„A Killer Romance“: Gefeierter Komödien-Hit läuft jetzt auch in Deutschland

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Madison (Adria Arjona) und Gary Johnson (Glen Powell)
Foto: Leonine

In anderen Ländern auf Netflix, in Deutschland in den Kinos: Der hochgelobte „A Killer Romance“ spielt schwarzhumorig mit der Figur des Auftragskillers.

Er ist ein popkultureller Mythos: Der Hitman, also der Killer oder Auftragsmörder, gehört seit jeher zum Ensemble zahlloser Gangster- und Mafiafilme, Krimis, Videospiele und Romane. Alles nur Fantasie, alles nur Schwindel; mit der Realität haben solche Gestalten wenig zu tun, wie „A Killer Romance“ recht früh erklärt. Aber sie taugen natürlich dazu, bestimmte gesellschaftliche Strukturen zu beleuchten. David Finchers Netflix-Film „Der Killer“ zeigte etwa den Auftragsmörder als Repräsentanten einer erbarmungslosen Ellenbogengesellschaft, als getriebenen Globetrotter und Geschäftsmann. Und der Auftragsmörder taugt ebenso zur romantisierten Sehnsuchtsfigur: der Gesetzlose, der Gesetzesbrecher. Eine allmächtige, schier unbesiegbare und wendige Gestalt, die für ihre Kunden Drecksarbeit erledigt und alle Probleme aus der Welt schaffen kann.

Der mehrfach Oscar-nominierte Filmemacher Richard Linklater („Boyhood„) setzt nun an die Stelle dieser Figur den Schauspieler. „A Killer Romance“ ist ein Film der Hochstapler und Betrüger, eine Auseinandersetzung mit Schein und Sein, inspiriert von einer wahren Biographie. Zuvorderst der Texaner Glen Powell, Hauptdarsteller und Ko-Autor des Films, beweist dabei immense Star-Qualitäten. Immer wieder verwandelt er sich auf der Leinwand, spielt er Coolness, Tollpatschigkeit und sexuelle Attraktivität im Wechsel als schillernde Fassaden aus. Zugleich setzt das Drehbuch wiederholt Fragezeichen hinter sein Spiel. Powell mimt einen Psychologieprofessor namens Gary Johnson, der seinen Studenten tagsüber Lektionen in Sachen Selbstentwurf, Identität und Rollenspiel im Alltag erteilt. Nach Feierabend lebt er seine Fähigkeiten dann in einem brenzligen Nebenjob aus.

Glen Powell vor einer Tafel in "A Killer Romance"
Foto: Leonine

„A Killer Romance“ stellt Figuren und Identitäten auf den Kopf

Gary arbeitet für die Polizei als Lockvogel und gibt sich als Auftragsmörder aus. Er trifft sich mit potentiellen Klienten, welche hinterher verhaftet werden können. Keine Maskerade ist diesem Betrüger fremd. Je nach Kundenwunsch und Fantasie tritt er auch als Jeffrey Dahmer oder Patrick Bateman auf – Kostüm und Make-up machen’s möglich. Der eigentliche Konflikt beginnt jedoch, als der Möchtegern-Killer die Distanz verliert und sich in eine Frau verliebt, welche ihn gerade noch mit dem Mord an ihrem tyrannischen Partner beauftragen wollte.

„A Killer Romance“ entspinnt sich somit weniger über ein interessantes inszenatorisches Konzept als über die verschachtelte Konstruktion seines Schauspiels. Im Anschluss an die Weltpremiere in Venedig 2023 erntete Richard Linklater dafür international großen Jubel. Dabei ist er eigentlich kein Regisseur, der dem Drehbuch eine anregende oder wenigstens markante audiovisuelle Ästhetik zu verleihen weiß. Er ist ebenso wenig ein Regisseur, der aus seiner Täuschungsprämisse einen so radikalen, klugen und verunsichernden Film strickt, wie es etwa Jöns Jönsson mit dem grandiosen „Axiom“ gelungen ist.

Nichtsdestotrotz besticht „A Killer Romance“ mit einer wunderbar pointierten Situationskomik, gerade im Schlussdrittel, in dem sich das Spiel im Spiel im Spiel fortlaufend auffächert, was Glen Powell und Adria Arjona in den Hauptrollen einiges abverlangt. Die Übersicht über ihre einzelnen Charakterzüge und sozialen Rollen zu wahren und sie in einem schauspielerischen Balanceakt so leidenschaftlich und hitzig übereinanderzulegen, ist ihre große Qualität im Zentrum des Films.

