen und uraltes Wissen, die Aden und auch Atiye in sich tragen. Geht es hier um das Geheimnis des ewigen Lebens?
Zurück von den Toten
Dass dann plötzlich die Mutter von Ozan wieder auftaucht, obwohl die sich eigentlich vor Jahren umgebracht hat, ist natürlich einer dieser Twists, die die Serie ausmachen. Wie genau das geklappt haben soll, bleibt jedoch offen. „Die“ haben ihre Mittel und Wege, das muss als Begründung reichen – na toll.
Bei der Serie sprechen eher die Bilder, Landschaften und Symbole für sich. Aber genau dieser magische, mystische Teil ist es, der so fasziniert. Man möchte dranbleiben und herausfinden, was es nun mit dem Zeichen, dass nun nicht mehr nur Atiye, sondern auch ihre Tochte Aden immer wieder zeichnet, auf sich hat.
„Wie blöd kann man sein?“
Und auch wenn die Serie einige Klischees bedient, wie zum Beispiel „Indiana Jones“-Verschnitt Erhan, die böse Schwiegermutter Melek und das Muttersöhnchen Ozan, zeigen manche Charaktere eine gewisse Tiefe und verschieden Facetten. So hat man gerade bei Ozan das Gefühl, dass dieser mit sich ringt ob seiner Beteiliung an Verbrechen. Andererseits stört es doch ungemein, dass Atiye den Entführer ihrer Tochter wieder in ihr Leben lässt. Da kann man sich nur fragen: „Wie blöd kann man sein?“.
Atiyes Gabe
Schlussendlich ist die Serie ein modernes, magisches Märchen, das zum Träumen einlädt. Auch wenn es an einigen Stellen zu kitschigen eher oberflächlichen Dialogen kommt, so überzeugen vor allem die Bilder und die immer wieder neuen mystischen Rätsel a la „The Da Vinci Code“. Außerdem stehen Themen wie Liebe, Hoffnung und Akzeptanz im Vordergrund. Im Anderen stets das Gute zu sehen und trotzdem seine Grenzen zu ziehen, hoffnungsvoll in die Zukunft schauen – das ist vielleicht die größte Gabe von „Atiye“.
Und auch wenn die ersten beiden Staffeln irgendwie runder waren, so kann man sich die aktuelle Staffel auf jeden Fall ansehen. Ganz so komplex wie „Dark“ ist „Atiye“ nicht und man muss nicht jedes kleine Detail verstehen, um sich in den Bann ziehen zu lassen und der Story folgen zu können.
Das Ende von „Atiye: Die Gabe“
Die dritte ist allerdings auch die letzte Staffel der Serie. Treue Anhänger dürften also enttäuscht sein, dass Netflix keine weitere Staffel von „Atiye: Die Gabe“ bestellt hat. Dennoch können sich Fans von Mystery, Science-Fiction und Co. auf das neue Serienprojekt der beiden „Dark“-Macher „1899“ freuen, welches noch in diesem Jahr bei Netflix erscheinen soll. Und auch „Tribes of Europa“ startete bereits im letzten Jahr.