Adieu, Peter Lepper: Der letzte große deutsche TV-Patriarch ist tot – ein Nachruf

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Peter Lepper ist mit gerade mal 77 Jahren verstorben. Der letzte große deutsche Familienunternehmer der Unterhaltungselektronik, TV-Patriarch, Vordenker des Satellitendirektempfangs in Deutschland, Gründer von Technisat und unzähligen weiteren erfolgreichen Unternehmen – streitbar und durchsetzungsfähig – hat seine Bühne auf dieser Erde für immer verlassen. Was für den einen einfach nur eine Meldung ist, trifft viele andere mitten ins Herz. Auch mich. Ein Nachruf von Stefan Goedecke.

Als ich Auszubildender bei Technisat wurde, war das Unternehmen gerade mal fünf Jahre jung und ich soeben 18 geworden. Das war 1992. Wir waren 16 neue Auszubildende, die gerade in ihr neues Leben starteten.

Es war damals eine ziemlich wilde Zeit, mitten im Neubeginn und Aufbruch eines ganzen Landes war da auch ein Neubeginn für mich. Ich hatte gerade mal das Abitur geschrieben und noch nicht einmal das Zeugnis in der Hand, als ich in Daun meinen Ausbildungsvertrag zum Kaufmann im Groß und Einzelhandel unterschrieben habe. Ausbildungsort: Daun, Eifel – eigentlich sollte es Beucha bei Leipzig sein und eine Ausbildung zum Marketingkaufmann. „Die Entscheidung, das so zu machen, hat Peter Lepper getroffen“ hatte man uns damals beim Unterschreiben mitgeteilt – so, als ob damit alles gesagt sei. Da kannte ich diesen Peter Lepper noch nicht, fand diese substanzielle Änderung daher zunächst recht befremdlich, aber für mich doch irgendwie spannend, so dass ich dennoch unterschrieben habe. Ich kann nicht mehr genau sagen, warum – es war wohl, wie so vieles im Leben, eine „Bauchsache“, eine für die ich rückblickend sehr dankbar bin. Denn hätte ich mich, wie so viele aus meinem Jahrgang für ein Studium in Leipzig entschieden, hätte ich Peter Lepper wohl nie kennengelernt.

Es ist genau diese Spontanität und Absolutheit in beruflichen Situationen und Entscheidungen, die nun mal so sind wie sie sind, die mich in meiner Zeit mit Peter Lepper stets begleitet haben. Rückblickend bin ich dafür sehr dankbar – auch wenn ich das gerade am Anfang meiner Ausbildung oftmals anders gesehen habe. Doch nichts prägt einen Menschen beruflich – und persönlich – mehr wie der stetige Antrieb mit einer gut gewählten Prise Motivation, Gutes noch besser zu machen. 

Peter Lepper – ein Blick zurück auf sein Leben

Ich weiß noch, wie wir als Azubis alle möglichst schnell am Geschäftsführer Flügel – ich glaube, er hieß damals intern „Trakt L“ vorbeigeschlichen sind, nur, um „ihm“ nicht zu begegnen, insbesondere dann, wenn man mal die Krawatte vergessen hatte oder ohne Sakko unterwegs war. Peter Lepper hatte aber so ein Talent, immer dann präsent zu sein, wenn mal etwas nicht funktionierte oder anders war, als er es für gut befand. Das konnten die aus „unserer“ Sicht banalsten Dinge sein, zum Beispiel ein zu schnell eingefadeter Titel bei einem seiner Radiosender, was dann schon mal in einem direkt klingelnden Telefon gipfeln konnte. Dann wurde es auch schon mal laut, was viele fürchteten – ich aber schon damals meist unter „Er hat ja recht“ verbuchte. Doch die eigentliche Emotion hinter diesem Anruf oder dem Gespräch, die sich gleich einem Vulkan immer mal wieder an der Oberfläche manifestierte, verstand ich erst so richtig, seit ich mein eigenes Unternehmen führe. Denn auch wenn einem die Sache, um die es gerade geht noch so klein erscheinen mag, kann sie doch erheblichen Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben. Peter hat das erkannt. Und Peter hat gewusst, dass es sich lohnt, auch für die vermeintlich kleinen Dinge einen ordentlichen Konflikt auszutragen.

Peter Lepper und die Politik gehörten immer irgendwie zusammen: Hier auf der IFA 2005 am Technisat Stand mit Kurt Beck

Ich denke mittlerweile, dass genau das einen guten Unternehmer ausmacht: Dinge in Frage stellen, auch mal laut sein, wenn es sein muss und für die eigenen Ziele einstehen, kämpfen, wenn es sich zu kämpfen lohnt. Wer macht das heute schon noch in dieser oft nur noch weichgespülten Unternehmerlandschaft, in der die nächste Finanzierungsrunde oft wichtiger ist als das Produkt selbst? Wer will heute noch unbequem sein – gegen den Strom schwimmen, statt sich einfach treiben zu lassen, weil es doch auch so geht?