Glen Powell in der Badewanne
Foto: Leonine

Wann fliegt der Schwindel auf?

Linklaters neues Werk ist überdies mit einer Spannung versehen, die sich vielleicht erst auf den zweiten Blick in ihrer ganzen Abgründigkeit zeigt. Die eine Spannung ist leichter erkannt und unmittelbar zu spüren: Das umfasst die Angst davor, aufzufliegen, ertappt zu werden. Der drohende Kollaps der errichteten Fassade, mit der Gary arbeitet, lebt und liebt. Erkennt seine Partnerin den Schwindel? Welche Auswirkungen wird die Entlarvung auf alle Beteiligten haben? Wer kann hier vor welchem Netzwerk geschützt werden, oder sind Persona, Maske und Persönlichkeit irgendwann schon gar nicht mehr zu trennen?

Die andere, weitreichender Spannung ist eine moralische. Darf und sollte jemand wie Gary eine solche Rolle spielen und wie wirkt sich sein Spiel auf ein Miteinander aus? Der Soziologe Erving Goffman schrieb in seiner berühmten Abhandlung „Wir alle spielen Theater“ über unwahre Darstellungen: „Entdecken wir, daß jemand, mit dem wir zu tun haben, ein Betrüger oder offenkundiger Schwindler ist, so beinhaltet diese Entdeckung, daß er nicht das Recht hatte, die Rolle zu spielen, die er gespielt hat. Wir nehmen an, daß die Art, wie sich der Betrüger darstellte, nicht nur seine Person in falschem Licht zeigt, sondern darüber hinaus noch andere Fehler aufweist; aber häufig wird die Maskerade entlarvt, bevor wir irgendeinen Unterschied zwischen der falschen Darstellung und der echten, die sie vortäuscht, entdecken können.“

Goffman verweist auf eine erschütterte moralische Verbindung zwischen dem Recht und der Fähigkeit, eine Rolle zu spielen. Und er schreibt weiter: „In der Person des geschickten Imitators, der von Anfang an zugibt, daß seine Absichten nicht ernsthaft sind, kann ein Weg zur Auflösung der Bedrohung angedeutet sein.“

Glen Powell in "A Killer Romance"
Foto: Leonine

Das Recht auf Täuschung

„A Killer Romance“ löst diese Bedrohung tatsächlich auf, indem er die schauspielerischen Methoden transparent macht. Seine Hauptfigur, der Imitator, verleugnet seine Täuschung nicht, sondern lädt das Publikum vielmehr dazu ein, sie zu studieren und zu reflektieren. Glen Powells beziehungsweise Garys Performance wird dennoch unheimlich, weil sie dennoch ernst Konsequenzen hat. Weil sie nicht nur das Recht zur Täuschung erhält, sondern dieses Recht von einem System erteilt wird, das alles an die Selbstkonservierung setzt. Kunden werden verhaftet, weil ihre Nachfrage durch betrügerische Verkäufer aufgefangen wird, welche jedoch überhaupt erst von den Behörden als Köder in die Welt entsendet werden. Das Rollenspiel greift dabei unmittelbar auf das Interagieren im Privaten über.

„A Killer Romance“ endet auf einer zynischen Pointe

Natürlich, niemand sollte Auftragsmord befürworten. Das ist nicht der Punkt und man sollte „A Killer Romance“ hier nicht allzu sehr beim Wort nehmen. Der Film begibt sich in ein sehr zugespitztes Genrefilm-Szenario. Verallgemeinert man es allerdings und widersetzt sich einmal der Verführungskraft des Protagonisten, dann enthüllt es Unbequemes: Wie vergiftet und untergraben kann ein gesellschaftliches, zwischenmenschliches Handeln eigentlich werden? Dann, wenn das Beharren auf Recht und Ordnung so verkörpert und performt wird, dass es dauernd im gegenseitigen Überwachen, Vorführen, Verstellen und Ausliefern gipfelt?

Richard Linklater führt schlagfertig und gewitzt vor, wie sich seine Figuren darin verheddern, bis sie selbst nicht mehr so recht wissen, wer sie sind und wo ihnen der Kopf steht. Sein finales Idyll, das auf Lügen gebaut ist, zeichnet ein erstaunlich zynisches Bild, über das das nur Publikum den Überblick behalten kann. Es zeigt das bequeme Einrichten und Ankommen in einer Misstrauensgesellschaft.

„A Killer Romance“ läuft seit dem 4. Juli 2024 in den deutschen Kinos.

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