Peter Lepper – unbequem erfolgreich

Ich glaube, dass es diesen Typ Bauchunternehmer immer weniger gibt, weil die meisten heute glauben, dass nur Zahlen die alleinige Wahrheit aussprechen und dabei gerne vergessen, dass hinter jeder Zahl auch ein Schicksal steht.

Peter Lepper wusste das. Und hat auch mal gegen die Zahlen entschieden – und hat damit für das Unmögliche gestritten, bis es plötzlich doch möglich wurde. Unbequem sein. Eckig, kantig, sperrig, laut, erfolgreich. Einzigartig. Deswegen ist dieser Verlust nicht nur einer für die Regionen, in denen Peter seine Firmen aufgebaut hat, sondern auch einer für ganz Deutschland. Menschen wie er fehlen. Seine Vision wird fehlen. Seine Meinung wird fehlen. 

Peter konnte ein für 5 D-Mark auf der IFA 1993 verkauftes Radio genauso feiern wie einen 40.000 Euro Werbe-Auftrag 8 Jahre später für das hauseigene Starsat-Radio. Denn er sah stets hinter die Leistung, hinter den bloßen Fakt. Er sah auf den Weg, den wir – seine Mitarbeiter – dafür gegangen sind. Er sah Potenzial und – er förderte es. Meist indem wir noch mehr Arbeit als andere auf den Tisch bekamen. Das musste man erstmal verstehen, gerade als junger Mensch. Er gab echte Verantwortung in andere Hände, was für mich ungemein motivierend war. So war ich schon mit knapp 20 während meiner Ausbildung für die Produktion eines echten Radiosenders verantwortlich, vermarktete diesen nebenbei, fuhr als Azubi Post aus und tütete hunderte von Briefe ein. Nach der Prüfung blieb ich in Daun – für zwei, drei Jahre, so nahm ich mir vor – und konnte weiter „irgendwie“ etwas mit Medien machen, solange es sich für die Firmengruppe lohnte – nicht unbedingt rechnete. Ich war dann recht schnell Prokurist bei Infosat, damals DEM Heft für Sat-Empfang in Deutschland mit zehntausenden Lesern, gründete etwas später mit Peter und Peter die „Eifelzeitung“ – quasi mein erstes mit-eigenes Unternehmen. Mit Verantwortung wachsen. 

Das war das Peter-Prinzip. 

Gute Zeiten: Peter Lepper mit Friedhelm Flamm zur IFA am Stand von Digitalfernsehen / Auerbach Verlag – Adieu, Peter!

Und auch wenn mich aus familiären Gründen nach 10 Jahren Daun mein Weg zurück nach Leipzig geführt hat, bin ich Technisat und Peter Lepper doch verbunden geblieben. Wir haben uns in meiner folgenden Selbständigkeit oft aneinander gerieben, sind dabei aber doch stets fair geblieben – auch wenn es oft genug emotional und laut war – ganz sicher auf beiden Seiten. Als es dann ruhiger für uns beide geworden ist, hatte mir Peter einmal auf einer IFA in den 2010ern in Berlin gesagt, dass er stolz darauf ist, was ich nach Technisat geschafft habe – und ich habe ihm geantwortet, dass das alles ohne ihn nicht möglich gewesen wäre. 

Vieles aus meiner Ausbildung, die letztlich zehn Jahre dauerte, lebt nun im Auerbach Verlag weiter. Manchmal erwische ich mich sogar dabei, wie ich unvermittelt in meinem Büro aufstehe, an meinem Stuhl rüttle und den Drang verspüre, mein Telefon als Wurfgeschoss zu verwenden. 

Ich mache das nicht, weil ich weiß, dass Führung heute anders gelebt werden sollte. Das ist auch in Ordnung so. 

Aber ob wir als mit dem Strom schwimmende Unternehmer jemals wieder da ankommen werden, wo uns ein Visionär mit dem Format eines Peter Lepper, der für seine Wünsche und Ziele kompromisslos einstand und unbequeme Wahrheiten auch mal laut beim Namen nannte – einfach nur weil er es wollte (und ein Stückweit natürlich auch konnte) hinführen konnte – ich bin mir nicht sicher.

Bye, Bye, Peter

Neben all den Lebensläufen, die Peter Lepper in seinen 77 Jahren auf dieser Erde berührte und auch mal mehr, mal weniger geprägt hat, bleiben seine Firmen und Bauten hoffentlich für eine kleine Ewigkeit, die sein Andenken verdient. Peter hat so seine Spuren insbesondere in der Vulkaneifel, aber auch in Thüringen, Düsseldorf, dem Vogtland, Staßfurt, Dresden und Berlin hinterlassen – nur um an dieser Stelle einmal in Deutschland zu bleiben. Und – auch das soll an dieser Stelle erwähnt werden, weil es eben meist unerwähnt bleibt und doch ein so großer Verdienst ist: Als Unternehmer hat Peter Lepper wohl hunderte Millionen an Steuern gezahlt, die sowohl dem Bund als auch den Gemeinden zugute kamen, in denen er tätig war.

Dieses Vermächtnis weiterzuführen, liegt nun in den Händen unter anderem von ehemaligen Auszubildenden, die mit mir oder kurz vor mir bei Technisat angefangen haben. 

So schließt sich ein Kreis. Und auch wenn so viel bleiben kann und wird, ist mit Peter Lepper für mich doch der letzte große Familienunternehmer der einstmals so großen und gefeierten Branche für den (digitalen) TV-Empfang für immer gegangen – wenige Wochen bevor in der von ihm gestifteten Junior-Universität in Daun der offizielle Lehrbetrieb beginnen soll.

Lieber Peter, damit der Gedanke an diesen Verlust nicht so weh tut, stelle ich mir vor, dass Du nun in einer anderen Dimension mit deinen Wegbegleitern von einst, die schon vor dir gingen, an einem Tisch im Berliner China Club sitzt – Fred Hübner, Franz Simais, Anton Kathrein und vielleicht sogar Leo Kirch – und endlich einmal ganz entspannt zuschauen kannst, wie hier bei uns der Sat-Direktempfang, der Technisat einst groß gemacht hat, weiter mehr und mehr dem Streaming-TV weicht. Ihr diskutiert und diskutiert und dann hast du – irgendwie wie immer beim zweiten oder dritten Bier, die Idee, warum und wie alle, die hier am Tisch sitzen, genau jetzt genau davon profitieren können. 

Dann springst du auf, sprühst vor Energie, läufst aufgeregt im Raum herum und rufst immer wieder: „Jungs, das machen wir, ne, das wird gut! Das wird richtig gut!“

Bye, bye, Peter. Und danke für alles.

Stefan

Peter Lepper ist tot – sein Vermächtnis lebt weiter

Hier finden Sie Erinnerungen an den letzten deutsche TV-Patriarchen von Wegbegleitern

Peter Lepper gründete sein erstes Unternehmen, die TPS-Technitube Pipe & Steel GmbH, vor über 48 Jahren und entwickelte daraus eine Firmengruppe mit 19 Unternehmen, die er 2008 in der Techniropa Holding GmbH bündelte. Diese Unternehmen beschäftigen heute weltweit 1.350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 45 Jahre später übertrug Peter Lepper als alleiniger Gesellschafter der Techniropa Holding GmbH 100% seiner Holding-Unternehmensanteile im Wege der Zustiftung an die von seiner Ehefrau, Doris G. Lepper, errichtete LEPPER Stiftung und blieb weiterhin als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Techniropa Holding GmbH und als Vorsitzender des Kuratoriums der LEPPER Stiftung aktiv. Mit seiner Zustiftung hat er frühzeitig für den Fortbestand der Unternehmensgruppe und das Wohl seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Sorge getragen. Zu seinen unternehmerischen Tätigkeiten zählten u.a. die Gründungen und der erfolgreiche Ausbau der Unternehmen TPS-TechniTube Röhrenwerke GmbH (1975), TechniSat Digital GmbH (1987), TechniSat Elektronik Thüringen GmbH (1990), TechniSat Digital Dresden GmbH (1990), TechniSat Vogtland GmbH (1992), TechniSat Teledigital GmbH (1998), TechniSat Digital Sp. z o.o., Polen (2005), TechniSat Digital Kft, Ungarn (2007), TaiShangDa Electronics (Shenzhen) Co. Ltd., China (2008), TaiShangDa Electronics Co. Ltd., Hongkong, China (2008) und TechniBike GmbH (2016). Im Jahr 2003 wurde Peter Lepper mit dem Verdienstorden des Freistaats Thüringen geehrt. 2007 folgte die Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande. Seit 2018 ist Peter Lepper Ehrenbürger der Stadt Daun. Peter starb wenige Wochen bevor der offizielle Lehrbetrieb an der von ihm und seiner Frau gestifteten Junior-Uni in Daun aufgenommen werden soll.

Auch ein Vermächtnis und gleichzeitig eine große Leidenschaft von Peter Lepper: DAB Digitalradios.

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